Bernard Lewis / Buntzie Ellis Churchill: Islam. The Religion And The People, Upper Saddle River: Wharton School Publishing 2008, 238 S., ISBN 978-0-1322-3085-8, USD 21,99
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Interessierte fragen im Alltag oft, welches Buch zu empfehlen sei, dass kurz und bündig einen Überblick zum Islam vermittelt. Da ist es: griffig geschrieben - und streitbar. In 15 knappen Kapiteln überschauen der Princetoner Mittelosthistoriker Bernard Lewis [1] und die langjährige Präsidentin des Rates für Weltfragen in Philadelphia, Buntzie Ellis Churchill, diese Religion. Fraglos lädt es zum Streit ein. Daher werden hier drei Punkte referierend dargelegt, zumal sie an ein Credo erinnern. Zuvor sei noch knapp der Buchinhalt berührt.
Es geht um Glauben und seine Pfeiler sowie um Schrift, Tradition und Gesetz. Nicht zu kurz kommen Moschee, Sekten und Toleranz sowie Regierung und Opposition. Erklärt wird auch, wie sich der islamische Kernbereich und andere Räume zueinander verhalten. Ferner dreht es sich um die islamische Wirtschaft, Frauen, Kleidung, Sprache sowie um Krieg und Frieden. Erklärungen über Sprachen und Begriffe beschließen diesen Band.
Das Duo erörtert auch drei Stichworte, die aktuell eine Hauptrolle spielen und daher nun skizziert werden. Jihad meine, "sich auf Gottes Wegen zu bemühen". Es habe in Text und Tradition zwei Hauptbedeutungen: das moralische Ringen und der bewaffnete Kampf. In frühen Koransuren, da der Prophet noch eine Minderheit gegen die Etablierten Mekkas anführte, werde es oft im moralischen Sinne verwandt. Späterhin, als Muhammad speziell Staatsführer und Kommandeur in Medina war, erfuhr es einen mehr praktischen und eben spezifisch militärischen Sinn.
Zudem hätten die Juristen den offensiven und defensiven Jihad unterschieden. Ersterer obliege der gesamten Gemeinschaft, letzterer jedem fähigen Mann. Generell könne Krieg gegen vier Gruppen geführt werden, nämlich gegen Ungläubige, Apostaten, Rebellen und Banditen. Doch handele es sich nur in den ersten beiden Fällen, also gegen Nichtmuslime und Renegaten, um einen Jihad. Die Fälle drei und vier hingegen, also Muslime, die der staatlichen Autorität trotzten, würden gemeinhin keineswegs als Jihad eingestuft werden.
Und der radikale Islam? Am Anfang wäre alles klar und einfach gewesen, denn alle seien als Muslime betrachtet worden, die das Bekenntnis zur Einheit Gottes und zu Muhammad als seinem Propheten ablegten. Dann sei die Moderne im Mantel des Säkularismus daher gekommen. Der damit verbundene westliche Einfluss und die entsprechenden Imperien zeitigten eine tödliche Bedrohung für den Islam. Dabei bildeten sich Bewegungen heraus, die ihn wieder bereinigen wollten. Die saudischen Wahhabiten, mit den Heiligen Stätten Mekka und Medina unter sich, reagierten sowohl auf muslimische Verwestlicher als auch auf die Schiiten, die ihre speziellen Ansichten und die gültige Ordnung in Frage gestellt haben. Gleichwohl wandten sich die Salafiten gegen die von außen inspirierten Reformen. Sie hielten, wie auch die Muslimbruderschaft, statt dessen das Banner des Panislam hoch.
Neue radikale Strömungen hätten sich in Ayatullah al-Khumainis Islamischer Revolution und in Usama Bin Ladins al-Qa'ida verkörpert. Oft wären sie fundamentalistisch genannt worden. Das sei aber ein genauso westlich irreführendes Wort wie Integristen. So stehe es auch um Islamisten und Islamismus, die den Eindruck vermittelten als handele es sich um den repräsentativen Hauptstrom des Islam. Daher benutze ein Teil der Muslime diese Begriffe, ein anderer Teil aber lehne sie ab. All dies führt nunmehr zum dritten Sichtwort.
"Islamofaschismus" werde natürlich von Muslimen mit Vorbehalten betrachtet, denn er verknüpfe ihren Glauben mit den am meisten verurteilten modernen Bewegungen. Aber aus demselben Grunde würden andere wiederum diesen Begriff als zutreffend ansehen. Doch möge man sich heute, wo der radikale Islam so viel Aufmerksamkeit erlangt, zwei Momente vor Augen führen. Erstens seien die meisten Muslime keine Fundamentalisten. Und zweitens seien die meisten Fundamentalisten keine Terroristen. Fundamentalisten hätten ein Interesse daran, die erste Aussage zu entkräften oder zu verdrehen. Gleichwohl sei Terroristen daran gelegen, jene zweite Aussage zu entstellen. Indessen berichteten die Medien kaum über die große Masse der anständigen Menschen, die friedlich ihrer Wege gehen, weder in Kairo, noch in Bagdad und Teheran oder in New Jersey. Hinzu komme, dass jene beiden Unterscheidungen zuweilen durch Würdenträger oder kommunale Leiter übersehen werden, wenn sie nicht willens sind, bedingungslos Terrorakte zu verurteilen. Dies richte großen Schaden gegenüber dem islamischen Image unter Nichtmuslimen an.
Beide Autoren ziehen ein nachdenkliches Fazit. Demnach habe die moderne Welt zwei tödliche Feinde gehabt, die entschlossen die bestehende Ordnung zerstören wollten und eine große Anhängerschaft versammelten. Und zwar nicht nur in ihren Völkern, sondern weit darüber hinaus, was man Fünfte Kolonne nannte. Die erste dieser Bewegungen war der Faschismus, verkörpert in den Achsenmächten Italien und Deutschland. Die zweite dieser Bewegungen war der Bolschewismus, der sich in der Sowjetunion und in ihren Satellitenländern manifestiert hat. Beide seien nach langen und harten Kämpfen endgültig besiegt worden. Im ersten Fall durch einen Weltkrieg, im zweiten Fall durch einen Kalten Krieg. Heute wachse global die Einsicht, dass wir jetzt einer dritten solchen Bedrohung ausgesetzt sind, die viele Menschen als Kombination von Terror und Islam empfänden.
Wie der Nazismus eine monströse Verdrehung des deutschen Patriotismus und ebenso der Bolschewismus eine gleichwohl gewaltige Perversion des normalen Wunsches nach sozialer Verbesserung und sozialer Gerechtigkeit gewesen seien, so waren beide sowohl ein Fluch für ihre Völker als auch für die Welt. Für alle Völker wurde deren Niederlage zur Befreiung. Gegenwärtig stünden wir einer dritten totalitären Perversion gegenüber. Diesmal entspringe sie weder einem Land noch einer Ideologie, sondern der Religion des Islam. Die Vertreter dessen bedienten sich modernster Mittel der Kommunikation und Zerstörung. Ihre Herkunftsgesellschaft hege einen beispiellosen Sinn für Geschichte und Niederlagen. Infolge des Wandels durch Migration und Demografie stehe ihnen potentiell eine Fünfte Kolonne jenseits ihrer kühnsten Träume bereit. Das werde befördert durch ein im Westen umgehendes Gefühl der Schuld und Selbsterniedrigung, geäußert als Multikulturalismus und politische Korrektheit. Freilich sehen sich viele Muslime als Opfer des Westens. [2] Sie kämen jedoch als erste unter die Räder dieser dritten Perversion. Es gehe in Demokratien also nicht nur darum, den Gegner zu bekämpfen, sondern vor allem auch jenen Muslimen zu helfen.
Anmerkungen:
[1] Vgl. hierzu: http://www.trafoberlin.de/pdf-Neu/Bernard%20Lewis%20Kurzbiographie%202008.pdf [PDF-Dokument]
[2] Sie dazu meine Rezension für H-Soz-u-Kult: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/type=rezbuecher&id=10242
Wolfgang G. Schwanitz