Georg Gresser: Die Synoden und Konzilien in der Zeit des Reformpapsttums in Deutschland und Italien von Leo IX. bis Calixt II. 1049-1123 (= Konziliengeschichte. Reihe A: Darstellungen), Paderborn: Ferdinand Schöningh 2006, LXIV + 604 S., ISBN 978-3-506-74670-2, EUR 79,00
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Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine im Wintersemester 2003/2004 von der Fakultät für Katholische Theologie der Universität Bamberg angenommene Habilitationsschrift.
Der vom Autor in den Blick genommene Zeitraum umfasst jenen Abschnitt der mittelalterlichen Geschichte, in dem es zu tief greifenden Umwälzungen im Verhältnis von deutschem König- , Kaiser- und Papsttum kam, die zur Folge hatten, dass die bisherige Einheit von Regnum und Sacerdotium zerbrach und sich das Papsttum als entscheidender politischer Faktor auf der europäischen Landkarte etablieren konnte. Gerade wegen dieser Veränderungen sehen die meisten gängigen Handbücher in der Mitte des 11. Jahrhunderts auch den Übergang vom Früh- zum Hochmittelalter und bescheinigen dem Zeitraum den Charakter einer "Wende" (Johannes Fried). Insofern ist es begrüßenswert, dass mit Gressers Werk eine auf einem vielfach erforschten Gebiet noch immer bestehende Forschungslücke geschlossen wird, gilt die systematische Abhaltung von Synoden neben dem gezielten Einsatz von Legaten [1] doch als eines der wirksamsten päpstlichen Mittel, um die Ziele der Kirchenreform zunächst allgemein bekannt zu machen und schließlich allmählich umzusetzen.
Die Arbeit umfasst nach einer knappen Einleitung zwei größere Abschnitte: Einen katalogartigen darstellenden Hauptteil sowie einen systematischen Teil. Einführend (1-9) legt Gresser die von ihm als erkenntnisleitend zugrunde gelegten Fragen und Ziele dar und bietet einen allgemeinen Überblick zu den Quellen, die neben den Synodalakten päpstliche Urkunden und Briefe umfassen, aber auch die Korrespondenz von Bischöfen sowie die zwischen dem Papsttum und dem deutschen Königshof, ferner historiografische Quellen, die einzelnen Synoden besondere Aufmerksamkeit gewidmet haben.
Der erste Abschnitt des Hauptteils (11-490) ist in zehn, die Synoden der einzelnen Pontifikate von Leo IX. bis Calixt II. umfassende Unterpunkte gegliedert, wobei die Kirchenversammlungen unter den deutschen Reformpäpsten in einem Kapitel zusammengefasst sind. Dem Charakter der Reihe entsprechend werden die Synoden hier jeweils in kurzer Form in den historischen Kontext eingebettet. Dabei werden die Hintergründe des Zusammentreffens als auch deren Teilnehmer und die dabei behandelten Themen geschildert. Zudem werden die sich ergebenden quellenkritischen Probleme erörtert. Auf diese Weise erhält der Leser einen Überblick über das Fortschreiten der Reformbemühungen sowie über die in diesem Zusammenhang auftretenden Konflikte und die Bemühungen um deren Lösung.
Der auswertende zweite Teil ist demgegenüber ungleich kürzer geraten (493-585). Die Resultate lassen sich wie folgt zusammenfassen: Weder die Ostersynoden noch die seltener abgehaltenen Herbstsynoden besaßen feste Termine, feststellbar ist allenfalls, dass sich die Anfangstermine an wichtigen kirchlichen Feiertagen orientierten. Eine Ausnahme bildet lediglich der Pontifikat Gregors VII., dessen Synoden, die in erster Linie päpstlich-synodale Gerichtssitzungen darstellten, in der Regel in der ersten Fastenwoche - zugleich die letzte Woche des päpstlichen Jahres - abgehalten wurden und laut Gresser "unter dieser Prämisse [als] Präfiguration des Endgerichtes am Jüngsten Tag" (501) anzusehen sind. Ähnlich uneinheitlich präsentiert sich die "Synodaltopographie". Nur an wenigen Orten wurden mehrfach päpstliche Synoden abgehalten, wofür Gresser in erster Linie wirtschaftliche Gründe verantwortlich macht. Eine Ausnahme bildet hier wiederum Rom, was nicht zuletzt als Ausdruck der Bestrebungen um die Durchsetzung des päpstlichen Primats zu werten ist sowie mit der dort vorhandenen Infrastruktur begründet werden kann. Die Teilnehmer der Synoden waren nach Gresser vor allem durch den Versammlungsort bestimmt, waren also überwiegend regionaler Herkunft. Zugleich ist zu beobachten, dass seit 1055 keine gemeinsamen Synoden von Papst und deutschem König mehr stattfanden, andererseits aber die Kardinäle als Teilnehmer zunehmend an Bedeutung gewannen. Generell wurden die Ladungen zunehmend an größere Personenverbände gerichtet, was deutlich zeigt, dass sich der geografische Horizont der Synoden erweiterte. Hinsichtlich der Synodalpraxis und -liturgie lassen sich ebenfalls kaum feste Schemata ausmachen: Weder war die Dauer der Synoden einheitlich geregelt, noch deren Leitung. Auch bezüglich Regelmäßigkeiten der Sitzordnung hin zum Abbild einer hierarchisch durch den Papst geleiteten Kirche lassen sich kaum verlässliche Aussagen treffen. Allerdings widerspricht Gresser Thesen, wonach die ersten drei Tage einer Synode ausschließlich mit Beten und Fasten zugebracht worden seien. Dem widerspreche die bereits in den Anfangstagen festzustellende päpstliche Urkundenausstellung. Sie deute vielmehr darauf hin, dass es sehr rasch zur Aufnahme von Verhandlungen gekommen sei. Wenig gesicherte Erkenntnisse sind den Quellen ferner zur Frage der konkreten Verhandlungsführung und der dabei gebildeten Kommissionen sowie zur Synodalliturgie zu entnehmen. Mehr Klarheit besteht hingegen darüber, dass die Beschlüsse in mündlicher Form verkündet und dann von den Teilnehmern gebilligt wurden, um Gültigkeit zu erlangen. Großes Gewicht kam schließlich der weiteren Bekanntmachung zu, worin Gresser einen wesentlichen Grund für die regelmäßige Verlesung älterer Konzilsbeschlüsse sieht. Schärfer konturiert wird das Bild für die auf den Synoden behandelten Themen - Gresser spricht von "Synodalmaterie". Hier fällt auf, dass dogmatisch-theologische Fragen im Unterschied zu frühmittelalterlichen Synoden keine Rolle spielten, das Hauptaugenmerk vielmehr Problemen der Verwaltung, insbesondere aber der Rechtsprechung galt, was nach Gresser eine neue Qualität markiert (die "Synode wird zur Gerichtssitzung", 568). Dies zeigt, in welchem Ausmaß Synoden als Instrument zur Durchsetzung der Reformvorstellungen, vor allem aber des päpstlichen Primatanspruchs dienten. Die den Quellen zu entnehmenden Bezeichnungen der Synoden, aber auch deren Gegenstände und Teilnehmerkreise wiesen eine große Bandbreite auf, weshalb Gresser bisherige Versuche einer Schematisierung für wenig überzeugend hält und stattdessen die pragmatische Definition von Hermann-Josef Sieben bevorzugt, wonach man unter einer Synode "christliche Versammlungen von Kirchenvertretern verschiedenster Art" zu verstehen habe (575).
Eine Liste der Synoden sowie ein Personen- und Ortsregister, in dem auch vereinzelte Sachbegriffe enthalten sind, erschließt den Band. An mehreren Stellen vermisst man einschlägige neuere Untersuchungen, so beispielsweise zur Synode von Piacenza 1076 [2], zu den Ereignissen im Umfeld von Canossa [3] oder zu Papst Gelasius II. [4] In formaler Hinsicht fallen etliche Ungereimtheiten auf. So werden Autorennamen falsch geschrieben ("Johannek" statt 'Johanek', "Reindl" statt 'Reindel', dies aber keineswegs einheitlich), sind wiederholte Male Komma- und Tippfehler zu verzeichnen und ist das Register lückenhaft und unzuverlässig. So wird nur ein Teil der Synodalorte aufgenommen und sind die Personen nicht zur Gänze bzw. unvollständig erfasst.
Anmerkungen:
[1] Weiteren Aufschluss verspricht die seit mehreren Jahren als Publikation angekündigte Münchener Habilitationsschrift zum päpstlichen Legatenwesen des 11. und 12. Jahrhunderts von Claudia Zey aus dem Jahre 2002.
[2] Rudolf Hiestand: Planung - Improvisation - Zufall. Politisches Handeln im 11. Jahrhundert oder noch einmal Piacenza 1076, in: Von Sacerdotium und Regnum. Geistliche und weltliche Gewalt im frühen und hohen Mittelalter. Festschrift für Egon Boshof zum 65. Geburtstag, hg. von Franz-Reiner Erkens / Hartmut Wolff, Köln / Weimar / Wien 2002, 361-379.
[3] Ernst Schubert: Königsabsetzungen im deutschen Mittelalter. Eine Studie zum Werden der Reichsverfassung (=Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften Göttingen, Philologisch-Historische Klasse Folge 3, 267), Göttingen 2005.
[4] Stephan Freund: Est nomen omen? Der Pontifikat Gelasius II. (1118-1119) und die päpstliche Namensgebung, in: Archivum Historiae Pontificiae 40 (2002), 53-83.
Stephan Freund