Paul E.J Hammer (ed.): Warfare in Early Modern Europe 1450-1660 (= The International Library of Essays on Military History), Aldershot: Ashgate 2007, XXXIX + 468 S., ISBN 978-0-7546-2529-2, GBP 110,00
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Jeremy Black: War in European history, 1494 - 1660 (= The Essential Bibliography Series), Washington: Potomac Books 2006, 116 S., ISBN 978-1-57488-971-0, USD 14,95
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Jeremy Black: Beyond the Military Revolution. War in the Seventeenth Century World, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2011
Hans Biereigel: Luise Henriette von Nassau-Oranien. Kurfürstin von Brandenburg, Erfurt: Sutton Verlag GmbH 2005
Winfried Speitkamp (Hg.): Gewaltgemeinschaften in der Geschichte. Entstehung, Kohäsionskraft und Zerfall, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2017
Mehr als 200 Jahre Kriegsgeschichte der europäischen Vormoderne in exemplarischen Aufsätzen darzustellen, ist die Aufgabe, die sich Paul Hammer gestellt hat. Ein Stichwort, das den Grundakkord der Zeit von der Mitte des 15. bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts in militärhistorischer Sicht beschreibt und als Orientierung bietender Begriff auch dem blassen Titel Prägnanz verliehen hätte, hat der Herausgeber nicht gewählt. Dabei kann gerade diese Zeit als Hauptphase der Militärischen Revolution begriffen werden - dass dies Hammer bewusst ist, zeigt seine Einleitung, die stark auf den Impuls eingeht, den das Aufkommen der neuen Kriegstechnologie mitsamt den gesellschaftlichen Implikationen auslöste.
Charakteristisch für die Epoche waren Feuerwaffen, die sich allenthalben durchsetzten und ohne die kein Krieg mehr gewonnen werden konnte. Gleichzeitig wuchsen die Heere in bis dahin unbekannte Größen an, ein Vorgang, der verknüpft war mit der endgültigen Ablösung des herkömmlichen Lehensaufgebots durch die Söldnertruppen wie auch mit dem Aufkommen des Kriegsunternehmers. Der Krieg wurde endgültig zum großen Geschäft, das Ruhm, Geld und sozialen Aufstieg ermöglichte, doch schon zum Ende der Epoche, im 17. Jahrhundert, trat der frühmoderne Fürstenstaat wieder stärker auf den Plan und dem Krieg wuchs eine katalysatorische Bedeutung im Prozess der frühmodernen Staatsbildung zu. Diese Thematik wird in der Einleitung (XI-XXXIX) entfaltet und mit weiterführender englischsprachiger Literatur ergänzt. Hammer zeichnet dabei die Debatte um den Begriff der Militärischen Revolution seit den 1950er Jahren, vor allem aber seit den 1970er Jahren nach und bereitet gleichzeitig den sich anschließenden Aufsätzen den Boden.
Es handelt sich um 17 Beiträge, die allesamt bereits publiziert wurden. Dem Konzept der Reihe entsprechend sind sie für diesen Band nicht neu gesetzt, sondern nachgedruckt worden. Die Reproduktionen zeichnen sich durch gute Qualität aus, von einer einzigen Ausnahme abgesehen: der Beitrag von Weston Cook (Nr. 4) ist in geradezu leseunfreundlichem Druck gehalten. Die ursprüngliche Paginierung ist sichtbar, allerdings hat der Band auch eine eigene durchgehende Seitenzählung. Den Gepflogenheiten der angloamerikanischen Wissenschaftskultur entsprechend sind nur Aufsätze in englischer Sprache aufgenommen; auffallend ist, dass sie ausschließlich Periodika entnommen sind, nicht aber Sammelbänden. Positiv zu vermerken ist die relative Aktualität, insofern lediglich drei Beiträge aus den 1970er Jahren, ein einziger aus den 1980er Jahren stammt, und somit alle übrigen nicht älter als 17 Jahre sind. Dieser Umstand kann vielleicht erklären, warum prominente Namen wie John R. Hale und Michael Roberts nicht unter den Beiträgern vertreten sind.
Nach welchem Konzept die Beiträge angeordnet sind, bleibt unklar; ein Gliederungs- und Anordnungsprinzip ist nicht zu erkennen, ebenfalls gibt es keine Binnengliederung, die die Aufsätze zu thematischen Blöcken zusammengefasst hätte. Eine inhaltliche Schwerpunktsetzung unterbleibt: Deutlich hervorgehoben sind sozialgeschichtliche Aspekte, kriegs- und strategiegeschichtliche Themen sowie auch technikbezogene Aufsätze. Biographische Skizzen tauchen nicht auf, ebenso wenig werden wirtschaftshistorische Ansätze aufgegriffen. Im Kontext der Kriegsunternehmer-Thematik hätte man Ausführungen zur Staatsbildungsdebatte erwarten können - eine Erwartung, die nicht erfüllt wird. Vor dem Hintergrund mag es einleuchten, dass am Ende des Bandes ein Personenregister den prosopographischen Überblick verschafft, ein Stichwortregister aber nicht erstellt wurde - allzu breit und unverbunden wären wohl die Lemmata gewesen.
Im Folgenden sollen in aller Knappheit die Themenfelder benannt werden, die in diesem Sammelband berührt werden. Den Reigen eröffnet G. Parkers Aufsatz von 1976 (Nr. 1), in dem die schon früh einsetzende Kritik am Begriff der Militärischen Revolution aufgegriffen wird. Wenn auch klassisch, so bleibt der Beitrag insofern etwas irreführend, als Parker seinerseits wenige Jahre später zum eigentlichen Verfechter und Fortentwickler dieser These werden sollte, indem er die Revolution zeitlich weiter ins 18. Jahrhundert verlängerte und in ihren Implikationen auf den Erfolg der westlichen Welt in Übersee ausweitete. Komplementär ist der Beitrag von C. Rogers (Nr. 2), der die Militärischen Revolutionen (sic) im Hundertjährigen Krieg untersucht und damit deutlich macht, dass die Vorgeschichte dieses Phänomens, das Michael Roberts im wesentlichen noch auf die Zeit von 1560 bis 1660 begrenzt hat, bis weit ins 14. Jahrhundert zurückreicht.
Andere Beiträge thematisieren die technische Entwicklung und nehmen dabei einzelne Waffen und Waffengattungen in den Blick. Wichtig, weil er das Bild der modernitätsfeindlichen Ritter korrigiert, ist der Aufsatz von G. Phillips zur Kavallerie (Nr. 3). Die Artillerie wird einmal mit Bezug zur Reconquista (Nr. 4) und zum Osmanischen Reich behandelt (Nr. 12). Allerdings hatte diese neue Waffengattung in offenen Feldschlachten noch lange nicht die Bedeutung wie einige Jahrzehnte später; gleichwohl waren die Auswirkungen auf die Fortifikations- und Belagerungstechnik immens. Allgemein bewertet D. Parrott den militärischen Wert von Festungen anhand von italienischen Beispielen im 16. und 17. Jahrhundert kritisch, wobei er gar nicht etwa auf die neue Waffentechnik, sondern auf das Zusammenwirken von Festungen und Feldarmeen eingeht (Nr. 6). Die Marinegeschichte wird mit dem Beitrag zur "Dreadnought Revolution" einbezogen (Nr. 14), obwohl die Buchreihe auch einen eigenen Band zur Seekriegsgeschichte 1500-1680 hat. [1] Dagegen bleibt der Englische Bürgerkrieg, der durchaus in den Berichtszeitraum passt, aber für den ebenfalls ein eigener Band in dieser Serie vorgesehen ist, komplett ausgespart.
Einige Beiträge widmen sich den sozialhistorischen Komponenten, die für die Militärische Revolution kaum überschätzt werden können. Positiv fällt auf, dass hier verschiedene Armeen respektive Königreiche berücksichtigt werden; durchaus ihrem Stellenwert im 16. Jahrhundert entsprechend wird das spanische Beispiel zweimal aufgegriffen, einmal zum Faktor der Disziplin bei den spanischen Truppen (Nr. 8), dann aber auch durchaus relativierend zu den Meutereien in der spanischen Flandern-Armee (Nr. 9). Es folgen Beiträge zum niederländischen (Nr. 10) und zum elisabethanischen Militär, letzterer unter dem etwas provokanten Stichwort der "Militarization" (Nr. 11). Für die europäische Dimension des Söldner-Markts sind das englische und französische Engagement im Heiligen Römischen Reich im 16. Jahrhundert erhellend (Nr. 7); aus deutscher Perspektive ist die Lücke zu monieren, dass die Schweizer Reisläufer und die deutschen Landsknechte als typische Vertreter der Söldnerarmeen dieser Zeit völlig ausgeblendet sind.
Zum osmanischen Militär fällt ein vergleichender Beitrag auf (Nr. 12), der überzeugend die Stärken und Schwächen der Artillerie darstellt. Allerdings ist dieser Aspekt nicht hinreichend, um das militärische Potential dieser Macht im Untersuchungszeitraum angemessen zu umfassen. Freilich wird dadurch auch ein weißer Fleck der Forschung sichtbar. Sonst ist die islamische Welt noch durch einen Beitrag über den portugiesischen Feldzug gegen das marokkanische Sultanat von Fes im Jahr 1578 einbezogen, der 1578 in der vernichtenden Niederlage von Alcazarquivir endete (Nr. 13). Das darin bemühte Stichwort des "Colonial Warfare" passt jedoch noch besser zur Frage von George Raudzens, warum die Azteken den europäischen Waffen unterlagen (Nr. 15), ein Erkenntnisinteresse, dem sich der Autor freilich auch in größerer Perspektive gewidmet hat. [2] Dies ist auch der einzige Beitrag, der G. Parkers Ansatz von der "Military Revolution abroad" aufgreift und damit die Frage nach der militärischen Überlegenheit Europas als Voraussetzung für die sich in der Frühmoderne abzeichnende europäische Vorherrschaft in der Welt.
Zum Dreißigjährigen Krieg finden sich zwei Beiträge. Neben dem sehr profunden Aufsatz von Parrott (Nr. 16) über die Auswirkungen der Militärischen Revolution auf die Strategie und Taktik in diesem Krieg folgt der Beitrag von Outram zu sozialen Implikationen der Sterblichkeitsrate in Kriegszeiten - ein fraglos wichtiges Thema, das gerade gewinnbringend am Beispiel des Dreißigjährigen Kriegs zu exemplifizieren wäre, aber leider auf veraltetes Material zurückgreift und sich beinahe komplett von den reichhaltigen Ergebnissen der aktuellen Forschung fernhält. Wichtige und immer noch relevante Arbeiten von Gerhard Benecke hätten herangezogen werden müssen, gerade zur Veranschaulichung von Kriegseinwirkungen auf die Gesellschaft. [3] Aktuelleren Datums und absolut einschlägig, um nur ein englischsprachiges Beispiel zu nennen, wären auch Aufsätze von Ronald Asch gewesen, etwa sein Beitrag zu Kriegsgräueln genauso wie sein Überblicksartikel zur Kriegführung dieser Zeit. [4]
Insgesamt macht der Band vor allem anschaulich, wie reichhaltig die militärhistorische Thematik auch im Spiegel der aktuellen Forschungen ist. Allerdings bleiben doch erstaunliche Lücken, die zumindest aus einer deutschen oder allgemein nicht-englischen Forschungsperspektive überraschen. Insofern wird vor allem deutlich, welche Tendenzen in der anglo-amerikanischen Forschung zur frühmodernen Militärgeschichte in jüngerer Zeit vorherrschen.
Eine ähnliche Intention verfolgt das Bändchen von Jeremy Black, das sich in etwa demselben Zeitraum widmet. Dabei macht sich Black zunächst selbst Konkurrenz, denn einige Jahre zuvor hat er einen Band mit einem fast identischen Titel herausgebracht. [5] Gegenüber den rund 470 Seiten bei Hammer reichen nun 80 Textseiten aus, um in knappen, aber pointierten Strichen die militärische Entwicklung von 1494 bis 1660 nachzuzeichnen. Dem Serienkonzept verpflichtet lehnt sich die Beschreibung stark an die relevante Forschungsliteratur an, deren Positionen und Wertungen zu den verschiedenen Einzelthemen explizit benannt werden. Doch hinderte dies Black nicht, die eigene Sicht auf die Dinge zu betonen. Der mediterrane Raum gerät nicht ganz so stark in den Blick, dafür wird die Entwicklung in der baltischen und osteuropäischen Sphäre deutlicher nachvollzogen.
Als stärkster Part fallen dabei die beiden "case studies" Skandinavien und Spanien ins Auge (49-75). Black betont die Stärke der spanischen Macht, erkennbar an der vielfach erwiesenen Fähigkeit, häufig erlittene Rückschläge in einem weltweiten Machtbereich zu kompensieren und dabei kaum nachhaltig an Einfluss zu verlieren. Auch die Kritik am Konzept der Militärischen Revolution kommt nicht zu kurz, wobei diese Skepsis für Black nichts Neues ist. Der These von der Militärischen Revolution als einem Phänomen, das praktisch überall in der Welt wirksam wurde, stellt er die Auffassung von höchst unterschiedlichen militärischen Kulturen entgegen, die sich durchweg autonom entwickelten und dabei mal mehr, mal weniger intensiv Anregungen der Militärischen Revolution aufgriffen - wobei das geringe Echo auf diese Neuerungen nicht automatisch als Rückständigkeit zu missverstehen sei oder in einer militärischen Schwäche resultierte.
Darüber wird weiter zu debattieren sein, zumal die knappen Ausführungen Blacks nicht mehr als stichwortartige Thesen darstellen, deren Veranschaulichung, geschweige denn Verifizierung hier gar nicht geleistet werden kann. Dies ist Black auch selbst bewusst, der seinerseits konzediert, dass zur Untermauerung dieser Ansichten noch viel Spezialforschung nötig sein wird. Was gleichwohl an entsprechenden detaillierten Studien bereits vorhanden ist, wird weniger bei Black als vielmehr in dem Band von Hammer deutlich.
Anmerkungen:
[1] Jürgen Luh: Rezension von: Jan Glete (ed.): Naval History 1500-1800, Aldershot 2005, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 9 [15.09.2006], URL: http://www.sehepunkte.de/2006/09/8458.html
[2] Nobert Finzsch: Rezension von: George Raudzens (Hg.): Technology, Disease and Colonial Conquests, Sixteenth to Eighteenth Centuries. Essays Reappraising the Guns and Germs Theories, Leiden / Boston / Tokyo 2001, in: sehepunkte 3 (2003), Nr. 1 [15.01.2003], URL: http://www.sehepunkte.de/2003/01/2607.html
[3] Gerhard Benecke: The Economic Policy of "Kriegsraison" in Germany during the Thirty Years War, in: Society in Change: Studies in Honor of Béla K. Király, New York 1983, 39-51; ders.: The Problem of Death and Destruction in Germany during the Thirty Years War: New Evidence from the Middle Weser Front, in: European Studies Review 2 No.3 (1972), 239-253.
[4] Ronald G. Asch: "Wo der soldat hinkömbt, da ist alles sein": Military Violence and Atrocities in the Thirty Years War Re-examined, in: German History 18 (2000), 291-309; ders.: Warfare in the Age of the Thirty Years War 1598-1648, in: Jeremy Black (ed.): European Warfare 1453-1815, New York 1999, 45-68; 250-256.
[5] Marian Füssel: Rezension von: Jeremy Black: European Warfare, 1494-1660, London / New York 2002, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 6 [15.06.2006], URL: http://www.sehepunkte.de/2006/06/2225.html
Michael Kaiser