Jeremy Black: Beyond the Military Revolution. War in the Seventeenth Century World, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2011, 234 S., ISBN 978-0-230-25155-7, GBP 49,50
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Jeremy Black: Kings, Nobles and Commoners. States and societies in early modern Europe, a revisionist history, London / New York: I.B.Tauris 2004
Paul E.J Hammer (ed.): Warfare in Early Modern Europe 1450-1660, Aldershot: Ashgate 2007
Jeremy Black: Rethinking Military History, London / New York: Routledge 2004
Die 'Militärische Revolution' und kein Ende: Seit Geoffrey Parker in den 1970er und 1980er Jahren die von Michael Roberts in den 1950ern erstmals entwickelte These aufgriff und modifizierte, ist die Debatte um sie nicht mehr abgeflaut. In den vergangenen Jahren hat vor allem Jeremy Black diesen Ansatz weiterentwickelt. Schon länger steht allerdings die Frage im Raum, was von dieser Revolution zu halten ist, wenn sowohl die Koordinaten wie Berichtszeitraum und geographischer Bezugsrahmen dauernd verschoben als auch die technischen und sozialen Aspekte, unter denen sie erforscht wird, permanent variiert werden. Auch Black trägt dieser Entwicklung in seinem neuesten Buch von 2011 Rechnung, wenn er laut Buchtitel über die 'Militärische Revolution' hinaus blicken möchte.
Längst geht es nicht mehr wie noch ursprünglich um die Impulse, die von den Generalstaaten, Schweden oder den habsburgischen Landen ausgingen; vorherrschend ist eine globale Perspektive. Dies gilt auch für Blacks Ansatz, der weit über die europäische Szenerie hinausgeht und andere Großreiche miteinbezieht. Vor allem der asiatische Raum rückt dabei in den Vordergrund. Ein Grund dafür ist nicht zuletzt der Umstand, dass im 17. Jahrhundert die weitaus meisten Menschen in Ost- und Südasien lebten. Dass der amerikanische Kontinent, der Raum südlich der Sahara und Ozeanien ausgeblendet bleiben, gründet aber auch in Blacks Schwerpunktsetzung auf die sog. "gunpowder empires".
Mit der Entscheidung für das 17. Jahrhundert als Untersuchungszeitraum setzt sich Black über konkurrierende Chronologien hinweg: So hat Roberts die Phase von 1560 bis 1660 als entscheidend für die militärische Entwicklung angesehen, und Black seinerseits weist auf die Folgezeit von 1660 bis 1760 als die eigentlich entscheidende Phase hin (8). Mit dem 17. Jahrhundert überwölbt Black aber diese zeitlichen Festlegungen, die ohnehin aus stark eurozentrischer Sicht getroffen werden; Kerndaten, die für die obengenannten Phasen sprechen, hätten eine Relevanz lediglich für europäische Verhältnisse, nicht aber für Entwicklungen in Asien. So erleichtert es dieser chronologische Ansatz auch, die Parallelität der Ereignisse dieser Zeit in den unterschiedlichen Regionen der Welt nachzuvollziehen.
Der Aufbau des Buches folgt zunächst dem zeitlichen Verlauf, wobei eine Rückschau auf das 16. Jahrhundert vier chronologische Abschnitte einleitet: 1590-1615, 1616-1650, 1650-1683 und 1683-1707. Dazu kommt ein Kapitel über die Expansion der Europäer, in dem aber auch die Schwäche und begrenzte Schlagkraft der europäischen Mächte bei ihren expansionistischen Bestrebungen deutlich wird, nicht zuletzt unterstrichen durch den Vergleich mit dem osmanischen Vordrängen, kulminierend in der Belagerung Wiens 1683. Es folgt ein Kapitel über den Seekrieg, in dem erneut nicht nur die europäische Entwicklung betrachtet wird. So boten islamische, aber auch asiatische Reiche bemerkenswerte Seestreitkräfte auf. Doch der Schwerpunkt ihrer Macht lag nach wie vor auf Landstreitkräften. Zumal die Reichweite dieser Seemächte gerade im Vergleich mit den europäischen Flotten begrenzt war, die in dieser Epoche letztlich das Maß des Seekriegs waren. Voraussetzung für diesen Erfolg waren nicht nur die nötigen Ressourcen, sondern auch ein entsprechendes Voranschreiten der Navigationstechnik und der Kenntnisse über die Meere allgemein (durch Karten verfügbarer und tradierbarer gemacht).
Ein weiterer Abschnitt thematisiert den Zusammenhang von Krieg mit seinen sozialen Implikationen und dem Prozess der Staatsbildung. Hier wird vor allem den europäischen Eliten eine größere Bereitwilligkeit zugestanden, Neuerungen im militärischen Sektor aufzugreifen. Gerade in Europa ging der Trend sehr viel deutlicher dahin, militärische Strukturen zu verstetigen und zu vereinheitlichen - es begann die Zeit der stehenden Heere. Den Band beschließen die "conclusions" mit rund 20 Seiten, gefolgt von knappen, gleichwohl klug ausgewählten Literaturangaben und Einzelnachweisen sowie einem kombinierten Namen- und Stichwortindex.
Wie schon aus früheren Publikationen bekannt, bleibt auch in dieser Studie die Souveränität beeindruckend, mit der der Autor zwischen den verschiedenen Regionen der Welt changiert und militärische Systeme vergleicht, Erfolge und Misserfolge in Parallele setzt, überhaupt Parallelitäten und Gegenläufigkeiten aufzeigt, dabei etablierte historische Urteile relativiert und für Neubewertungen und Aufwertungen anderer Phänomene plädiert. All dies zeigt die Meisterschaft Blacks in seinem Metier. Inspirierend ist in jedem Fall die Relativierung, die sich für jedes Spezialthema ergibt, wenn es einmal im Kontext mit anderen historischen Vorgängen gesehen wird, gleich, ob es sich um den Englischen Bürgerkrieg, den Dreißigjährigen Krieg oder die europäische Expansion handelt. Wenn einzelne Aspekte im Lichte anderer Ereignisse gespiegelt werden, stellt sich der Verfremdungsprozess ein, der zum neuerlichen Überdenken auch bekannter Phänomene anregt.
Wertvoll macht dieser großgesetzte Rahmen die Arbeit vor allem dadurch, dass die Regionen der Welt nicht isoliert für sich bleiben, sondern Verbindungen zwischen ihnen erkannt und damit globale Tendenzen festgestellt werden können. So weitet der Verweis auf Versuche, Bündnisse zu schließen und damit Konflikte zu koordinieren, die Perspektive für den globalen Rahmen dieser Konflikte, etwa wenn das osmanische Reich von Angriffen auf europäische Mächte wie Habsburg oder Polen abgehalten bzw. genau dazu animiert werden sollte; ähnliches gilt für das Engagement des persischen Safavidenreichs gegen die Osmanen, aber auch in Richtung Indien oder Zentralasien (45 f.). Berührungspunkte zwischen den Konfliktregionen zeigen sich anhand des Exports von Feuerwaffen wie auch des Einsatzes von ausländischen Experten, die erst den erfolgreichen Einsatz dieser neuen Waffentechnik ermöglichten; so belieferten die Osmanen vor allem die Feinde des persischen Reiches, während auf dem indischen Subkontinent Portugiesen und Franzosen für die Proliferation dieses Know-hows sorgten (17, 83). Von maritimen Kenntnissen der europäischen Seefahrer profitierte auch das Sultanat Oman im 17. Jahrhundert (155).
Nun wird jeder, der sich in einem Spezialbereich gut auskennt, nicht übersehen können, wie hemdsärmelig Black manche Ereignisse bewertet - was im Rahmen einer solchen Arbeit nicht anders geht, aber mit einem hohen Preis von Simplifizierung erkauft ist. Dass dies auf dem hohen Niveau einer komparatistischen Geschichtsschreibung unvermeidlich ist, sei ohne weiteres konzediert. Doch was ist mit den doch höchst unterschiedlichen Forschungsständen, auf deren Grundlage etwa die Kriege des Mandschu-Reichs, die safavidischen Kämpfe gegen die Usbeken, aber auch der Englische Bürgerkrieg miteinander verglichen werden? Natürlich ist dies nicht Blacks Fehler, und er selbst weist immer wieder auf dieses Manko hin (vgl. 195, aber auch schon 151 mit Blick auf den Seekrieg). Erst recht darf ein solches Manko Studien wie die vorliegende nicht verhindern, unterstreicht gleichwohl die Notwendigkeit historischer Spezialarbeiten, deren Qualität erst ein Buch wie das von Black möglich macht.
Wenn Black aber den Stellenwert von Konflikten wie den Mogulkriegen in der Mitte des 17. Jahrhunderts hervorhebt, die von Historikern zu Unrecht vernachlässigt würden (84), und Mächten wie den Usbeken im frühen 17. Jahrhundert, die die Forschung unterschätzen würde (29 f.), mag dem Leser zeitweise die Orientierung abhandenkommen: Welche Kriege waren wirklich wichtig, welche Regionen und Reiche spielten eine bedeutsame Rolle? Als Anhaltspunkt will Black weniger die reine Geographie und die räumliche Größe als vor allem den Faktor der Bevölkerung betont wissen; so kann er dem asiatischen Raum und besonders China aufgrund seiner Populationsdichte eine größere Bedeutung als Europa zuweisen (vgl. 47). Überhaupt finden sich immer wieder kluge Hinweise auf die Faktoren, die militärische Leistungen und deren Bedeutung einzuschätzen helfen. So verweist Black allgemein auf den Aspekt der geographischen Reichweite samt ihren geophysischen Unterschieden (range, vgl. 86), in der eine Macht sich zu etablieren vermochte. Allgemein wird die hohe Bedeutung der Reiterei betont (vgl. 53 f., 71 f., 77 u.ö.) und auch der Belagerungen, während der Stellenwert der Feldschlachten und erst recht der Entscheidungsschlacht relativiert wird. Was in diesen Erklärungsmustern fehlt, ist der Faktor des Zufalls. Dabei ist Kontingenz gerade im Krieg ein Faktor, der sich eo ipso historischen Erklärungsmustern entzieht und doch immer einkalkuliert werden muss.
Erstaunlicherweise wird der Schwerpunkt der Betrachtung auf militärische Verhältnisse an sich gelegt. Staatliche und mehr noch soziale Interdependenzen kommen zwar immer wieder einmal vor, aber nur ein einziges Kapitel mit 17 Seiten stellt diesen Aspekt in den Mittelpunkt, der für die ursprüngliche These der 'Militärischen Revolution' deutlich stärker betont wurde. Die einstmals generalisierende Beobachtung von Michael Roberts über das stete Anwachsen der Heere bedenkt Black mit dem knappen Hinweis, dass schon im späten Verlauf des Dreißigjährigen Kriegs die Heeresgrößen tendenziell zurückgingen (187).
Am Ende kommt Black zu einem bemerkenswerten Befund: Insofern unter einer Revolution ein plötzlicher Wechsel oder grundlegender Wandel zu verstehen sei (was sonst?, möchte man dagegen fragen), habe es weder zu Lande noch zu Wasser eine militärische Revolution gegeben. Doch er geht noch einen Schritt weiter und proklamiert, ungeachtet all der positiven Impulse dieses Paradigmas, das Ende der 'Militärischen Revolution' als zielführenden Forschungskonzeptes: "(..) now it is time (...) to advance new concepts" (199). Neues Potential sieht er in einer kulturalistischen Erweiterung des Forschungsfeldes, etwa in der Frage des Verständnisses von Krieg und Frieden oder der Haltung der Kriegführenden gegenüber Kriegsverlusten. Man wird kein großes Risiko eingehen, wenn man dem Autor unterstellt, dass er schon in Bälde die Forschung darüber eingehender aufklären wird, wie die Militärgeschichtsschreibung "beyond the Military Revolution" weitergehen könnte.
Michael Kaiser