Rezension über:

Peter Morsbach: Die Erbauer des Domes. Die Geschichte der Regensburger Dommeisterfamilie Roriczer-Engel, Regensburg: Schnell & Steiner 2009, 168 S., ISBN 978-3-7954-2036-9, EUR 16,90
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Rezension von:
Stefan Bürger
Institut für Kunst- und Musikwissenschaft, Technische Universität, Dresden
Redaktionelle Betreuung:
Ulrich Fürst
Empfohlene Zitierweise:
Stefan Bürger: Rezension von: Peter Morsbach: Die Erbauer des Domes. Die Geschichte der Regensburger Dommeisterfamilie Roriczer-Engel, Regensburg: Schnell & Steiner 2009, in: sehepunkte 9 (2009), Nr. 5 [15.05.2009], URL: https://www.sehepunkte.de
/2009/05/15275.html


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Peter Morsbach: Die Erbauer des Domes

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Zum Regensburger Dom sind in den letzten zwei Jahrzehnten zahl- und aufschlussreiche Publikationen erschienen. Viele Baubefunde und Beobachtungen haben zur Klärung der komplexen Baugeschichte beigetragen, weshalb man meinen müsste, eine neues Buch könnte allenfalls einen zusammenfassenden Überblick geben oder eine Detailfrage ins Auge fassen. Dass dem nicht so ist, beweist der Autor eindrücklich. Es gelingt ihm, den Leser in eine neue Perspektive zu versetzen und ihm den Bau nicht vordergründig als kunstwissenschaftliches Objekt sondern in erster Linie als Bauwerk zu präsentieren, als Werk der am Dombau beteiligten Personen. Dieser Perspektivwechsel wird beim bloßen Durchblättern des Buches deutlich. Die Zusammenstellung der Fotos und Illustrationen lässt schnell erkennen, dass es nicht vordergründig darum ging, sich ausschließlich an den Bauphasen des Domes abzuarbeiten. Vielmehr ging es darum, sich auf einen größeren Kontext einzulassen, der durch das Betätigungsfeld der Meister geprägt war. Dafür werden überregionale Analogien ebenso wie die sonst eher peripher berücksichtigten Architekturen der Klausurgebäude und die Kleinarchitekturen der Altäre, Grabmäler oder Ähnliches einbezogen. Die Öffnung des Kontextes forderte eine Eingrenzung des Themenkreises: Der Autor beschränkt sich auf die Meisterfamilie der Roriczer und Engel, die den Dombau etwa einhundert Jahre lang betreut haben (1415-1514). Dieser Ausschnitt ist durch den familiären Verbund plausibel, aber auch durch den architekturgeschichtlichen Umstand, dass die Baukunst nach Peter Parler großen Wandlungen unterworfen war, die in Regensburg nicht spurlos geblieben sind.

Das erste Kapitel führt in die örtliche Bauorganisation ein. Die Passagen zu den Auftraggebern und Handwerkern sind allgemein gehalten, wobei immer mit dem Verweis auf Quellenbefunde Bezüge zur Regensburger Situation hergestellt werden. Um die Handwerkssituation am Dom zu illustrieren, runden Ausführungen zur Lehrausbildung, Gesellenzeit und Meisterschaft, Bemerkungen zum sogenannten Fialenbüchlein und dessen Funktion als Lehrtraktat zur Unterweisung der Steinmetzen, Überlegungen zu Meisterverträgen, Arbeitszeitregelungen, Entlohnungen, Lebenshaltungskosten, Wanderschaft und Dienstreisen das Gesamtbild ab. Besonders anschaulich werden die Aspekte neben den zahlreichen Quellenverweisen vor allem dadurch, dass der Autor versucht, die Situation des Spätmittelalters mit dem Erfahrungshorizont unserer modernen Welt zu verknüpfen.

Die fünf Hauptkapitel widmen sich den Vertretern der Werkmeisterfamilie: Wenczlaw Roriczer (1415-1419), Andreas Engel (um 1419-1456), Konrad Roriczer (1456-1477), Matthäus Roriczer (1477-1495) und Wolfgang Roriczer (1495-1514). Für alle Meister beschreibt der Autor die familiären Bindungen, die biografischen Daten und handwerklichen Stationen, soweit sie sich aus den Quellen rekonstruieren lassen. In diesem Zusammenhang wird die ältere Forschung kritisch aufgearbeitet und bisweilen korrigiert. Anhand des Meisters Wenczlaw finden die Probleme der Quellenlage und stilistischen Zuschreibungen besondere Beachtung, auch dadurch, dass die Parlerarchitektur und einige Bauten der Folgezeit sehr intensiv auf ihren Vorbildwert für den Regensburger Dom überprüft werden. Wie am Beispiel der Triangelvorhalle der Westfassade versuchen sehr detaillierte Formvergleiche die jeweiligen Œuvres der Meister zu fassen.

In die biografische Historiografie sind einige Ereignisse eingebettet, die für die Entwicklung des Handwerks oder den Baufortgang des Domes von Belang waren. So wird beispielsweise nach der Rolle Konrad Roriczers auf dem Regensburger Hüttentag von 1459 gefragt. Der Autor versucht die Umstände, die zum Zusammenschluss der Hütten unter der Regensburger/Straßburger Ordnung führten, differenziert zu betrachten: die Interessenlagen und personellen Konstellationen, rechtliche Grundlagen, die Konsequenzen für die Bauherren und Handwerker und ebenso die möglichen Auswirkungen für die Regensburger Dombauhütte. Folgerichtig wird auf die überregionale Bedeutung des Straßburger Hüttenverbandes hingewiesen. Doch in diesem Teil kommt es zu leichten Verwirrungen, die dem Autor nicht vorzuwerfen sind: Zwar strebte der Straßburger Hüttenverband eine allgemeinverbindliche Haupthüttenposition an, doch blieben neben ihr auch Handwerksverbände in anderen politischen Strukturen bestehen. Wie im Falle der Regensburger Hütte hatte Straßburg keinen Zugriff auf jene Bauhütten, die den Domkapiteln unterstanden oder ausschließlich landesherrlich organisiert waren. Hier führten wertvolle Quellenfunde, die in Regensburg gemacht wurden, zu einer gewissen Divergenz zu jenen Pauschalbewertungen der Handwerksorganisation, die unserem lückenhaften Bild der spätmittelalterlichen Bauhütten entspringen. Die Regensburger Befunde besitzen erhebliches Potenzial, um unser Bild vom Handwerk zu ergänzen und in Einzelaspekten sogar zu korrigieren. Insofern ist dem Autor auch hier eine aufschlussreiche Erhebung und Zusammenstellung der Quellen zu verdanken; mit speziellen Aspekten ergänzt er unser allgemeines Bild von den Gepflogenheiten im Bauwesen des Spätmittelalters.

Im Themenbereich der Hüttenordnungen wird auf einige Handwerksregeln hingewiesen, die die Planungsarbeit und Aufgaben der Dommeister betrafen. An dieser Stelle ist zu fragen, ob es nicht mit dem hervorragenden Detailwissen gelingen kann, beispielsweise nach dem "Personalstil" von Werkmeistern zu fragen. Bieten nicht die Regensburger Westtürme eine große Chance, da die Bauaufgabe wenig funktionale Freiräume besaß, sondern älteren konzeptionellen Rahmenbedingungen verpflichtet war und man gerade dort den Dommeistern größeres Bestreben unterstellen muss, Individualität und Modernität in der Oberfläche zu entwickeln? Ist nicht gerade hier die individuelle/personelle Gemengelage zwischen Bauherrenwunsch und Werkmeisterkunst, zwischen Tradition und Modernität, zwischen Transfer- und Individualleistungen besonders gut nachvollziehbar? Inwieweit ist zu bedenken, dass ein möglicher Idealentwurf eines Turmrisses zwar wenig sakrosankte Verbindlichkeit besaß und vielmehr die Steinversatzregelung, das Fertige und Begonnene zu respektieren, zu einer gewissen Homogenisierung von Individualplanungen führte, obwohl wir an bestimmten Stellen noch mehr Inventionskraft erwartet hätten? Waren die einzelnen Bauplanungen und meisterlichen Entwürfe nicht überaus innovativ und nur im Kontext des laufenden Prozesses Zwängen unterlegen oder durch Bauherrenvorgaben an einen "Werkstil", durch die eigene Ausbildung einem eingeschränkten "Personalstil" und durch die familiären Verbindungen einem prägenden "Sippenstil" unterworfen? Hier müsste die Formanalyse zur spätgotischen Architektur eine noch differenziertere Methode anwenden, um architektonische Formen in rein motivische Formaspekte und konzeptionelle Formfunktionen zu unterscheiden. Wir müssen unterstellen, dass auch ein Werkmeister seine Form- und Funktionsideen aus unterschiedlichen Quellen bezog und uns daher gar nicht festlegen, ob nun der Erfurter Triangel oder das Nürnberger Michaelschörlein das stärkere Vorbild für die Regensburger Portalvorhalle gewesen ist. Hier wäre es meines Erachtens sinnvoll, getrennt auf das Motivische hinzuweisen, was Erfurt und Regensburg verbindet, und auf das Funktionale, was die Raumorganisation und die Nutzungsmöglichkeiten anbelangt und im Modell der Nürnberger Westbaulösung oder auch der des Aachener Münsters zum Tragen kommt.

Dieses Buch ist zweifellos ein wichtiger Beitrag, um vielen architekturhistorischen Fragen zum Regensburger Dombau und zum spätmittelalterlichen Bauhandwerk auf die Spur zu kommen. Es bleibt zu hoffen, dass diesen Ergebnissen der bereits länger währenden und intensiven Arbeit des Autors weitere folgen werden, vor allem auch deshalb, weil es ihm scheinbar mühelos gelingt, die schwierigen Befundinterpretationen und Argumentationen leserfreundlich zu präsentieren.

Stefan Bürger