Marcello Ghetta: Spätantikes Heidentum. Trier und das Trevererland, Trier: Kliomedia 2008, 440 S., 123 Abb., ISBN 978-3-89890-119-2, EUR 42,00
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Wer an Trier in der Spätantike denkt, denkt in der Regel an die Ausbreitung des Christentums in der Region, an die in dieser Stadt residierenden christlichen Kaiser, die frühen Bischöfe wie Eucharius oder Maternus und die bauliche Ausgestaltung, zu der im 4. Jahrhundert eine der größten Kirchenbauten der Zeit gehörte. Trier und das frühe Christentum sind in der Wahrnehmung der Altertumswissenschaften auf das Engste miteinander verbunden, und das äußert sich auch in einer großen Anzahl von Publikationen zu diesem Thema. [1] Nur selten hingegen wendet sich der Blick auf das pagane Trier. Dieses Missverhältnis geht nun Marcello Ghetta in seiner an der Universität Trier angenommenen Dissertation an. Ziel seiner Arbeit ist es, "das Weiterleben des Heidentums [...] in Trier und seinem Umland" von der Regierungszeit Constantins bis in die 1. Hälfte des 5. Jahrhunderts n.Chr. zu untersuchen (15).
Ein erster größerer Abschnitt thematisiert "Das Heidentum in der Spätantike" (23-60): Ghetta zeichnet hier die "großen Linien" der Entwicklung im Untersuchungszeitraum nach. Von einem Überblick über die pagane Religiosität der Spätantike über die ersten antiheidnischen Erlasse unter Constantin, die Restaurationspolitik Julians bis zur Stellung des Heidentums in nachtheodosianischer Zeit stellt der Autor in kurzen Abschnitten den Gang der Ereignisse und die wichtigsten Auseinandersetzungen der Forschung dar. Entsprechend dem Erkenntnisinteresse der Arbeit bleibt dieser Abschnitt sehr knapp und schematisch, bietet aber zumindest die zentralen Aspekte des Prozesses, in den die Entwicklung in Trier und seinem Umland einzuordnen ist.
Vor diesem Hintergrund geht Ghetta dann zu seinem eigentlichen Thema, dem Fortleben paganer Kulte im Trevererland, über (61-213): Der Verfasser behandelt zunächst hohe heidnische Würdenträger im spätantiken Trier, bevor er auf die Anfänge der Trierer Bischöfe und die ersten Bauten christlicher Kirchen eingeht. Dabei betont Ghetta die Ambivalenz zwischen der Größe der Vorgängerbauten des heutigen Doms einerseits sowie dem Fehlen weiterer gesicherter Kirchen im 4. Jahrhundert andererseits.
Umfangreich thematisiert der Verfasser das Heiligtum im Altbachtal und zeigt dabei, dass der Kultkomplex nicht zu einem festen Zeitpunkt aufgegeben wurde, sondern dass trotz Beeinträchtigung durch neu angelegte Straßen Teile des Gebietes bis ins 5. Jahrhundert n.Chr. sakrale Funktionen erfüllten. Ein vergleichbares Bild bietet sich auch bei den weniger prominenten Heiligtümern der Region: Nur wenige wurden im Verlauf des 4. Jahrhunderts n.Chr. niedergelegt, die Verehrung alter gallo-römischer Gottheiten blieb aktuell, wenn sich auch über die Intensität des Kultes kaum gesicherte Angaben machen lassen. Eine Tendenz hin zu der Verehrung orientalischer Gottheiten oder neuplatonischen Spekulationen, die zu einer Vernachlässigung der alten Götter geführt hätte, lässt sich nicht nachweisen. Einen Einblick in die Entwicklung religiöser Vorstellungen innerhalb der Elite kann der Verfasser anhand der Untersuchung der Religiosität des Ausonius vermitteln, wobei er auch hier den geringen Einfluss philosophischer Religiosität auf breitere Bevölkerungskreise betont.
Diese Befunde vergleicht der Autor im Folgenden mit den Verhältnissen in Gallien, Oberitalien und Nordafrika, Regionen also, für die mit Sulpicius Severus, dem Turiner Bischof Maximus und dem Kirchenvater Augustin umfangreiches Quellenmaterial vorhanden ist, welches das Fehlen von Schriftquellen zum Heidentum im Trierer Raum wenn auch nicht ausgleichen, so doch relativieren kann (215-286). Ghetta fragt bei seiner Auseinandersetzung mit den genannten Autoren vor allem nach den Eigenheiten der beschriebenen Kulte und nach dem Verhältnis von Heiden und Christen, das von ihnen gezeichnet wird. Dabei gelingt es ihm, das Bild, das für die Stadt Trier aus epigrafischem und archäologischem Material gewonnen wurde, mit den Ausführungen insbesondere Augustins in Beziehung zu setzen, auch wenn die von Ghetta immer wieder reflektierte Frage nach der Verallgemeinerbarkeit sowie der Übertragbarkeit der geschilderten Zustände sicher ein methodisches Problem bleibt.
Einen kurzen Ausblick widmet Ghetta der Zeit nach dem Ende des 4. Jahrhunderts, also der Zeit, in der die Stadt durch die zunehmend unruhig werdende Lage an der Rheingrenze ihre Stellung als Kaiserresidenz verlor und damit an Bedeutung einbüßte (265-279). Dafür liegt mit der Darstellung der Stadt in Salvians De gubernatione dei nun eine literarische Quelle vor, die Ghetta mit Blick auf seine Fragestellung untersucht und damit die Brücke ins Frühmittelalter schlägt.
Einen gewichtigen Teil der Arbeit macht der umfangreiche Katalog der "Heiligtümer des Trevererlandes" (287-343) aus, die in Kapitel C III zusammenfassend behandelt werden: Er bietet zu 48 Tempelbezirken eine kurze Beschreibung des archäologischen Befundes, der jeweils ein kurzes abstract vorangestellt ist, das Kurzbeschreibung, Lage, Grabungen und eine Auflistung der einschlägigen Literatur enthält. An dem Nutzen dieses Katalogs kann kein Zweifel bestehen, sind doch die Grabungsberichte verstreut und nicht selten an abgelegener Stelle publiziert. Für die Orientierung des Lesers hilfreich sind auch die vielen dem Katalog beigefügten Karten der behandelten Örtlichkeiten.
Zwei weitere Anhänge zu 19 weiteren Heiligtümern der Region, die sich in ihrer Nutzungsdauer nicht bestimmen lassen (344-353), sowie zu drei knapp außerhalb des Trevererlandes gelegenen Heiligtümern - dem Matronenheiligtum von Pesch sowie den Heiligtümern von Matagne-la-Grande und Matagne-la-Petit - runden den Katalogteil ab.
Insgesamt wird man sicher festhalten dürfen, dass die von Ghetta vorgelegte Zusammenführung des Materials zum Fortleben paganer Kulte in Trier und dem Trevererland ein nützliches Hilfsmittel darstellt, das weitere Forschungen zu diesem Thema ermöglichen wird.
Anmerkung:
[1] Aus der Vielzahl der Publikationen vgl. Heinz Heinen: Frühchristliches Trier. Von den Anfängen bis zur Völkerwanderung, Trier 1996; Geschichte des Bistums Trier. Bd.1: Im Umbruch der Kulturen. Spätantike und Frühmittelalter, hg. von Heinz Heinen / Hans Hubert Anton / Winfried Weber, Trier 2003.
Jan Timmer