Robert Holland / Diana Markides: The British and the Hellenes. Struggles for Mastery in the Eastern Mediterranean 1850-1960, Oxford: Oxford University Press 2008, 296 S., ISBN 978-0-19-923977-1, GBP 22,00
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Mit ihrem Buch "The British and the Hellenes" legen Robert Holland und Diana Markides, Professor und Senior Research Fellow am Institute of Commonwealth Studies der University of London, eine umfassende Geschichte der komplexen britisch-griechischen Beziehungen von 1850 bis 1960, somit von der Mitte des Viktorianischen Zeitalters bis zum Ende des British Empire im Mittelmeer, vor. Geografisch präziser formuliert, bezieht sich die Studie und der dabei verwendete Begriff der "Hellenes" auf die griechische Bevölkerung der Ionischen und Dodekanischen Inseln sowie Kretas und Zyperns. Nach Ansicht der Autoren bilden gerade diese Regionen "a laboratory for exploring and comparing British involvements with Hellenic nationalism, and British interests in the region as a whole, during much of the nineteenth and twentieth centuries" (12), welches in der bisherigen Forschungslandschaft vernachlässigt wurde. Als Leitmotiv der Studie lässt sich somit das Konfliktfeld zwischen britischer Interessenspolitik im östlichen Mittelmeer und den enosis-Bestrebungen des griechischen Nationalismus auf den erwähnten Inseln, also die Vereinigung aller griechischsprachigen Regionen zu einem Großgriechenland, identifizieren. Vor diesem Hintergrund analysieren Holland und Markides ausführlich die verschiedenen regionalen Fallbeispiele in insgesamt zehn Kapiteln, wobei sie sich bei ihrer Argumentation auf umfangreiches Quellenmaterial aus britischen, griechischen sowie zypriotischen Archiven und Bibliotheken stützen können.
Inhaltlicher Auftakt bildet die Sondermission von William Ewart Gladstone in seiner Funktion als High Commissioner im Jahr 1858 auf den Ionischen Inseln, die durch den Pariser Friedensvertrag von 1815 zu einem britischen Protektorat geworden waren. Trotz der etwas zu sehr ins Detail gehenden Darstellung über den Verlauf und letztlich das Scheitern der Reformbestrebungen Gladstones gelingt es den Autoren, interessante Perspektiven zu eröffnen. Nach ihrer Ansicht bildete gerade der Widerstand gegen die britische Herrschaft durch die griechische Inselbevölkerung "the first prototype of Britain's classic engagement with 'modern' anti-colonial resistance or nationalism - and which finally provided a nineteenth-century model for later British 'decolonization'" (14-15). Die zunehmenden zum Teil gewaltsamen Unruhen führten schließlich 1864 auch zum Entschluss Großbritanniens, das Protektorat Ionia, welches der letzte britische Hochkommissar Sir Henry Storks desillusioniert als "Ireland of Greece" (66) charakterisierte, aufzugeben und den geordneten Rückzug anzutreten. Für Holland und Markides bildete dieser Schritt den ersten Akt der Dekolonisation, der im 20. Jahrhundert für die Auflösung des British Empire so charakteristisch werden sollte: "a preoccupation with arranging and fabricating the very moment of demission. Above all there should be no impression of defeat." (75)
Der nächste größere Abschnitt beschäftigt sich mit dem Regimewechsel auf Kreta, dem Übergang von der osmanischen Herrschaft hin zur Eingliederung der Insel in den griechischen Staat, wobei dieser Prozess in den größeren Kontext der "Eastern Question" eingeordnet wird. Die internationale Perspektive steht hier eindeutig im Vordergrund, vor allem aufgrund der gemeinsamen Intervention der europäischen Großmächte. Nach Massakern an Teilen der christlichen Bevölkerung landeten im Februar 1897 zur Stabilisierung der Lage britische, französische, italienische, österreichische und russische Truppen, der Auftakt der internationalen Besatzung Kretas, die bis ins Jahr 1909 andauern sollte. Anschaulich gelingt es Holland und Markides, die Besatzungszeit mit ihren zahlreichen Facetten darzustellen und spannende Zusammenhänge aufzuzeigen. So werden zum Beispiel die Tribunale gegen die muslimischen Anführer der Massaker als "a notable precedent in the evolution of international law relating to war crimes" (103) bewertet und in der internationalen Truppenpräsenz "origins of modern international peacekeeping" (108) erkannt. Als ausschlaggebend für den Übergang von der kretischen Autonomie hin zur erfolgreichen Vereinigung mit Griechenland im Jahr 1913 erweisen sich internationale Rahmenbedingungen, an erster Stelle die Krisen auf dem Balkan (132). Die zu Beginn von den Autoren vorgegebene Leitfrage nach der britischen Interessenspolitik gerät in diesem Abschnitt durch die überwiegend internationale Perspektive stark ins Hintertreffen.
Eine stärkere Rückbesinnung auf die britische Position erfolgt dann erst wieder im letzten Abschnitt über die Dodekanischen Inseln und Zypern. Anschaulich zeigen die beiden Autoren, auf welch unterschiedliche Weise strategische Interessen das britische Handeln beeinflussten. Im Fall der Inselkette vor der anatolischen Küste war Großbritannien nach 1945 aufgrund einer geschwächten Position an einem raschen Abzug der eigenen Besatzungstruppen und Übergabe der Verantwortung an Griechenland interessiert. In der Zypernfrage verfolgte London hingegen eine völlig andere Politik. Die Insel, die seit 1878 der britischen Herrschaft unterstand, hatte mit seiner Lage im östlichen Mittelmeer eine große strategische Bedeutung bezüglich des Nahen Ostens (217 und 223), weshalb allen enosis-Bestrebungen eine klare Absage erteilt wurde. Der wachsende Widerstand der Inselbevölkerung mündete schließlich 1955 in den bewaffneten Aufstand der zypriotischen EOAK, woraufhin London den Notstand über die Insel verhängte und zu einer brutalen Repressionspolitik überging. Vor allem die schweren Misshandlungen und Hinrichtungen von zypriotischen Häftlingen belasteten die britisch-griechischen Beziehungen schwer (231). Zypern nahm auch nach dem Abzug der Briten im Jahr 1960, nicht zuletzt aufgrund der ungelösten muslimischen Minderheitsfrage, eine Sonderrolle ein, da es nicht zur Vereinigung mit Griechenland, sondern zur Gründung einer unabhängigen Republik kam.
Im abschließenden Vergleich der einzelnen Fallbeispiele kommen Holland und Markides zu dem Schluss, dass es den Briten nie gelang, die moderaten Kräfte des griechischen Nationalismus zu identifizieren und in ihre Überlegungen mit einzubeziehen (243). Vielmehr halten sie als Ergebnis fest, "that the British never developed a conscious methodology for dealing with Hellenic irredentist claims. There was instead a constant improvisation in which old lessons, sometimes painfully acquired, had to be related with the help of the old mistakes." (245-246)
Insgesamt ist anzumerken, dass das von den Autoren formulierte Leitmotiv, britische Interessenspolitik versus enosis-Bestrebungen untersuchen zu wollen, nicht stringent verfolgt wird. Die Darstellung verliert sich stellenweise in zu vielen Detailfragen, wodurch manchmal der Blick auf die großen Linien verloren zu gehen scheint. Dennoch gelingt es Holland und Markides, eine Reihe von interessanten Themen anzusprechen und neue Perspektiven zu eröffnen, die in der Forschung bisher wenig Beachtung fanden. Vor allem darin liegen die großen Stärken dieses bemerkenswerten Buches, das auch Lesern abseits britisch-griechischer Diplomatiegeschichte zu empfehlen ist.
Fabian Klose