Michael Peppard: The Son of God in the Roman World. Divine Sonship in its Social and Political Context, Oxford: Oxford University Press 2011, XII + 289 S., ISBN 978-0-19-975370-3, GBP 45,00
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Michael Peppards Buch ist eine intelligente und ansprechende Untersuchung der Vorstellung von Gottessohnschaft im Kontext von Herrscherkult und Jesusverehrung. Sein eigentlicher Wert liegt aber in der Zusammenführung zweier Forschungsdisziplinen, die zu oft getrennte Wege gehen. Peppard gelingt es, neueste althistorische Forschungsergebnisse zur Verehrung des Kaisers und zur Adoptionspraxis in der Römischen Gesellschaft für Studien zum Neuen Testament fruchtbar zu machen, und er öffnet umgekehrt dem Althistoriker die Augen für die kulturellen Rezeptions- und Transformationsprozesse des frühen Christentums.
"[...] to rethink the Son of God in the Roman world." (6) So beschreibt der Autor selbst sein hochgestecktes Ziel, nämlich die Figur Jesus Christus dahin zurückzubringen, wo sie hingehört: in den soziopolitischen Kontext der frühen römischen Kaiserzeit. Peppards Ansatz zielt darauf ab, jene Anachronismen aufzulösen, die die christlichen Vorstellungen des vierten Jahrhunderts n.Chr. - also die philosophische Christologie der post-Nicäa-Zeit - auf das erste nachchristliche Jahrhundert übertragen. Das ist aus althistorischer Perspektive ein begrüßenswerter Ansatz. Nun gibt es nicht erst in der jüngeren theologisch-religionswissenschaftlichen Forschung Versuche, die engen Verflechtungen in der Überlieferung zu Jesus Christus und dem römischen Kaiser zu betonen. [1] Untersuchungen liegen vor zur Intertextualität der Quellen, der ähnlich gelagerten Sprache der Verehrung oder zu den parallelen Familienstrukturen. [2] Neu an Peppards Zugang ist, dass er das Konzept der göttlichen Sohnschaft, konkret den Begriff "Sohn Gottes" in den Fokus stellt und ihn vor dem Hintergrund von Ursprung und Propaganda des römischen Gebrauchs von divi filius untersucht. Peppards in Kapitel 1 geschilderter Ausgangspunkt ist die Kritik an einem historisch unangemessenen, platonisch und nicäisch geprägten hermeneutischen Verständnis von Jesus als Gottessohn in der neutestamentlichen Forschung. Der Begriff "Gottessohn" ist für ihn nur aus einer Analogie zur göttlichen Sohnschaft des römischen Herrschers zu erklären.
In Kapitel 2, "Divinity and Divine Sonship in the Roman World", stellt Peppard zunächst die sich stark wandelnde Forschungsmeinung zur Göttlichkeit des römischen Herrschers - von einer stark ontologischen Perspektive (Mensch oder Gott?) hin zu einer eher an Status und Macht orientierten - in einem recht knappen Überblick (14 Seiten) dar. Dies gelingt ihm recht ansprechend, wenn auch nicht immer in den Nuancen korrekt. [3] Problematisch ist die Sichtweise Peppards auf den Ursprung des Titels "Son of God" im römischen Reich: "Julius Caesar was considered divine during his lifetime [...] and declared a god of the Roman state [...] Octavian was therefore able to call himself [...] divi filius or son of God." (46) Er vernachlässigt dabei die hellenistischen Wurzeln des römischen Konzepts, die selbst auf altägyptische, assyrische oder israelische Traditionen zurückgeführt werden können. [4] Für die Ursprünge des Christentums besaßen sie aufgrund der lokalen Traditionen vielleicht entscheidendere Bedeutung als die Vorgänge in Rom.
Im dritten Kapitel "Begotten or Made" will Peppard ein neues Verstehensmuster für das Verständnis des Begriffes "son of God" kreieren. Innerhalb der römischen Welt stellte die Adoption eine wichtige Praxis dar, um Familienbeziehungen zu stabilisieren und eine legitime Nachfolge zu sichern. Innerhalb der Herrscherfamilien in der Kaiserzeit bildete Adoption ebenfalls ein probates Mittel der Nachfolgeregelung im Falle fehlender biologischer Nachfahren. Peppard macht deutlich, dass die Adoption eines Nachfolgers ein Oberschichtenphänomen war, das auch dazu beitragen konnte, das Prestige der Familie zu vermehren. Der wichtigste Adoptivsohn wurde Ovtavian, dessen Adoptivvater der divus Iulius war. Er selbst wurde im Jahr 2 v.Chr. zum pater patriae und übernahm damit die Rolle des Vaters über das gesamte Reich - eine Rolle, die laut Peppard Iuppiter bis dato innehatte - aufgrund seiner eigenen göttlichen Adoption und der Rückführung seiner Familie auf göttliche Vorfahren. Die Rolle des pater patriae war eng verknüpft mit der Verehrung des genius Augusti. Abschließend untersucht Peppard die ideologischen Voraussetzungen und historischen Abläufe der Adoptionspraxis innerhalb der Kaiserfamilie von den julisch-claudischen Kaisern bis zu Kaiser Trajan. Sein Fazit lautet: "[...] the more powerful a father is - even all-powerful, as a god - the more relevant adoption becomes to understand that father's relationship to his son." (85)
In Kapitel 4 "Rethinking Divine Sonship in the Gospel of Mark", stellt Peppard die Verbindung zwischen der römischen Kultur und dem Evangelium nach Markus her, um daran die narrative Rolle der Taufe Jesu festzumachen. Insbesondere die Autorenfrage ist dabei natürlich interessant und problematisch. Naturgemäß muss Peppard den Verfasser des Markusevangeliums in die Nähe des römischen Kulturkreises rücken und traditionelle Sichtweisen, die ihn in einen jüdischen Kontext stellen, ablehnen. Allerdings beruht seine These von der Anlehnung der Taufzeremonie im Evangelium an die römische Adoptionspraxis nicht allein auf diesem Argument. Er führt auch unter Heranziehung neuester Forschungsliteratur und recht überzeugend aus, dass Syrien-Palästina stärker als bislang angenommen in den römischen Herrscherkult involviert war und dass dieser Kult im jüdischen Umfeld eine andere Rezeption erfuhr als in den übrigen östlichen Provinzen. Daran anschließend erläutert er seine These, dass die Taufe Jesu als göttliche Adoption durch Gott / Jahwe verstanden werden muss. Die Adoption darf dabei nicht als "low Christology" (95) verstanden werden, sondern als Parallele zum Herrschaftsantritt des mächtigsten Mannes der Welt. Peppard sieht in der Taufzeremonie Jesu ein göttliches Erwählungsritual in der kulturellen Matrix der Kaiseradoption. Jesus wird zum Gegenkaiser. Das Symbol der Taube, die sich auf Jesus herabsenkt, würde - so Peppard - bei einem römischen Publikum in Abgrenzung vom militärisch aufgeladenen Symbol des Adlers zeigen, dass "this counter-emperor will not rule in the spirit of the bellicose eagle, but in the spirit of the pure, gentle, peaceful, and even sacrificial dove." (123) Kann man dem Vorhaben, Adoption des Kaisers und Taufe Jesu zu parallelisieren, noch einen gewissen Reiz abgewinnen, scheitert der Versuch, den Geist, der auf Jesus bei der Taufe übergeht, als ein funktionales Gegenstück zu einem Konglomerat aus genius und numen zu deuten. Hier wird das römische Konzept zurechtgebogen und auf unhistorische Weise passend gemacht. Natürlich gibt es Ähnlichkeiten in derartigen religiösen und theologischen Konstruktionen, die gibt es aber sicherlich auch mit anderen kulturellen Vorstellungen, wie beispielsweise dem achämenidisch-iranischen xvaranah-Konzept, das für die religiöse Legitimation Alexanders des Großen eine wichtige Rolle spielte. So weit entfernt muss man aber gar nicht suchen. Bereits die Texte des Alten Testaments belegen den Geist Gottes, der auf den erwählten Herrscher übergeht. So wird Saul erwählt, indem der Geist Gottes auf ihn übergeht. [5] Das Bild des durch einen spirituellen Boten erwählten und damit legitimierten Sohnes und Herrschers findet sich in zahlreichen Traditionen, vor allem im Osten des römischen Reiches. Hier eine eins-zu-eins Übernahme gerade aus der römischen Tradition zu konstruieren, erscheint ein zu einfacher Weg, um derartige Transferprozesse zu erklären.
Das letzte Kapitel "Begotten and Adopted Sons of God - Before and After Nicea" untersucht die vom Autor dargestellten "new resonances of divine sonship in early Christianity" (132) chronologisch bis ins vierte Jahrhundert hinein. Er sieht im ersten und zweiten Jahrhundert sowohl die "adoptive sonship" als auch die "natural / begotten sonship" im Gebrauch, um die göttliche Sohnschaft von Jesus zu beschreiben. Mit dem Ende der Adoption in der römischen Herrschernachfolge verlor die Adoptionsmetapher auch für das Christentum seine Bedeutung. Ab dem vierten und fünften Jahrhundert wurde Jesus zum "begotten one" (171).
Auch wenn Peppards Thesen nicht an allen Stellen vollständig überzeugen können, bleibt sein Buch lesenswert. Seine Methode, die frühchristlichen Texte aus der Perspektive des römischen Publikums zu betrachten, überzeugt. Die bibliographische Grundlage, auf der er arbeitet, umfasst die neueste Literatur zum römischen Herrscherkult und zur römischen Kultur- und Sozialgeschichte. Seine Betrachtungen zum Evangelium nach Markus sind pointiert, aber immer in Auseinandersetzung mit der Forschungsliteratur entstanden.
Anmerkungen:
[1] Vgl. das Programm einer Expert Conference zum Thema "Christ and the Emperor. The Evidence from the Gospels" im Dezember 2011 in Leuven. Publikation der Beiträge voraussichtlich 2012.
[2] Der Autor selbst liefert dazu zahlreiche Literatur (45).
[3] Duncan Fishwick ist eher kein Verfechter der Göttlichkeit des lebenden Kaisers und wird von Manfred Clauss mit kritischer Distanz betrachtet. (Clauss, M.: Kaiser und Gott. Herrscherkult im römischen Reich, Stuttgart und Leipzig 1999, u.a. 21).
[4] Vgl. Edelmann, B.: Religiöse Herrschaftslegitimation in der Antike. Die religiöse Legitimation orientalisch-ägyptischer und griechisch-hellenistischer Herrscher im Vergleich (= Pharos. Studien zur griechisch-römischen Antike; Bd. XX), St. Katharinen 2007.
[5] 1. Sam. 10, 6.
Babett Edelmann-Singer