Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (Hg.): Friederisiko. Friedrich der Grosse. Die Essays, München: Hirmer 2012, 340 S., 73 Farb-, 43 s/w-Abb., ISBN 978-3-7774-4701-8, EUR 45,00
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Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (Hg.): Friederisiko. Friedrich der Grosse. Die Ausstellung, München: Hirmer 2012, 420 S., 168 Farb-, 37 s/w-Abb., ISBN 978-3-7774-4691-2, EUR 39,90
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Kurt Andermann (Hg.): Die geistlichen Staaten am Ende des Alten Reiches. Versuch einer Bilanz, Epfendorf: bibliotheca academica 2004
Andreas Stegmann (Bearb.): Quellen zur brandenburgischen Reformationsgeschichte (1517-1615), Tübingen: Mohr Siebeck 2020
Eva Schlotheuber / Birgit Emich / Wolfgang Brandis u.a. (Bearb.): Herzogin Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg (1510-1558). Herrschaft - Konfession - Kultur, Hannover: Hahnsche Buchhandlung 2011
Die beiden Bände erschienen als Begleitbände zu der anlässlich des 300. Geburtstags Friedrichs des Großen im Neuen Palais in Potsdam gezeigten Ausstellung "Friederisiko". Einem nah an der Ausstellung orientierten Teilband ist ein Essayband beigegeben. Er enthält neben zwei Geleitworten und einer Einleitung Beiträge, die auf die zwischen 2007 und 2010 abgehaltenen Kolloquien zur Vorbereitung der Ausstellung zurückgehen und bereits online auf perspectivia.net publiziert worden sind. Für den Essayband hat man nun eine Auswahl von 21 Aufsätzen getroffen, die Friedrich in den Mittelpunkt stellen. Ein Vergleich mit der Liste der Kolloquiumsvorträge bestätigt dieses Auswahlkriterium: Verzichtet wurde auf eher allgemein gehaltene Beiträge zu Strukturen der Epoche ebenso wie auf Beiträge, die vergleichend andere Herrscherpersönlichkeiten der Zeit in den Blick nehmen.
Dass einige Beiträge zur späteren Instrumentalisierung des Königs nicht aufgenommen wurden, erscheint angesichts der Ausstellung des Deutschen Historischen Museums in Berlin, die sich speziell dem Nachleben Friedrichs widmet und für die ein ausführlicher Katalog vorliegt, gut nachvollziehbar. [1] Offensichtlich ist auch das Bestreben, möglichst unterschiedliche Themen abzudecken und neben historischen auch kunsthistorische Beiträge zu Objekten der Ausstellung (Seidengewebe, Schildpattmöbel, antike Skulpturen, Selbstdarstellung im Neuen Palais, Architektur) abzudrucken. Dennoch wird selbstverständlich der eine dies, die andere jenes vermissen. Jürgen Luh und Michael Kaiser weisen in ihrer Einleitung (13) selbst auf Desiderate in den Bereichen Wirtschaft, Militär und Kunst hin. Diese sind aber nicht auf den Nichtabdruck von Beiträgen zurückzuführen, sondern spiegeln die Forschungslage. Die Rezensentin wiederum hätte sich eine stärkere Berücksichtigung der königlichen Familie gewünscht, insbesondere der Königin und der Brüder Friedrichs, auch wenn hier in einzelnen Beiträgen manches anklingt.
Alle Beiträge eint das Bemühen, Friedrich in den historischen Kontext zu stellen und ihn von den Projektionen späterer Generationen zu befreien oder diese expressis verbis zu thematisieren. Was eigentlich selbstverständlicher methodischer Standard der Geschichtswissenschaft sein sollte, verstand sich eben gerade beim Preußenkönig lange Zeit nicht von selbst und muss deshalb eigens betont werden. Dass diese Kontextualisierung heute aber dann doch ganz selbstverständlich daher kommt und nicht die Züge eines bemühten Denkmalsturzes trägt, zeigt, dass gerade für die in dem Band ganz überwiegend vertretenen jüngeren Historikerinnen und Historiker Friedrich inzwischen eben ein historisches Sujet wie andere ist, auch wenn sie sich der historischen Traditionen und Überformungen bewusst sind.
Dennoch nimmt es nicht wunder, dass einige der Beiträge um das Problem historischer Größe kreisen, sei es, indem sie die Geschichte der Zuschreibung historischer Größe Friedrichs von der Mitte des 18. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts nachzeichnen (Michael Kaiser, Friedrichs Beiname "der Große" - Ruhmestitel oder historische Kategorie?), sei es, dass sie Bereiche beleuchten, die dafür verantwortlich waren, dass Friedrich Größe zugeschrieben wurde (Marian Füssel, Friedrich der Große und die militärische Größe).
Während die genannten Beiträge Größe als Fremdzuschreibung untersuchen, zeigen andere, wie sehr Friedrich selbst an der Inszenierung seiner Größe und seines Ruhms mitwirkte (Kathrin Kohl, Publizistische Inszenierung von Größe: Friedrichs Schriften als Medium des Ruhms; Ullrich Sachse, Groß im Tod sein - Friedrichs des Großen erste Verfügung zur Inszenierung seines Nachlebens; Thomas Biskup, Eines "Großen" würdig? Hof und Zeremoniell bei Friedrich II.; Franziska Windt, Künstlerische Inszenierung von Größe. Friedrichs Selbstdarstellung im Neuen Palais). Das kann eigentlich kaum erstaunen bei einem Herrscher, der den Feldzug nach Schlesien als "Rendezvous mit dem Ruhm" bezeichnete, ist aber in dieser Breite bisher kaum thematisiert worden. Insgesamt muss der Topos vom bescheidenen Preußenkönig nach dieser Ausstellung und den vorliegenden Bänden endgültig ins Reich der Mythen verwiesen werden. Überhaupt werden diejenigen, die die Ausstellung gesehen haben und den Essayband lesen, unschwer erkennen, wie an vielen Stellen die Ergebnisse der Kolloquien in die Konzeption der Ausstellung eingegangen sind.
Solche Korrekturen des Friedrich-Bildes betreffen nicht nur den Bescheidenheitstopos, sondern auch die Mär von Friedrichs Sparsamkeit und Anspruchslosigkeit. Allein das Neue Palais selbst, das ja weit mehr als nur das prachtvolle Gehäuse der Ausstellung ist, widerlegt diese Auffassung; aber auch auf den ersten Blick unscheinbare Objekte wie die Rechnung über Kirschen für die königliche Tafel mitten im Winter zeigen anschaulich die Ansprüche des Königs. Die Ausführungen über Hof und Zeremoniell (ausdrücklich in: Thomas Biskup, Eines "Großen" würdig? Hof und Zeremoniell bei Friedrich II.; in anderen Beiträgen verschiedentlich anklingend) widerlegen die Annahme, dass höfisches Zeremoniell im Preußen Friedrichs keine Rolle spielte. Deutlich wird, dass der König dieses vielmehr sehr bewusst einzusetzen verstand und nötigenfalls durchaus den erwarteten Aufwand treiben ließ, auch wenn ihm höfische Prachtentfaltung sicher keine Herzensangelegenheit war.
An dieser Stelle kommt dann die königliche Familie, kommt vor allem Friedrichs Gemahlin Elisabeth Christine ins Spiel. Denn das höfische Zeremoniell in Berlin war eben zu großen Teilen ein Zeremoniell ohne direkte Beteiligung des Königs. Der weitgehende Rückzug Friedrichs von diesen Aufgaben war aber nur möglich, weil seine Frau diese herrscherlichen Pflichten übernahm. Ausstellung und Essayband tragen damit zu einer längst überfälligen Rehabilitierung Elisabeth Christines bei.
Noch näher an der Ausstellung ist naturgemäß der "Die Ausstellung" betitelte Band. Wie die Ausstellung ist er in zwölf Themenbereiche gegliedert, die unterschiedliche Facetten von Leben und Herrschaft Friedrichs beleuchten. Hinter dem Titel "Blütezeit" verbirgt sich das Kapitel über Garten und Park Sanssouci, in "Europa und die Welt" werden die Beziehungen zu anderen Mächten abgehandelt, in "Risiko und Ruhm" geht es um militärische Auseinandersetzungen ebenso wie um die Steigerung des Ruhms durch den Bau des Neuen Palais; "Entwicklungspolitik" thematisiert die Rolle der Wissenschaften im friderizianischen Preußen, "Horizonte" die Kunstpolitik des Königs. Weitere Kapitel sind "Dynastie", "Königsbilder", "Körper und Seele", "Der Modeaffe", "Tagesgeschäft", "Verhältnisse" (zu vertrauten Personen) und "Im Wettstreit" überschrieben. Trotz dieser engen Anlehnung an die Gliederung der Ausstellung liegt hier allerdings kein Ausstellungskatalog im klassischen Sinne vor, der nach kurzen einleitenden Kapiteln zu den einzelnen Themen die Ausstellungsstücke im Detail vorstellt. Solche Erläuterungen sucht man in dem Band vergebens. Genau genommen handelt es sich nämlich um einen zweiten Essayband, in dem die Kuratoren der einzelnen Ausstellungsteile in Form kurzer Aufsätze Hintergrundinformationen zu den von ihnen verantworteten Segmenten bieten.
Die Abbildungen zu den Beiträgen geben die in der Ausstellung gezeigten Objekte nur teilweise wieder, bilden aber andere Objekte ab, die nicht in der Ausstellung vertreten sind; auch hier zeigt sich, dass es sich nicht eigentlich um einen Ausstellungskatalog handelt. Diese Konzeption ist sicher ungewöhnlich, sie erscheint der Rezensentin aber gut begründet. Denn wer schon einmal versucht hat, einen der in den letzten Jahren immer opulenter gewordenen Ausstellungskataloge in einer Ausstellung mit sich zu tragen, weiß, dass dies zu einem wirklich erschöpfenden Unterfangen werden kann. Und im vorliegenden Fall handelt es sich immerhin um einen gewichtigen Band von gut 2300 g.
Die Ausstellungsmacher haben sich deshalb für die radikale Lösung entschieden, den Besuchern ein kleines handliches Begleitheft an die Hand zu geben, das ihnen die Orientierung erleichtern soll und das knappe Objektbeschreibungen enthält. Der Band "Die Ausstellung" kann dann der Vor- oder Nachbereitung eines Ausstellungsbesuchs dienen oder einfach als Aufsatzband zu Friedrich dem Großen. Dass dabei Themen wie die Ausstattung der Schlösser mit Kunst und der in diesem Bereich ausgetragene Wettstreit mit anderen Höfen, die Beziehungen zu anderen Ländern oder der königliche Alltag breiter thematisiert werden als eher theoretische Fragen wie die Herrschaftsauffassung Friedrichs, ist dem Medium "Ausstellung" geschuldet und unterscheidet diesen Band dann eben doch von einem "normalen" Aufsatzband. Die 38 Beiträge, die hier nicht im Einzelnen besprochen werden können, sind durchweg gut geschrieben, auf hohem wissenschaftlichen Niveau und dem neuesten Stand der Forschung, aber eben doch erkennbar auf breitere Rezeption ausgerichtet.
Im Zusammenhang mit dem Adressatenkreis sei noch eine Bemerkung angefügt. Solche Ausstellungsbände richten sich explizit an ein größeres Publikum und die Verkaufszahlen - der Band "Die Ausstellung" war rasch vergriffen, eine zweite Auflage nötig - zeigen, dass die Bände in der Tat nicht nur von professionellen Historikern gekauft werden. Da ist es dann doch etwas erstaunlich, dass sich nur eine sehr knappe Zeittafel versteckt vor dem Literaturverzeichnis findet. Selbst bei einer vergleichsweise bekannten historischen Persönlichkeit wie Friedrich dem Großen wären eine ausführliche Zeitleiste, die allgemeine Daten und solche aus dem Leben Friedrichs gegenüberstellt, ein Stammbaum und ein knapper biographischer Abriss doch wünschenswert gewesen. Ansonsten aber lassen die Bände kaum Wünsche offen.
Besondere Anerkennung verdient die opulente Ausstattung der Bände: Die Abbildungen sind von hervorragender Qualität und (mit Ausnahme historischer Aufnahmen) durchgehend farbig. Die Beiträge sind sorgfältig redigiert und die Aussagen gut dokumentiert, die Anmerkungen wurden glücklicherweise nicht einer vermeintlichen Leserfreundlichkeit geopfert. Beide Bände enthalten jeweils ein sehr übersichtliches Literaturverzeichnis, der Ausstellungsband darüber hinaus auch ein Personenregister.
Anmerkung:
[1] Friedrich der Große. verehrt. verklärt. verdammt, hg. vom Deutschen Historischen Museum, Berlin 2012.
Bettina Braun