Zeynep Kuban: Die Nekropolen von Limyra. Bauhistorische Studien zur klassischen Epoche (= Forschungen in Limrya; Bd. 4), Wien: Phoibos Verlag 2012, 419 S., 1 Farb- und 133 s/w-Abb, 9 Faltpläne in einer Kartenmappe, ISBN 978-3-85161-049-9, EUR 129,00
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1997 hat Zeynep Kuban ihre Dissertation zu den Nekropolen der lykischen Dynastensiedlung Limyra am Lehrstuhl für Baugeschichte der Istanbul Teknik Üniversitesi eingereicht. Den Gegenstand ihrer jetzt als Buch vorliegenden Arbeit bilden die insgesamt 410 klassisch datierten Gräber, die sich auf elf verschiedene, sowohl der Stadt selbst als auch dem Umland zuzurechnende Nekropolenbereiche verteilen. Kuban schließt damit eine Forschungslücke, zumal Limyra nicht nur die größte Ansammlung lykischer Felsgräber aufweist, sondern auch die höchste bislang in Lykien nachweisbare Konzentration von Gräbern der klassischen Epoche.
Das Buch setzt mit einem Kapitel zur geographischen Lage und Geschichte von Limyra ein. Quellenbedingt und wegen der Zeitstellung der bearbeiteten Gräber stehen das 4. Jahrhundert v. Chr. und die mit den Dynasten Trbbẽnimi und Perikle verknüpften, nur ansatzweise zu rekonstruierenden historischen Ereignisse im Vordergrund. Im zweiten Kapitel wendet sich Kuban dann der Forschungsgeschichte zu. Intensiv beschäftigt sie sich mit der Diskussion um Konstruktion und Herkunft der spezifisch lykischen, eine indigene Holzarchitektur nachahmenden Felsgrabfassaden. Die gängigen Theorien zur Herleitung von der Wohnhausarchitektur, von Sakralbauten oder Holzgräbern bespricht sie ausführlich, möchte sich letztlich selbst aber für keine Lösung entscheiden. In analoger Weise wendet sich Kuban danach den lykischen Sarkophagen zu, um anschließend diverse Versuche durchzuspielen, die lykischen Gräber insgesamt einer typologischen Ordnung zu unterwerfen.
Das folgende dritte Kapitel verweilt bei typologischen Fragen, bezieht sich aber konkret auf die limyräischen Befunde. Etwa 80% von ihnen sind Felsgräber mit unterschiedlich gestalteten Fassaden. Es folgen mit 17% die Sarkophage, während alle übrigen Grabtypen, darunter freistehende Grabhäuser, Tumuli, Ziegel- und Pfeilergräber, lediglich 3% ausmachen. Dieses Ergebnis ist nur teilweise aussagekräftig, weil der geringe Anteil an Pfeilergräbern, selbst bei einen oder zwei zukünftigen Neufunden, dem tatsächlichen Vorkommen im antiken Limyra entsprechen dürfte, während der geringe Anteil an Ziegelgräbern sicherlich daraus resultiert, dass bislang schlichtweg zu wenig Exemplare ausgegraben worden sind. Im Hinblick auf eine gesellschaftliche Differenzierung der unterschiedlichen Grabtypen bestehen demnach gewisse Unschärfen, was Kuban durchaus bewusst ist. Die folgende typologische Auswertung der Felsgräber anhand der Gestaltung ihrer Fassaden und Innenräume ist gelungen und durch entsprechende schematische Zeichnungen sehr schön veranschaulicht (43-44. 52-53). Äußerst knapp ist hingegen der anschließende Versuch einer Typologisierung und Einordnung der limyräischen Sarkophage geraten.
Überlegungen zur technischen Bearbeitung, etwa zur schrittweisen Fertigstellung der Gräber, zu Schutzvorrichtungen gegen Regenwasser, zu Anstückungen und Reparaturen, aber auch zu ihrer farblichen Gestaltung, stehen im Vordergrund des vierten Kapitels. Hier erweisen sich die Nekropolen von Limyra wegen der Vielzahl an oftmals gleichförmigen Felsgräbern und einer größeren Zahl von in unterschiedlichem Stadium unvollendet gebliebenen Exemplaren als besonders aufschlussreich.
Ähnliches darf das fünfte Kapitel für sich beanspruchen, das persischen und griechischen Einflüssen auf die Architektur der Gräber gewidmet ist. Den Ausgangspunkt bilden Versuche in der Forschung, die Nennung des Begriffs astodan in einer der limyräischen Inschriften (TL 152) mit konkreten Befunden und der Verbreitung entsprechender zoroastrischer Religionsvorstellungen in Lykien zu verbinden. Kuban stellt die Diskussion, zu der sie sich selbst an anderer Stelle ausführlicher geäußert hat, lediglich nochmals dar, ohne indes auch hier klar Stellung zu beziehen. [1] Im Anschluss nimmt sie sich - gut nachvollziehbar anhand entsprechender Detailfotos und Zeichnungen - der in die Grabfassaden im Verlauf des 4. Jahrhunderts v. Chr. eindringenden griechischen Architekturelemente wie des auch in anderen Kontexten feststellbaren typisch lykischen Eklektizismus an. Das Ende der Felsfassadengräber sieht Kuban im frühen Hellenismus und folgt damit der gängigen Forschungsmeinung. Verfehlt ist allerdings ihr Urteil im Hinblick auf die ohnehin von ihr etwas vernachlässigten Sarkophage, die "als Schatten ihrer Originalform ein Dasein bis in die römische Kaiserzeit" gefristet hätten (101). [2]
Im 6. Kapitel, das mit "Totenbräuche in Limyra" überschrieben ist, wendet sich Kuban zunächst jener inschriftlich bezeugten lykischen Institution der miñti zu, die vermutlich für die Vergabe und den Schutz der Gräber verantwortlich war. [3] Es folgt ein kurzer Abschnitt zu Steleneinlassungen vor manchen Gräbern, und daraufhin versucht sich Kuban in der anschaulichen, aber mangels entsprechender Überlieferung spekulativ bleibenden Rekonstruktion eines Bestattungsvorgangs in den Nekropolen von Limyra.
"Abschließende Überlegungen" und ein Resümee auf Türkisch beenden den Textteil. Hier überrascht ein wenig, dass erst jetzt so grundsätzliche Überlegungen angestellt werden, die etwa den möglichen sozialen Hintergrund bestimmter Felsgrabtypen, deren zahlenmäßige Verteilung, die Kontexte und Entwicklungen der einzelnen Nekropolenbereiche oder die relative wie absolute Datierung sowie die Anbindung an die historischen Hintergründe des 4. Jahrhunderts v. Chr. betreffen.
Insgesamt ist Kubans Leistung im Hinblick auf die Dokumentation der so überaus zahlreichen klassischen Gräber von Limyra nicht hoch genug einzuschätzen. Das manifestiert sich vor allem in dem auch von seiner Gestaltung und Bebilderung her ausgezeichneten Katalog, dem separate Übersichtspläne der diversen Nekropolenbereiche beigefügt sind. Mitunter bleibt die Auswertung allerdings deutlich hinter ihren Möglichkeiten zurück, was oftmals auf die zu wenig berücksichtigten Ergebnisse der jüngeren Forschungen zum lykischen Gräberwesen zurückzuführen ist. Unstrittig ist es jedoch das große Verdienst von Kuban, mit ihrer Materialvorlage den Grundstein für eine weitere Einbindung und Auswertung der Nekropolen und Gräber von Limyra gelegt zu haben.
Anmerkungen:
[1] Zeynep Kuban: Ein Astodan in Limyra?, in: Fritz Blakolmer und andere (Hgg.): Fremde Zeiten. Festschrift für Jürgen Borchhardt, Wien 1996, Band 1, 133-143. Zu einem kritischen Blick auf persischen Einflüsse in Lykien siehe Oliver Hülden: Gräber und Grabtypen im Bergland von Yavu (Zentrallykien). Studien zur antiken Grabkultur in Lykien, Antiquitas, Reihe 3, Band 45, 1, Bonn 2006, 203-204. 302-303. 345-348.
[2] Vielmehr ist es bemerkenswert, dass die Sarkophage mit ihrer ausschließlich auf Lykien beschränkten spitzbogigen Deckelform in der Kaiserzeit eine enorme Blüte erleben und sich gegenüber fremden Modeeinflüssen als erstaunlich resistent erweisen. Das spricht dafür, sie als Ausdruck eines ausgeprägten lykischen Traditions- und Identitätsbewusstseins zu betrachten, vgl. Oliver Hülden: Überlegungen zur identitätsstiftenden Wirkung lykischer Gräber, in: Reinhard Sörries (Hg.): Creating Identities. Die Funktion von Grabmalen und öffentlichen Denkmalen in Gruppenbildungsprozessen. Internationale Fachtagung vom 30. Oktober bis 2. November 2003 veranstaltet von der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e. V. Zentralinstitut und Museum für Sepulkralkultur, Kasseler Studien zur Sepulkralkultur 11, Kassel 2007, 120-133.
[3] Bei Kuban unerwähnt: Diether Schürr: Zur Rolle der lykischen Mindis, Kadmos 47 (2008), 147-170.
Oliver Hülden