Robert Fleischer: Die Felsgräber der Könige von Pontos in Amasya (= Istanbuler Forschungen; Bd. 56), Tübingen: Ernst Wasmuth Verlag 2017, X + 155 S., 122 Farbabb., ISBN 978-3-8030-1777-2, EUR 24,80
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Auf das Jahr 1976 geht die erste Beschäftigung Robert Fleischers mit den Königsgräbern des pontischen Amaseia (Amasya) zurück, wobei das Projekt zu ihrer eingehenden Aufnahme und Untersuchung erst 2001 beginnen und jetzt rund 16 Jahre später mit der monografischen Publikation abgeschlossen werden konnte. Im Fokus stehen die im 3. und 2. Jahrhundert v.Chr. angelegten Felsgräber der ersten fünf Könige der Mithradatiden sowie vier weitere nicht-königliche, aber in architektonischer Abhängigkeit stehende Gräber in der Umgebung von Amasya. Aufgrund ihrer Zeitstellung gehören sie zu den spätesten ihrer Art in Kleinasien.
Die Einleitung enthält einen Überblick über das Wenige, das über das Aussehen von Amaseia und seine Siedlungsgeschichte bekannt ist. Außerdem erfolgt eine erste grobe Lagebeschreibung der Felsgräber. Es schließt ein Kapitel zu Strabons wichtiger topografischer Beschreibung des Ortes an. Fleischer gibt den knappen Text auf Griechisch und in deutscher Übersetzung wieder, um ihn in der Folge, etwa im Hinblick auf die Identifizierung der Brücken über den Fluss Iris, den Verlauf der Befestigungen und Tunnel oder die Lage der Basileia sowie der Vorstädte, zu diskutieren und mit ersten archäologischen Beobachtungen zu ergänzen. Erkenntnisse über die zumindest kurz von Strabon im Zusammenhang mit der Basileia erwähnten Königsgräber liefert der antike Text freilich nicht. Etwas interessanter ist daher das folgende Kapitel, das sich jener Bronzemünzen aus der Zeit des Domitian und des Alexander Severus annimmt, welche als Revers die Gräber abbilden. Hervorzuheben ist sicherlich zu Recht ihre "Verbindung von Naturwiedergabe und Detailreichtum, wie er auf den kleinformatigen Münzbildern nicht oft anzutreffen ist" (9). Für die Gräber geben die stark reduzierten Darstellungen jedoch kaum etwas her, weshalb sie lediglich das von Strabon in Worte gefasste Bild illustrieren. Ein mit "Forschungsgeschichte" überschriebenes Kapitel skizziert und bewertet schließlich die einzelnen wissenschaftlichen Behandlungen in chronologischer Reihung. Es beginnt mit den Reisebeschreibungen Franz Babingers aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, um mit Christian Mareks "Geschichte Kleinasiens in der Antike" von 2010 zu enden. Damit schließt der einführende bzw. eher allgemein gehaltene Teil des Buches.
Der Hauptteil widmet jedem der Felsgräber ein eigenes Kapitel, das stets nach demselben Schema angelegt ist. Einer vorangestellten Bibliografie folgt jeweils eine Lagebeschreibung, die auch ausführlich das gewöhnlich in Form von Felstreppen und teils verkleideten Felswegen gestaltete Umfeld der Gräber in den Blick nimmt. Es schließen detailreiche Betrachtungen zu den aus dem Fels geschlagenen Gräbern selbst, ihren unmittelbar vorgelagerten, teilweise gestuften und mit Altären versehenen Flächen, ihren Korridoren, Vorhallen, Türen, Kammern und gerundeten oder giebelförmigen Dächern an, die jeweils am Ende noch einmal gebündelt vorgetragen werden. Bei all dem finden Details wie jeweils der Brüchigkeit des Fels geschuldete Reparaturen, Farbreste (ebenso wie byzantinische Malereien aus sekundärer Nutzungszeit), Wandverkleidungsspuren sowie ein teilweise unvollendeter Zustand Berücksichtigung. Außerdem beleuchtet Fleischer schlüssig die relativchronologische Abfolge bzw. teilweise auf Inschriften beruhende absolute chronologische Einordnung der Grabanlagen und stellt Gemeinsamkeiten und Unterschiede fest. Sorgfältig ausgewählte Fotos und teilweise rekonstruierende Zeichnungen begleiten diesen in der Hauptsache deskriptiven Teil des Buches.
In seiner Auswertung beschäftigt sich Fleischer zunächst mit der Frage nach den einzelnen Grabherren und bekräftigt die bereits seit dem 19. Jahrhundert nur wenig widersprochenen Zuweisungen an die Könige von Mithradates I. bis Pharnakes I. Im Anschluss betrachtet er mit Ausführungen zur Burg, zur Basileia und zu den Treppentunneln den Kontext der Felsgräber. Im Hinblick auf die Gräber selbst betont Fleischer die Ausnahmestellung ihrer in der Form von Treppen, Galerien und Tunneln angelegten Aufgänge, die unter den Exemplaren anderer kleinasiatischer Regionen allenfalls in den Jahrhunderte früher geschaffenen urartäischen Anlagen in Tušpa Parallelen besitzen. Eine rituelle Zweckbestimmung der die Gräber umgebenden, wohl aus Karien übernommenen Korridore lehnt er ab und sieht ihren Sinn stattdessen in einer "Steigerung der Wirkung der Felsgräber nach außen" (119). Bezüglich der Fassaden besteht eine wichtige Erkenntnis darin, dass drei von ihnen sicher mit ionischen Säulenstellungen ausgestattet gewesen sind, was jetzt auch in entsprechenden Rekonstruktionszeichnungen gezeigt werden kann. In dem Wechsel von griechischer zu einheimischer Architektur sieht Fleischer Prozesse der Akkulturation, genauer einen Wechsel von Assimilierung zu Dissimilierung, am Werk. Er kann dieses Phänomen freilich ebenso wenig genauer erklären wie das Fehlen eines Vorbildes in der realen Architektur für den Typus der als einheimisch betrachteten Felsgräber mit gerundeter Fassade. Außerdem stellt sich die Frage, wie sich deren angebliche Anregung durch Grabstelen (125) mit der ansonsten postulierten Ableitung der griechischen Fassaden mit Säulenstellung "aus der Sphäre Palast/Banketthaus" (124) verträgt. Trotz solcher Unwägbarkeiten, die gleichermaßen bei den weiteren von Fleischer noch abgehandelten Themenbereichen (potentielle Anlagen für das Totenopfer, Herstellung der Gräber usw.) auftreten, dürfte die Studie sicherlich wichtige Impulse für die zukünftige übergreifende Forschung zu den kleinasiatischen Felsgräbern geben.
Robert Fleischer hat eine detaillierte und kenntnisreiche Studie der Gruppe pontischer Felsgräber von Amasya vorgelegt und eine solide Einordnung vorgenommen. Hinsichtlich der Erforschung der kleinasiatischen Felsgräber schließt das Buch insofern eine Lücke für den nach wie vor immer noch vernachlässigten Norden Anatoliens. Angesichts der langen Vorlaufzeit mag man am Ende allerdings anmerken, dass das Erscheinen der Publikation kaum länger hätte auf sich warten lassen dürfen. So weist Fleischer in seinem Vorwort auf die positiven Auswirkungen des technischen Wandels zwischen 1976 und 2002 für das Projekt hin (IX). Dem ist hinzuzufügen, dass die Möglichkeiten des 3D-Laserscannings mittlerweile schon wieder ganz neue Perspektiven eröffnet haben. Ob der Einsatz dieser jüngsten Technik unser Verständnis der pontischen Felsgräber angesichts gleichbleibender Interpretationsprobleme weiter verbessern würde, darüber kann man geteilter Meinung sein. Den neuen Anforderungen an die Dokumentation archäologischer Befunde und den neuen Sehgewohnheiten würde er freilich fraglos Rechnung tragen.
Oliver Hülden