Rezension über:

Marion Philipp: Ehrenpforten für Kaiser Karl V. Festdekorationen als Medien politischer Kommunikation (= Kunstgeschichte; Bd. 90), Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2011, 336 S., ISBN 978-3-643-11134-0, EUR 34,90
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Rezension von:
Britta Tewordt
Universität zu Köln
Redaktionelle Betreuung:
Hubertus Kohle
Empfohlene Zitierweise:
Britta Tewordt: Rezension von: Marion Philipp: Ehrenpforten für Kaiser Karl V. Festdekorationen als Medien politischer Kommunikation, Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2011, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 10 [15.10.2012], URL: https://www.sehepunkte.de
/2012/10/20311.html


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Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.

Marion Philipp: Ehrenpforten für Kaiser Karl V.

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Vergängliche Baustoffe wie Holz, Leinen und Ton formten die prunkvollen Festarchitekturen, die im Rahmen eines mittelalterlichen oder frühneuzeitlichen Herrschereinzuges von den Städten errichtet wurden. Zu den charakteristischsten Elementen dieser Festdekorationen zählten die Ehrenpforten und Torbauten, die an markanten Orten des Stadtraums errichtet und mit einem individuell für das Ereignis geschaffenen ikonografischen Programm ausgestattet wurden. Die finanziellen und künstlerischen Investitionen in diese ephemeren Festapparate waren enorm. Die Veranstalter der Feste und Auftraggeber der Kunstwerke, mit deren Produktion nicht selten die bedeutendsten Künstlerwerkstätten beauftragt wurden, schienen ihnen demzufolge einen erheblichen Wert zuzusprechen und sie strategisch zu nutzen.

Die ephemere Architektur rückte erst mit der Untersuchung Jacob Burckhardts [1], der sich als einer der ersten mit renaissancistischen Festapparaten beschäftigte, in den Blick der Kunstgeschichte. Seine Analyse, die sich auf die Rekonstruktion und Ästhetik der Apparate konzentrierte, diente als Grundlage weiterer Forschungsarbeiten. [2] Jüngere Auseinandersetzungen mit dem Thema fokussieren die politischen Inhalte und Kommunikationsstrategien der ephemeren Architekturen. [3]

Dieser Frage nach der politischen Dimension der Festapparate widmet sich auch Marion Philipp in ihrer an der Universität Heidelberg vorgelegten Dissertation, in der sie die Funktion und Wirkung der ephemeren Ehrenpforten im Festprogramm der Einzüge Karls V. untersucht. Ihre Analyse stützt sich auf einen heterogenen Quellenkorpus, der unter anderem Festpublikationen, Grafiken, Chroniken, handschriftliche Aufzeichnungen und Gebrauchsdokumente einschließt.

Die Arbeit ist klar strukturiert und umfasst insgesamt fünf Hauptkapitel. Der Einleitung folgt zunächst ein Kapitel, in dem Marion Philipp einen umfassenden typologischen und ikonografischen Überblick über das Medium der Ehrenpforte bietet. In diesem geht sie auf die Entstehung der Festdekorationen ein - beginnend beim mittelalterlichen Herrschereinzug bis zur frühneuzeitlichen "pompa triumphalis".

Das dritte und längste Kapitel "Ehrenpforten für Kaiser Karl V." widmet sich den verschiedenen Herrschereinzügen und rekonstruiert unter Berücksichtigung zahlreicher Quellen die spezifisch für diese Ereignisse entstandenen Festapparate. Nach einigen einführenden Worten zur Person Karls V., denn "die Bilder und Inschriften waren persönlich adressiert, spielten auf die dynastische Herkunft an" (74), sowie zur Quellenlage des Untersuchungsgegenstandes beschreibt die Autorin kursorisch einige Einzüge aus den Jahren 1515 bis 1549. Daran schließen sich die Fallbeispiele an - die Einzüge Karls V. in Brügge, in Sevilla, Messina und Nürnberg, deren Festapparate sie unter der Berücksichtigung des zeithistorischen Kontextes in chronologischer Reihenfolge eingehend rekonstruiert und analysiert.

Insbesondere hinsichtlich der heterogenen Funktionen und Intentionen der Festdekorationen ergeben sich aus Marion Philipps Untersuchung aufschlussreiche Erkenntnisse. Während die noch pluralistische Formensprache der Dekorationen in Brügge die Forderung der Stadt nach Wohlstand transportierte sowie gleichsam Karl V. erfreuen und schmeicheln sollte, konzentrierte sich der Festapparat in Sevilla auf die Darstellung Karls als "Guten Herrscher". Die Strategie der Stadt Messina bestand in der Panegyrik. Im Gegensatz zu der differenzierten und argumentativen Symbolik der Festdekorationen der ersten beiden Einzüge, setzte die Messineser Inszenierung auf imposante Pracht und spektakuläre Effekte, um auf diese Weise die Ziele der Stadt durchzusetzen. Marion Philipp konstatiert, dass sich jedoch insbesondere dieser Festapparat zu einem Exempel für Festkünstler nördlich der Alpen entwickelte (227). Das Dekorationskonzept des Einzuges in Nürnberg spiegelte dagegen die ambivalente Haltung der protestantisch geprägten Stadt gegenüber dem katholischen Kaiser wider. Das Festprogramm hatte eine harmonisierende und solidarisierende Funktion, indem es problematische Aspekte wie Kirche und Religion vermied sowie gemeinsame Interessen wie den Kampf gegen die Türken betonte.

Anschließend an die Analyse der Festapparate führt Marion Philipp die aus den Primärquellen gewonnen Erkenntnisse in einem vierten Kapitel zusammen, in dem sie die Relevanz der Ehrenpforten als Medien politischer Kommunikation herausarbeitet. Zunächst nimmt die Autorin das Zeichensystem der Ehrenpforte in den Blick, das sich aus architektonischen Formen, Bildern und Inschriften sowie räumlichen Dispositionen konstituiert.

Kommunikationsstrategisch hatte das symbolische Programm der Ehrenpforten in erster Linie eine panegyrische Funktion und diente der Huldigung des Kaisers. Ein weiterer Kommunikationsaspekt des ephemeren Mediums war die Repräsentation der Stadt, welche die Möglichkeit eines herrscherlichen Einzugs nutzte, um ihre Macht, ihren Wohlstand, ihre Kaisertreue sowie ihre Musterhaftigkeit zu demonstrieren. Im Anschluss an Martin Warnke hebt Marion Philipp zudem den appellativen Charakter der Ehrenpforte hervor: So konnte die Botschaft des Festapparates ambivalent gedeutet werden und oszillierte zwischen Herrscherlob und moralsierender Mahnung. "Entscheidend war die Erwartungshaltung, mit der man einer Ehrenpforte begegnete, und die wurde immer bestätigt." (274)

Das fünfte und letzte Kapitel schließlich beinhaltet eine Schlussbetrachtung, die noch einmal die Ergebnisse pointiert sowie einen Ausblick bietet; daran schließen sich ein Verzeichnis der Festpublikationen, das Bildmaterial, eine Bibliografie sowie ein Personen- und Ortsregister.

Trotz der aus kunsthistorischer Sicht unbefriedigenden Quellenlage nutzt Marion Philipp das ihr zur Verfügung stehende, recherchierte Quellenmaterial gewinnbringend, um ihre Argumentation nachvollziehbar zu untermauern. Ein kleines Manko sind die fremdsprachlichen - französischen, italienischen, spanischen und lateinischen - Zitate, die leider nicht übersetzt wurden und es dem Leser unnötig schwer machen, dem Text zu folgen.

Marion Philipp gelingt es, in ihrer Dissertation das politische Potenzial ephemerer Kunst am Beispiel der für Kaiser Karl V. errichteten Ehrenpforten nachzuweisen: Die Ehrenpforte mit ihrem symbolischen, standortbezogenen Programm befriedigte nicht nur die Schaulust des Publikums, diente der Huldigung des Herrschers sowie als Repräsentationsinstrument, sondern transportierte auch strategisch macht- und wirtschaftspolitische Interessen. "Dort, wo man auf Inszenierung des Ruhms, auf gezielte Wirkung und Gegenwärtigkeit setzt, kommt das Ephemere bevorzugt ins Spiel und in Betracht der macht- und regieführenden Parteien. Denn das Ephemere, so Walter Benjamin, ist der 'gerechte Preis' für die 'wahre Aktualität'." [4]


Anmerkungen:

[1] Jacob Burckhardt: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch, Basel 1860.

[2] Jean Jacquot (éd.): Les fêtes de la Renaissance, Paris 1956-1975.

[3] Roy C. Strong: Art and power. Renaissance Festivals 1450-1650, Woodbridge 1984. James Ronald Mulryne / Elizabeth Goldring (eds.): Court festivals of the European Renaissance. Art, politics and performance, Aldershot 2002.

[4] Michael Diers: Ewig und drei Tage. Erkundungen des Ephemeren - zur Einführung, in: Mo(nu)mente. Formen und Funktionen ephemerer Denkmäler, hg. von ders., Berlin 1993, 1-10, hier 4.

Britta Tewordt