Eva Giloi: Monarchy, Myth, and Material Culture in Germany 1750-1950, Cambridge: Cambridge University Press 2011, X + 422 S., 35 s/w-Abb., ISBN 978-0-521-76198-7, GBP 60,00
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Spätestens seit Monika Wienforts 1993 erschienener Studie Monarchie in der bürgerlichen Gesellschaft und Johannes Paulmanns Pomp und Politik von 2000 [1] sind deutsche Monarchen der Moderne auch hierzulande wieder ins Interesse von Historikern/innen gerückt. Gerade in letzter Zeit erschienen neuere Arbeiten, die sich verstärkt mit der Wahrnehmung von Monarchie befassen. Zu nennen ist beispielsweise die sehr gelungene Studie von Birte Förster zum "Königin Luise-Mythos" aus dem Jahr 2011 [2]. Hier wird auch die schwierige Frage nach der Wirkung und Rezeption von Monarchie und deren materieller Kultur gestellt, die ich für deutsche Staaten in der Sattelzeit im Jahr 2006 debattiert habe [3]. Diese Frage greift Eva Giloi in ihrer Monographie wieder auf (5).
Sie stellt hierbei die monarchische materielle Kultur in Preußen zwischen 1750-1950 in den Mittelpunkt. Andere deutsche Staaten werden nur am Rande behandelt. Giloi möchte zeigen - so verspricht der Klappentext der Arbeit - wie monarchische Objekte das "alltägliche Leben" der Untertanen bestimmten und damit das Herrschaftsverhältnis zur Monarchie aushandelten.
Zweifellos wird damit ein Desideratum einer kritischen Herrschaftsforschung angesprochen, die - wie Alf Lüdtke bereits 1991 anregte - Herrschaft als "soziale Praxis" auffasst [4]. So kann man durchaus davon ausgehen, dass spätestens seit der Französischen Revolution auch eine so scheinbar unabwendbar gesetzte Herrschaftsform wie die Monarchie immer auch von den Untertanen mit getragen, verhandelt oder auch unterlaufen wurde. Und zweifellos ist es besonders vielversprechend, gerade nicht herkömmliche sprachliche Quellen zu untersuchen, sondern Objekte in den Fokus zu rücken. Denn anthropologische oder psychologische Untersuchungen verweisen seit längerem darauf, dass es materielle Kulturen seien, an denen sich Emotionen und Einstellungen entzündeten oder die dergleichen ablesbar machen. Giloi bezieht sich in diesem Zusammenhang vor allem auf Arjun Appadurais Ausführungen zum "sozialen Leben der Dinge" (5). Man hätte noch weiter gehen können und beispielsweise Tilmann Habermas' psychoanalytische Arbeit zu "geliebten Objekten" oder Karl-Heinz Kohls ethnologische Studie zur "Macht der Dinge" [5] heranziehen können, die auch theoretisch weiterführend sind. In ihnen wird eine Vielzahl von Anregungen geboten, wie man auch aus historiographischer Perspektive über die Beziehung zwischen (durchaus auch politischen) Einstellungen und Emotionen zu Objekten reflektieren kann.
Doch dies ist eher als Hinweis denn als Kritik an Gilois Arbeit zu verstehen, stellt sie zweifellos auf sehr lesenswerte, quellenbasierte und innovative Art das zentrale Phänomen von monarchischen Objekten in der Moderne vor, die von den Zeitgenossen oftmals "Reliquien" genannt wurden. Gilois Ausgangspunkt waren ihre Forschungen zum im Zweiten Weltkrieg untergegangenen Hohenzollernmuseum im Schloss Monbijou, in denen solche "Reliquien" aufbewahrt wurden. Hierbei handelte es sich um Objekte, die sich im persönlichen Gebrauch der Herrscher befunden hatten (wie beispielsweise Kleidungsstücke, Tabakdosen oder Sitzmöbel), die dem monarchischen Körper entstammten (wie Haarlocken) oder die eigene Schriftzüge des Monarchen trugen (wie Postkarten mit dem Konterfei Kaiser Wilhelms II., die er - wie Giloi eindrücklich zeigt - im Rahmen einer Selbstdarstellungspolitik ausstellte). Die Autorin untersucht auch monarchische "Souvenirs", die oft von Untertanen selbst hergestellt wurden, wie Bilder Friedrichs II. Mit Recht sind diese Arbeiten Gilois schon gewürdigt worden und haben bereits 2001 den renommierten Stern-Prize am Deutschen Historischen Institut in Washington D.C. erhalten.
So belässt es Giloi auch in ihrer Monographie nicht dabei, die Objekt-Politik des Hofes, aufzuzeigen, sondern fragt durchgängig nach dem Umgang mit monarchischen "Reliquien" und "Souvenirs" seitens der Untertanen. Man muss hervorheben, wie schwierig es ist, Antworten auf diese Frage zu finden. Hier gelingt es Giloi tatsächlich, näheres zu zeigen und zwar in dem sie durchgängig Schenkungen und entsprechende Begleitschreiben analysiert, mit denen häufig Bürger ihre Objekte verstorbener Monarchen an den gegenwärtigen Herrscher übertrugen, um beispielsweise dynastische Anhänglichkeit zu demonstrieren. Konzise wird sozialhistorisch nach Motiven, Herkunft und Inhalt differenziert und hinterfragt, was die Untertanen bei der Gelegenheit des Schenkens über das betreffende Objekt äußerten.
Besonders hervorheben möchte ich auch das Kapitel 8 der Studie (186-214), in dem Giloi die ökonomischen Dimensionen des Handels mit monarchischen "Reliquien" beziehungsweise "Souvenirs" einleuchtend analysiert.
Ein paar kritische Anmerkungen zu dieser zweifellos sehr wichtigen und gerade auch methodisch weiterführenden Studie halte ich jedoch für notwendig: Auf der Ebene der Quellen wäre eine stärkere Auseinandersetzung mit den Objekten selbst, die vereinzelt noch überliefert sind, weiterführend gewesen. Giloi zieht vor allem preußische Hofakten heran, zeitgenössische Zeitschriften, Kataloge und Abbildungen. Hingegen hätte die Autorin durchaus zeigen können, wie fruchtbar eine unmittelbare Auseinandersetzung mit materieller Kultur für Historiker/innen sein kann. Auch das bürgerliche Schreiben in Tagebüchern oder Briefen kommt als wichtige Quelle zur Rezeption von Monarchie ein wenig zu kurz. Begrifflich hätte man sich eine stärkere Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Terminologie "Reliquie" gewünscht, die ja dem Bereich des Religiösen entlehnt ist und zweifellos auf sakrale Elemente monarchischer Herrschaft anspielt. In diesem Zusammenhang wäre es sicherlich auch weiterführend gewesen, den Bogen der Untersuchung zeitlich und regional etwas auszudehnen, um Traditionslinien und Wandlungen der Vorstellungen von Sakralität und Dynastie herausarbeiten. So hätte sich auch zeigen lassen, was monarchische "Reliquien" von im Verlauf des 19. Jahrhunderts immer bedeutsamer werdenden hinterlassenen Objekten von prominenten Schriftstellern, Malern oder Komponisten unterschied. Da - wie gesagt - ein großes Augenmerk der Studie auf bürgerlich-monarchischer Geschenkkultur liegt, hätte eine stärkere Auseinandersetzung mit der neueren Forschungsliteratur zum Schenken in der Frühen Neuzeit [6] Brüche und Vielschichtigkeiten analysierbar werden lassen, mit denen Untertanen mit der Gabenpolitik ihrer monarchischen Gegenstände die gegebenen Herrschaftsasymmetrien verhandelten.
Doch diese Kritik sollte nicht die Bedeutung der überaus innovativen und weiterführenden Arbeit von Giloi mindern. Hier liegt ohne Zweifel eine hervorragende Studie zur politischen Kulturgeschichte der Monarchie vor.
Anmerkungen:
[1] Monika Wienfort: Monarchie in der bürgerlichen Gesellschaft. Deutschland und England 1640 bis 1848, Göttingen 1995; Johannes Paulmann: Pomp und Politik. Monarchenbegegnungen in Europa zwischen Ancien Régime und Erstem Weltkrieg, Paderborn 2000.
[2] Birte Förster: Der Königin Luise-Mythos. Mediengeschichte des "Idealbilds deutscher Weiblichkeit", 1860-1960, Göttingen 2011.
[3] Hubertus Büschel: Untertanenliebe. Der Kult um deutsche Monarchen 1770-1830, Göttingen 2006.
[4] Alf Lüdtke (Hg.): Herrschaft als soziale Praxis. Historische und sozial-anthropologische Studien, Göttingen 1991.
[5] Tilmann Habermas: Geliebte Objekte. Symbole und Instrumente der Identitätsbildung, Frankfurt/M. 1999; Karl Heinz Kohl: Die Macht der Dinge. Geschichte und Theorie sakraler Objekte, München 2003.
[6] Valentin Groebner: Gefährliche Geschenke. Korruption und politische Sprache am Oberrhein und in der Eidgenossenschaft am Beginn der Frühen Neuzeit, Konstanz 2000; Natalie Zemon Davis: Die schenkende Gesellschaft. Zur Kultur der französischen Renaissance, München 2002.
Hubertus Büschel