Travis Glasson: Mastering Christianity. Missionary Anglicanism and Slavery in the Atlantic World, Oxford: Oxford University Press 2012, X + 318 S., 15 s/w-Abb., ISBN 978-0-19-977396-1, GBP 35,00
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Obwohl die Geschichte der christlichen Missionsinitiativen in der außereuropäischen Welt seit der Hinwendung der Historiker zu globalen Themen auf gesteigertes Interesse stößt, wurde die Tätigkeit der britisch-protestantischen Missionsgesellschaften im atlantischen Raum des 18. Jahrhunderts lange Zeit vernachlässigt. Vor allem die deutschsprachige Überblicksliteratur ging davon aus, dass die britisch-protestantische Mission sich erst im 19. Jahrhundert entfaltete, während in der Frühen Neuzeit die Jesuitenmission die dominierende Kraft war. Wenn sich Historiker überhaupt mit protestantischen Missionsinitiativen in der atlantischen Welt des 18. Jahrhunderts befassten, dann höchstens mit denen der Herrnhuter Brüdergemeine.
Dies hat sich in den letzten Jahren geändert. Die transatlantisch organisierte Missionstätigkeit verschiedener britisch-protestantischer Konfessionen wurde in mehreren Monographien eingehend analysiert. Nicht zuletzt wurde die anglikanische "Society for the Propagation of the Gospel in Foreign Parts" (SPG) genauer betrachtet. Die SPG war eine mitgliederstarke und einflussreiche Organisation, die im 18. Jahrhundert eine große Zahl von Geistlichen in die britischen Kolonien entsandte, um den anglikanischen Glauben vor allem unter den europäischen Siedlern, aber auch unter der indigenen Bevölkerung und afrikanischen Sklaven zu verbreiten. Mit Travis Glassons Arbeit über die Missionsinitiativen der SPG unter den afrikanischen Sklaven in der Karibik und in Nordamerika wird die diesbezügliche Forschung nun durch einen wichtigen neuen Beitrag erweitert.
In der in vier Hauptkapitel gegliederten Untersuchung werden zunächst der Aufbau und die atlantische Organisationsstruktur der SPG analysiert. Zwischen dem Zentrum in London und den Missionaren in den britischen Kolonien wurden Korrespondenzen, Berichte und publiziertes Material ausgetauscht, aus dem sich viel über die europäische Perzeption der Afrikaner und anderer außereuropäischer Völker entnehmen lässt. Glasson setzt sich in diesem einführenden Kapitel zum Ziel, eine "circumatlantic history" zu schreiben. Er greift damit einen Begriff auf, der vor einigen Jahren von David Armitage eingeführt wurde und eine dezidiert transnationale und atlantikumgreifende Perspektive einfordert.
Das zweite Kapitel untersucht die Initiativen, die die SPG zur Bekehrung der afrikanischen Sklaven vor Ort unternahm. Glasson schildert, wie sich die anglikanische Geistlichkeit zwar für die Christianisierung der Sklaven einsetzte, die Sklavenhaltung jedoch nicht grundsätzlich in Frage stellte. Vielmehr versuchte sie, den Einsatz von afrikanischen Sklaven auf den Plantagen aus der Bibel zu legitimieren, in der die Afrikaner vermeintlich zu Knechtschaft und Sklaventum verdammt worden seien.
Das dritte Kapitel befasst sich zunächst mit einer Zuckerplantage auf Barbados, die der Kolonialbeamte Christopher Codrington der SPG einschließlich der dazugehörigen Sklaven vermacht hatte. Die SPG übernahm die Verwaltung der Plantage mit der Absicht, die Sklaven zu christianisieren und sie in einem eigens dafür gegründeten College im europäischen Sinne zu erziehen. Mit dem Antritt ihres karibischen Erbes begann die SPG, sich aktiv am Sklavenhandel zu beteiligen. In Lambeth Palace, dem Sitz des Erzbischofs von Canterbury, von dem aus die SPG verwaltet wurde, richtete man Gremien ein, die über den An- und Verkauf von Sklaven berieten. Der wirtschaftliche Profit, den man aus dem Anwesen ziehen konnte, war genauso wichtig wie die Bekehrung der Sklaven zum anglikanischen Glauben.
Der zweite Teil des Kapitels beschäftigt sich mit dem Missionsstützpunkt, den die SPG 1751 an der westafrikanischen Cape Coast in der Gegend des heutigen Ghana einrichtete. Die Küstenregion war eine der wichtigsten Anlaufstellen des britischen Sklavenhandels und Cape Coast Castle, in dessen unmittelbarer Nachbarschaft die Missionare der SPG ihre Arbeit aufnahmen, war eine Befestigungsanlage, von der aus die Royal African Company die Deportation der Afrikaner über den Atlantik organisierte. Einer der Missionare war der Afrikaner Philip Quaque, mit dessen Stellung in der SPG sich der Verfasser gründlich auseinandersetzt. Das Engagement der SPG in Westafrika zeigt, wie die anglikanischen Missionare einerseits gemäß ihrer Überzeugung agierten, dass alle Menschen ungeachtet der Hautfarbe denselben Anspruch auf Konversion zum Christentum hatten. Neben diesem Gleichheitspostulat stand jedoch andererseits die Bereitschaft, sich in das System des Sklavenhandels zu integrieren und die Christianisierung der Afrikaner in dessen Rahmen voranzutreiben.
Das vierte Kapitel des Buches setzt sich mit der Haltung der SPG zur Anti-Sklaverei-Bewegung auseinander. Als die Kritik an der Sklavenhaltung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts lauter wurde, hatte sich die SPG bereits seit mehreren Jahrzehnten in der Sklavenmission betätigt und war nur langsam bereit, ihren Kurs zu überdenken. Trotz vereinzelt aufkommender Grundsatzkritik an der Sklaverei vertrat man in der SPG nach wie vor die Meinung, dass eine Form der "benevolent mastery", wie die SPG sie auf Barbados praktiziere, den Sklaven durchaus zugutekommen könne und es nicht nötig sei, das System als solches zu beseitigen.
Das Buch konzentriert sich ganz auf das Innenleben der SPG. Nur selten werden Vergleiche zu den Missionsinitiativen anderer christlicher Konfessionen unter den afrikanischen Sklaven gezogen. Im Zusammenhang mit der Übernahme der Plantage auf Barbados erwähnt Glasson kurz, dass sklavenhaltende Missionare nichts Außergewöhnliches waren. Die Jesuitenmissionare waren ebenfalls im Besitz von Sklavenplantagen in der Karibik, und auch die Herrnhuter Missionare hielten gelegentlich Sklaven. Hier wäre eine etwas eingehendere Kontextualisierung interessant gewesen. Wurde bei den Jesuiten und den Herrnhutern die Beteiligung an Sklavenhandel und Plantagenwirtschaft wie bei der SPG von den Organisationszentren in Europa vorangetrieben oder kritisierte man in Europa nicht vielmehr die Gegebenheiten vor Ort? Inwieweit lässt sich das Bemühen der Herrnhuter, christianisierte Afrikaner in ihre Gemeinden zu integrieren, mit der Missionspolitik der SPG vergleichen? Auch das Kapitel über das Verhältnis der SPG zur Anti-Sklaverei-Bewegung ist ganz auf den britischen Abolitionismus fokussiert, obwohl die Anti-Sklaverei-Bewegung auch die lateinamerikanischen Kolonien umfasste. Vor allem angesichts des Anspruchs, eine "circumatlantische" Geschichte schreiben zu wollen, bleibt das Buch allzu sehr der "British Atlantic World" verhaftet. In Glassons Arbeit spiegelt sich ein grundlegendes Problem der Geschichtsschreibung über die atlantische Welt, die trotz aller Forderungen nach einer kontinentenübergreifenden, transnationalen Betrachtungsweise immer noch zu sehr in nationalen Bahnen verläuft.
Dies ist allerdings nur ein sehr kleiner Kritikpunkt, denn die Studie macht die Bedeutung der bisher von der Forschung unterschätzten SPG für die interethnischen Beziehungen in der atlantischen Welt des 18. Jahrhunderts sehr gut deutlich. Der Umgang der anglikanischen Geistlichkeit mit dem Sklavenhandel, sowohl was die ideologischen Rechtfertigungsstrategien als auch die Alltagspraxis vor Ort angeht, wird quellennah und anschaulich dargestellt. Es handelt sich um eine überzeugende und weiterführende Arbeit, die eine Lücke in der Forschung füllt.
Ulrike Kirchberger