Josef Fischer: Die Perserkriege, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2013, 224 S., 25 s/w-Abb., ISBN 978-3-534-23973-3, EUR 29,90
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Seit langem lässt sich feststellen, dass eine fundierte monographische Gesamtdarstellung der Perserkriege ein fachhistorisches Desiderat darstellt, und gerade die deutschsprachige Altertumswissenschaft hat in den vergangenen Jahren um das Thema insgesamt eher einen größeren Bogen geschlagen. Umso überraschender ist es, dass es der bisher zu diesem Thema nicht hervorgetretene österreichische Althistoriker Josef Fischer es nun unternommen hat, eine für das breite, nicht fachwissenschaftlich vorgebildete Publikum eine Gesamtdarstellung der Perserkriege auf gut 200 Seiten zu geben.
Das erste Drittel des Werkes stellt dem Leser zunächst die Ausgangslage im östlichen Mittelmeerraum und im Vorderen Orient vor Augen. Der Autor entfaltet nach einem Überblick über die Quellenlage (13-35) in zwei großen Kapiteln zunächst die Grundlinien des Aufstiegs und Aufbaus des Achaimenidenreiches (38-60) und die Entwicklungen im archaischen Griechenland (61-80). Die Darlegungen entsprechen inhaltlich einer kurzen Gesamtdarstellung unter Berücksichtigung der neueren Forschung und haben im Kern Überblickscharakter. Im Anschluss folgt der Autor dem chronologischen Verlauf, erörtert den Ionischen Aufstand (81-104) und kommt darüber - nach ziemlich genau der Hälfte des Buches - auf das Ereignis zu sprechen, was bei ihm als "der erste persische Angriff auf Griechenland" bezeichnet wird (105-126). Richtigerweise betont der Autor allerdings stärker die Kontinuitätslinien der Züge des Mardonios und des Datis zum vorhergehenden Ionischen Aufstand als zum folgenden Xerxes-Zug. Die Darstellung der Vorbereitung und des Verlaufs des Xerxes-Zugs füllen den Rest des Werkes (127-199), woran sich einige Überlegungen zu den welthistorischen Perspektiven anschließen. Hier verzichtet der Autor erfreulicherweise darauf, den ganz großen Bogen zu schlagen, referiert zwar die eine oder andere Position aus älterer und neuester Zeit, die mit den Perserkriegen das Abendland und die westliche Demokratie gerettet sehen will, ordnet diese Haltungen aber kurz und knapp in ihren jeweiligen zeithistorischen oder politischen Kontext ein. So belässt er es am Ende bei einem Verzicht auf eine Bewertung des Ereignisses "sub specie aeternitatis", was zwar sachlich und fachlich richtig und begrüßenswert ist, aber sicher den einen oder anderen Leser ernüchtern wird.
Der Autor verfolgt mit seinem Werk erklärtermaßen nicht das Ziel, einen eigenständigen Forschungsbeitrag zu leisten, sondern eine für das breite geschichtsinteressierte Publikum lesbare und nützliche Gesamtdarstellung der Ereignisgeschichte zu bieten. Dies erfolgt gleichwohl unter Berücksichtigung der wichtigsten auch neueren Forschungsbeiträge, und so ist zunächst festzuhalten, dass der Autor dieses Hauptziel zunächst erreicht haben dürfte.
Darüber hinaus soll an dieser Stelle aber darauf hingewiesen werden, dass der weit ausholenden Ausführlichkeit, mit der die Entwicklung des griechisch-persischen Verhältnisses in der Archaik erörtert wird, konzeptionell doch eigentlich auch ein Ausblick auf das weitere fünfte, vielleicht sogar vierte Jahrhundert v.Chr. hätte gegenüberstehen müssen. Die historische Bedeutung der Perserkriege für die griechische Geschichte selbst, für die Behauptung der Poliswelt des Mutterlands und die Entwicklung des athenisch-spartanischen Dualismus bleiben so verhältnismäßig unscharf. Insgesamt ist ohnedies festzustellen, dass der Grad an Ausführlichkeit und die Detailschärfe im letzten Viertel des Werkes deutlich nachlässt. Die vorgelegte Gesamtbilanz der Perserkriege verzichtet zwar, wie erwähnt, erfreulicherweise auf große Bewertungen im weltgeschichtlichen Maßstab, aber sie vermeidet leider auch eine grundlegende und fundierte Einordnung in die antike griechische Geschichte, was wiederum nicht überzeugt.
Kritisch hinzuweisen ist aus Sicht des Rezensenten aber vor allem auf einen unreflektierten, bisweilen etwas sorglosen Umgang mit den antiken Quellen. Der Autor zitiert ausgiebig aus den Quellen, so ausgiebig, dass oft gar keine eigene Bewertung oder Darstellung mehr stattfindet, sondern das Quellenzitat die Sachdarstellung ersetzt. Dieses befremdliche Verfahren zieht sich durch das gesamte Werk - so überlässt es der Autor beispielsweise Aischylos, die Schlacht von Salamis darzustellen (mittels überlanger Zitate aus den "Persern"), stellt dann eine Aussage Herodots über die Schwierigkeit der Schlachtrekonstruktion daneben - und schon ist Salamis quellennah, aber vor allem ohne jede eigene substantielle Rekonstruktionsleistung dargestellt. Man kann auch fragen, ob etwa die Behistun-Inschrift so selbsterklärend ist, dass man sie nur abdrucken und nur äußerst knapp erläutern muss, oder auch, ob "falsche Urkunden" wie der Eid von Plataiai oder das Troizen-Dekret einfach unter kurzer Erwähnung ihrer späteren Entstehung als Volltext abgedruckt werden sollten ohne eine wirklich grundlegende inhaltliche Erläuterung. Deutlich wird dieses problematische Vorgehen des Autors auch bei der Darstellung der Schlacht von Marathon. Die offenkundig widersprüchlichen Quellenzeugnisse werden einfach nebeneinander gestellt, ein quellenkritischer Versuch der Rekonstruktion der Schlacht erfolgt nicht, stattdessen werden Widersprüche einfach durch selektives Zitieren geglättet - so scheint der Autor zwar der Meinung zuzuneigen, dass - wie durch Nepos oder die Suida-Notiz nahegelegt - die persische Reiterei zum Einsatz gekommen sei, lässt aber den Widerspruch zu Herodot unaufgeklärt. Manches andere Quellenzitat scheint, gerade im ersten Teil des Buches, weniger aus sachlichen Gründen als aus Freude an der literarischen Darstellung Herodots in die Darstellung gelangt zu sein - so etwa die Erzählung über Gyges´ Thronbesteigung oder den Ring des Polykrates. Eine Funktion für die Sachdarstellung haben diese ausführlichen Zitate jedenfalls nicht, und erläutert bzw. interpretiert werden sie ebenso wenig: Quellentexte ersetzen so die historische Rekonstruktion.
Insgesamt stellt diese Art des Umgangs mit den antiken Quellenzeugnissen einen grundlegenden methodischen Mangel des Werkes dar. Auch wenn man sich an ein historisch interessiertes, aber nicht fachwissenschaftlich orientiertes Publikum wendet, entbindet das nicht von der Pflicht, eine fachwissenschaftliche Regel einzuhalten: Quellen bedürfen der Analyse und der Interpretation, sie sprechen nicht für sich, und sie können auch nicht die eigene Rekonstruktionsleistung des Historikers ersetzen. Und gerade bei politisch so immens aufgeladenen Darstellungen wie denen über die Perserkriege wäre dies besonders wichtig gewesen. Auch ein allgemein interessiertes Publikum, und gerade dieses, sollte nicht einfach mit einer Serie von - wenn überhaupt - spärlich erläuterten Quellenzitaten konfrontiert zu werden.
Alles in allem mag die Darstellung, auch wegen der beigegebenen Karten und Illustrationen, ihrem Kernanliegen, einen ersten Überblick über die Perserkriege zu geben, manchem Leser gleichwohl genügen, auch wenn die ausführlichen Quellenzitate allzu oft die eigentliche Sachdarstellung ersetzen.
Michael Jung