Bernhart Jähnig: Vorträge und Forschungen zur Geschichte des Preußenlandes und des Deutschen Ordens im Mittelalter. Ausgewählte Beiträge zum 70. Geburtstag am 7. Oktober 2011, Münster: Copernicus-Verlag 2011, XXV + 490 S., ISBN 978-3-924238-42-1
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Anlässlich seines 70. Geburtstags im Jahre 2011 ist Bernhart Jähnig, einer der bedeutendsten deutschen Experten für die Geschichte des Deutschen Ordens im mittelalterlichen Preußen und Livland, von der Copernicus-Gesellschaft für Geschichte und Landeskunde Westpreußens und der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung mit der vorliegenden Festschrift gewürdigt worden. Der Band versammelt zwanzig Aufsätze Jähnigs aus den Jahren 1978-2011, von denen siebzehn in aktualisierter Form und drei als Erstdruck veröffentlicht werden.
Über eine Dokumentation und Ehrung der wissenschaftlichen Leistungen des Jubilars hinaus sollen auf diese Weise, so betonen es die Herausgeber in ihrem Geleitwort, vor allem auch neue Impulse für kommende Forschergenerationen gegeben werden (X). Tatsächlich führen schon das Verzeichnis seiner wissenschaftlichen Veröffentlichungen aus den Jahren 2001-2011 und die thematische Vielfalt der in der Festschrift berücksichtigten Titel dem Leser das breite Spektrum von Jähnigs Wirken eindrucksvoll vor Augen. So wurden über politik-, kultur- oder sozialhistorische Studien hinaus auch Arbeiten mit rezeptions-, bau- oder regionalgeschichtlichen Schwerpunkten berücksichtigt, wie z.B. "Geschichtsverständnis und Preußenbild Theodor von Schöns", "Organisation und Sachkultur der Deutschordensresidenz Marienburg" oder "Siedlungsgeschichte Masurens vom Mittelalter bis in die neuere Zeit". Die Herausgeber ordnen die ausgewählten Aufsätze vier zentralen Themengebieten zu, und so finden sich neben Abhandlungen über die "Politische Geschichte" Darstellungen zur "Innenansicht des Deutschen Ordens", zur "Bevölkerungs-, Siedlungs- und Wirtschaftsgeschichte" sowie zu "Livland im Mittelalter".
Bei der Lektüre von Neuem und Altbekanntem stößt der Leser auf spannende Fallbeispiele, aktuelle Forschungsdebatten und durchaus auch auf offene Fragen. Als besonders instruktiv und lesenswert erweisen sich zwei Aufsätze, die erstmalig publiziert sind. In der Abhandlung über "Albrecht von Brandenburg-Ansbach und die Säkularisation des Deutschen Ordens in Preußen" widmet sich der Verfasser der spannungsreichen Entwicklung des ursprünglich geistlichen Ritterordens hin zu einem evangelischen Landesfürstentum, die sich 1525 im Friedensvertrag von Krakau symbolträchtig manifestierte. Jähnig erklärt diese Entwicklung jedoch nicht einfach aus den politisch krisenhaften "letzten" Jahren des Ordens heraus, sondern beschreibt mit dem langwierigen Prozess einer "inneren Säkularisierung" in erhellender Weise auch mentale und soziale Wandlungen bei den Ordensbrüdern (99). In der Wahrnehmung des Ordens als "wirtschaftliche und soziale Versorgungsanstalt des deutschen Adels" erkennt der Verfasser schließlich "die eigentliche Säkularisierung": Anstelle eines Engagements für das "Wohl des Ganzen" sei ein Verständnis von Ordensämtern als Versorgungsgrundlage getreten (92). Vor diesem Hintergrund erscheint die Entscheidung Albrechts von Brandenburg im 16. Jahrhundert für ein weltliches Landesfürstentum und gegen ein geistliches Ordensgebiet als sinnhafte Vollendung eines sich langfristig abzeichnenden Trends.
Auch der Aufsatz über "Das Schicksal der Prußen im Deutschordensland Preußen" stellt die geistigen Ansprüche und Grundlagen des Ordens sowie ihre Umsetzung in der jeweiligen Lebenswelt kritisch gegenüber und reiht sich damit in aktuelle Debatten um Heidentum im Mittelalter ein. Jähnig befasst sich mit den Folgen der Etablierung des Ordens und seiner Missionsarbeit für die "Lebensformen der unterworfenen Prußen" (288) und untersucht dafür facettenreich ganz unterschiedliche Bereiche wie Recht, Wirtschaft, Sprache oder soziale Hierarchien. Mit der Christianisierung, dem Aufbau eines kirchlichen Netzwerks und einer weltlichen Verwaltung hätten sich, so konstatiert der Verfasser, die Lebensumstände der Prußen grundlegend gewandelt. Hatten die Prußen anfangs noch ihr eigenes Recht bewahrt, sei es zunehmend zu "regionalen Überlagerungen" und Anpassungsprozessen gekommen, infolge derer rechtliche und auch sprachliche Distinktionen an Trennschärfe verloren hätten (301). Auch im Hinblick auf die Beständigkeit bzw. Wandelbarkeit indigener Lebensformen scheint es folglich geboten, dies legen Jähnigs Erkenntnisse nahe, die Spätzeit des Ordensgebiets als Phase eines Übergangs zu deuten, einer Transformation hin zur kulturellen Assimilation der Prußen.
Wie diese exemplarische und knappe Zusammenschau zeigt, hat die Festschrift für Jähnig keineswegs "nur" Bekanntes und Erprobtes vorgelegt. Die Zusammenstellung ausgewählter Aufsätze zeigt dessen beeindruckendes Wirkungsgebiet auf und dokumentiert darüber hinaus die Aktualität der von ihm behandelten Themengebiete. Die Lektüre der einzelnen Artikel fordert so den Leser in der Tat zu Nachfragen sowie kritischen Überlegungen auf und gibt Impulse für anknüpfende Untersuchungen. Auf diese Weise kann der Wunsch der Herausgeber, mit ihrer Würdigung für Bernhart Jähnig künftigen Arbeiten zur Geschichte des Deutschen Ordens den Weg zu bereiten, in Erfüllung gehen.
Julia Burkhardt