Sebastian Neurauter: Das Bauhaus und die Verwertungsrechte. Eine Untersuchung zur Praxis der Rechteverwertung am Bauhaus 1919-1933 (= Geistiges Eigentum und Wettbewerbsrecht; 74), Tübingen: Mohr Siebeck 2013, XXIII + 528 S., ISBN 978-3-16-152477-6, EUR 84,00
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.
Christian O. Schmitt: Säuberlich banquerott gemachet. Konkursverfahren aus Frankfurt am Main vor dem Reichskammergericht, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2016
Alexander Jürgen Flechsig: Frühneuzeitlicher Erfindungsschutz. Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Reichsstadt Augsburg, Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2013
Jürgen Dinkel: Alles bleibt in der Familie. Erbe und Eigentum in Deutschland, Russland und den USA seit dem 19. Jahrhundert, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2023
Forschungen zu den rechtlichen Bedingungen und Voraussetzungen künstlerischer Aktivitäten sind noch immer keine Massenerscheinung. Die juristische Dissertation von Sebastian Neurauter nimmt sich in ihrer rechtshistorischen Analyse die Verwertungsrechte des Bauhauses vor. Neurauter verfolgt sein Vorhaben sehr genau. Seine Studie könnte sich auch in zwei Bücher teilen lassen, nämlich eines zu den rechtlichen Rahmenbedingungen des Bauhauses und eines zum Problem der Verwertungsrechte. Da die zweite Fragestellung auf der ersten aufbaut, ist die Entscheidung für die gewählte Darstellung nachvollziehbar, auch wenn sie dadurch hin und wieder etwas langatmig wirkt. Insofern enthält das Buch sogar mehr, als sein Titel ankündigt. Das für juristische Abhandlungen übliche knappe Fazit (503f.) enthält deshalb keineswegs alle interessanten Ergebnisse dieser detailreichen Studie.
Nach einem Kapitel mit einleitenden Vorüberlegungen (1-61) schließen sich, der Chronologie der Bauhaus-Orte folgend, vier weitere an: "Bauhaus Weimar" (63-247), "Bauhaus Dessau" (249-440), "Bauhaus Berlin" (441-487) und "Entwicklungen nach Bauhaus-Schließung" (489-502). Die Kapitel sind wiederum chronologisch nach Direktoraten unterteilt. Innerhalb dieser Abschnitte werden zunächst die jeweiligen rechtlichen Rahmenbedingungen vorgestellt wie Veränderungen der Organisation und der Rechtsgrundlagen, um dann die Urheberrechte der einzelnen Personengruppen am Bauhaus zu untersuchen: Studierende, Professoren, Mitarbeiter, Jungmeister, Werkmeister und andere Gruppen werden in ihrer Rechtsstellung gesondert und im Vergleich analysiert. Diese Differenzierung wird durch teilweise verworrene tatsächliche Verhältnisse erschwert: Meister und Schüler arbeiteten nicht nur am Bauhaus, sondern auch privat, Gropius setzte Bauhausschüler für sein eigenes Architekturbüro ein, und für angestellte Mitarbeiter des Bauhauses galten urheberrechtlich andere Grundsätze als für Schüler. Besonders spannend sind Scharfstellungen auf interne Konflikte zwischen den Gruppen und auf Vorgänge während der Etappenwechsel des Bauhauses, etwa Gropius' Taktiken zur Sicherung der Namens- und Verwertungsrechte des Bauhauses bei dessen Umzug von Weimar nach Dessau (235-247).
Zu den "prägenden Besonderheiten der Institution Bauhaus" (44-60) gehörte ein Argwohn gegenüber einem effektiven Rechtemanagement, der nach und nach einer Einsicht in die Anforderungen der Wirklichkeit einer nicht immer konfliktfreien, am Markt teilnehmenden Institution wich (47f.). Erst 1924, als externer Rat eingeholt wurde, erkannte man am Bauhaus die Bedeutung der Verwertungsrechte (111). Für deren Handhabung war das Arbeitnehmer-Erfindungsrecht das Vorbild, das Patentanwalt Richard Wirth und Syndikus Emil Lange aus dem Patentrecht auf die Rechtsverhältnisse des Bauhauses anwandten. Die Bauhausleitung ging stets davon aus, dass diese Rechtsgrundsätze es entbehrlich machten, eigens Satzungsregeln dafür aufzustellen (305). Demgemäß traf die Bauhausschüler die Pflicht, ihre Werke dem Bauhaus zur Verwertung anzubieten, aber nur gegen eine angemessene Entschädigung (194, 202ff., 305).
Über diese Entschädigung herrschte nicht immer Einigkeit. Zum Beispiel wurden Mechanismen einer kollektiven Beteiligung 1930 nach zwei Jahren wieder abgeschafft (370). Das Bauhaus blieb lange wirtschaftlich erfolglos: Es gelang ihm "nicht einmal, seinen talentiertesten Entwerfern einen auskömmlichen Verdienst zu verschaffen" (310). Pech kam auch dazu: Die Bauhaus GmbH, welche die "kaufmännische Verwertung" der am Bauhaus geschaffenen Werke übernehmen sollte, blieb auch deshalb ein Phantom, weil der Berliner Geschäftsmann Adolf Sommerfeld seinen Gesellschaftsanteil nie einzahlte (282-286). Erst unter Hannes Meyer konnte das Bauhaus anfangen zu ernten, was Walter Gropius gesät hatte. Die Industriekooperationen wurden endlich erfolgreich, 1930 konnte die Wortmarke "Bauhaus" eingetragen werden (354, 362). Deutlich arbeitet Neurauter die juristische Naivität des Bauhauses heraus, das sich Ende der 1920er Jahre vom Geschäftsführer der Firma "Standard Möbel" Anton Lorenz regelrecht abzocken ließ: Der "Patenthai" (329) hatte sich Schutzrechte für Stahlrohrmöbel nach Bauhausmodellen gesichert und hätte "in seinem juristischen Vorgehen Vorbild für das Bauhaus sein müssen" (328). Bewusster regelte man die Urheberrechte an Fotografien (373).
Dramatisch ist das Ende des Bauhauses, entsprechend spannend die Darstellung des Schicksals der Verwertungsrechte. Mies van der Rohe ließ sich 1932 in einem Vergleichsvertrag mit der Stadt Dessau die Rechte an der Bezeichnung "Bauhaus", die angemeldeten Schutzrechte und Rechte aus bestehenden Lizenzverträgen übertragen (434). Zwei Jahre später verlangte Dessau die Rückübertragung - die politische Verblendung hatte der Blick für das wirtschaftliche Potential getrübt (463). Mies lenkte schließlich ein, machte aber keine werthaltigen Zugeständnisse: Die Industriekooperationen waren beendet, die Schutzrechte waren nie ausgewertet worden. Das einzig wertvolle Namensrecht behielt er (470). Letztlich fielen die Verwertungsrechte in fast allen Fällen an die jeweiligen Schöpfer zurück (474).
Neurauter hat eine rechtsgeschichtliche Arbeit geschrieben, doch ist die kunsthistorische Literatur in seinem Literaturverzeichnis kein Fremdkörper. Im Zuge dessen können kunsthistorische Defizite der heute geltenden Rechtsprechung aufgezeigt werden (208). Es ist ein wichtiges Verdienst des Buches, Quellen wie die "Grundsätze für die Lizenz-Verteilung" von 1924 (193), den ausführlichen Vertragsentwurf zur Übertragung von Verwertungsrechten von 1925 (279) und die Auflistung aller Gebrauchs- und Geschmacksmuster des Bauhauses von 1932 (403) ausführlich zu zitieren. Noch schöner wäre nur ein Quellenanhang mit diesen Schlüsseldokumenten gewesen. [1] Eine weitere Errungenschaft besteht in dem Blick auf die Rolle der kaufmännischen Abteilung und der Bauhaus-Anwälte. Nicht nur die Syndizi am Bauhaus spielten eine wichtige Rolle: Emil Lange, Wilhelm Necker, Walter Facius, Walter Haas, Margarethe Sachsenberg. Auch die beauftragten Patentanwälte - nach Richard Wirth seit 1925 das Büro Karsten & Wiegand, seit 1930 Hans Heimann - werden in ein helleres Licht gerückt. [2]
Der gelockerte Ton macht das Buch auch für Nichtjuristen verständlich. Nur hin und wieder geht dies zu Lasten der begrifflichen Präzision. Das hilfreiche Register listet sowohl Namen als auch Sachbegriffe. Bei der Navigation im Text hilft ferner das juratypische Zusammenspiel von kurzer Inhaltsübersicht (VII-IX) und dem elfseitigen Inhaltsverzeichnis (XI-XXII), das allein die vollständige Gliederung wiedergibt [3]; Querverweise in den Fußnoten werden leider nicht nach Seiten, sondern nach Gliederungspunkten aufgelöst. Die typografische Gestaltung mit der Linotype Times Roman ist unspektakulär und folgt den gestalterischen Vorgaben der Verlagsreihe. Schade, aber auch ein wenig ironisch ist das Fehlen von Abbildungen der Werke, um deren Verwertungsrechte es geht - mit den urheberrechtlichen Reproduktionsbedingungen kennt sich der Autor schließlich aus. Seine Untersuchung ist ein gelungener Beitrag zur Kunstrechtsgeschichte der Moderne, der sein Thema ausführlich und genau erschließt. Zwar konstatiert Neurauter am Ende (504): "In Sachen Verwertungsstrategien und Geschäftsaktivitäten kann dem Bauhaus insgesamt kein gutes Zeugnis ausgestellt werden. Als Wirtschaftsbetrieb ist das Bauhaus gescheitert." [4] Doch wer sich heute für das Bauhaus in der Wirklichkeit interessiert, kommt an dessen historischer Rechtswirklichkeit nicht vorbei - und damit auch nicht an Das Bauhaus und die Verwertungsrechte.
Anmerkungen:
[1] Gedacht als Ergänzung zu den veröffentlichten Dokumenten wie bei Volker Wahl: Das staatliche Bauhaus in Weimar. Dokumente zur Geschichte des Instituts 1919-1926. Köln / Weimar / Wien 2009, und Volker Wahl / Ute Ackermann: Die Meisterratsprotokolle des Staatlichen Bauhauses Weimar 1919 bis 1925, Weimar 2001.
[2] Der Kontakt zu Karsten & Wiegang kam vermutlich über Kontakte zu den Junkerswerken zustande; Wiegand war auch der Patentanwalt Junkers' (287). Zu Junkers und dem Bauhaus siehe u.a. die weiterführenden Hinweise in Albrecht Pohlmann: Rezension von: Walter Scheiffele: bauhaus, junkers, sozialdemokratie, in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 9 http://www.sehepunkte.de/2004/09/6478.html.
[3] Beide sind abrufbar auf der Seite der Deutschen Nationalbibliothek: http://d-nb.info/1031148493/04.
[4] Zu einem ähnlichen Ergebnis für die Wiener Werkstätten kommt deren betriebswirtschaftliche Analyse von Herta Neiß: 100 Jahre Wiener Werkstätte. Mythos und ökonomische Realität, Wien 2004.
Grischka Petri