Christian O. Schmitt: Säuberlich banquerott gemachet. Konkursverfahren aus Frankfurt am Main vor dem Reichskammergericht (= Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich; Bd. 66), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2016, 386 S., ISBN 978-3-412-50325-3, EUR 55,00
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Die Zahlungsunfähigkeit von Kaufleuten und deren Konsequenzen wurden bereits in Studien zur Handelsgeschichte thematisiert. Einen weiteren Beitrag leistet nun die rechtshistorische Dissertation von Christian O. Schmitt, die 2014 von der Juristischen Fakultät der Universität Würzburg angenommen wurde. Schmitt nimmt keine primär handelshistorische Perspektive ein, sondern befasst sich mit den rechtlichen Grundlagen und Praktiken bei Konkursverfahren, die in Frankfurt am Main eingeleitet und vor dem Reichskammergericht fortgesetzt wurden. Die Grundlage der Studie, die im Kontext der Forschungen zur Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich entstanden ist, bilden die aus dem Frankfurter Gerichtssprengel stammenden Verfahren des Reichkammergerichts. Nachdem die Reichsstadt seit dem Mittelalter ein zentraler Handelsplatz war, erscheint es naheliegend, die Thematik anhand der dortigen Fälle zu untersuchen.
Im ersten Teil wird in die Thematik des Konkurses, die Fragestellungen, Forschungsziele und die Methode sowie in den Aktenbestand eingeführt. Ziel der Arbeit ist, die Rechtspraxis anhand der Gerichtsakten zu untersuchen, die "durch die systematische Darstellung und Analyse der relevanten Normenkomplexe und Rechtsinstitute unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte und Dogmatik" (16) ergänzt werden soll. Die Konkursprozesse mussten zuerst vor den Untergerichten geführt werden und gelangten ausschließlich auf dem Wege von Appellationen, Mandaten und Zitationen vor das Reichskammergericht. Daher werden die gerichtlichen Praktiken sowohl der städtischen Frankfurter Gerichtsbarkeit als auch des Reichskammergerichts untersucht.
Es folgt im zweiten Teil ein Überblick zur Entwicklung des Konkursrechts seit der römischen Antike. Dabei trat die körperliche Bestrafung des Schuldners zunehmend in den Hintergrund, während die Regelungen und Verfahren zur Befriedigung der Gläubiger komplexer wurden, um das verbliebene Vermögen, das häufig nicht zur Deckung aller Ansprüche ausreichte, im Interesse der Gläubiger zu schützen und zu verteilen. Dabei konnten Sonderrechte auf das Vermögen geltend gemacht werden. Ein ausgeformtes Konkursrecht wurde auf Reichsebene nicht entwickelt, vielmehr folgten die Konkursprozesse einer Mischung der verschiedenen Rechtstraditionen, wobei die Grundstruktur romanisch-kanonisch geprägt war. Das Frankfurter Stadtrecht wies bereits seit dem späten Mittelalter ein differenziert geregeltes Zwangsvollstreckungsrecht auf. Mit den "Reformationen" des Stadtrechts wurden ausgehend vom gemeinen Recht Grundlagen für Konkursverfahren entwickelt, die bis zur Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahr 1900 in Kraft blieben. Ergänzend wurden weitere Rechtsordnungen wie die Fallitenordnung von 1708 erlassen.
Verfahren, Instanzen und die daran beteiligten Personen werden im dritten Teil dargestellt. Ausgehend von Zuständigkeit und Verfahren des Reichkammergerichts werden die für die Untersuchung relevanten Verfahrensarten eingeführt. Entsprechend der Eigenschaft des Reichskammergerichts als Instanz für Appellationen in zivilrechtlichen Verfahren waren gut dreiviertel der konkursrechtlichen Verfahren Appellationen. Weitere relevante Verfahrensarten waren Mandate, die durch einen Befehl des Gerichts die Ansprüche des Klägers sichern sollten, sowie Zitationen. Um die Bedeutung der Unterinstanzen für die Verfahren vor dem Reichskammergericht zu klären, folgt ein Überblick zur Organisation der Gerichte in Frankfurt. Ein weiterer Abschnitt knüpft an die quantifizierende Auswertung von Verfahren vor dem Reichskammergericht an. Konkurse als solche bildeten keine eigene Rechtsmaterie, weshalb der Autor von unterschiedlichen konkursrechtlichen Streitgegenständen ausgeht und diese quantitativ gewichtet. Von besonderer Bedeutung sind die Priorität der Gläubiger sowie die Rechtswohltaten der Güterabtretung und der Güterabsonderung, die gut die Hälfte der Verfahren ausmachen. Zwischen fünf und zehn Prozent der Verfahren galten Konflikten um die Konkursmasse, über Wechsel und Bankrott, dem die Unterstellung der betrügerischen Insolvenz anhaftete. 20 Prozent der Verfahren ließen sich nicht eindeutig zuordnen. Diese Verteilung bestimmt die weitere Untersuchung, denn Schmitt konzentriert sich auf die drei häufigsten Fallgruppen, da die anderen jeweils eine Vielzahl juristischer Konstellationen umfassen würden, die einer auf die Gewinnung allgemeingültiger Erkenntnisse gerichteten Untersuchung entgegenstünden. Unter Beachtung der gebildeten Fallgruppen konnten 188 Prozesse mit konkursrechtlichen Bezügen ermittelt werden. Die Häufigkeit der Verfahren korrespondiert nur teilweise mit allgemeinen Trends, sondern folgt eher wirtschaftlichen Entwicklungen. In einem abschließenden Abschnitt werden sämtliche Gruppen der Prozessbeteiligten vorgestellt.
Die ausgewählten Streitgegenstände werden im vierten Teil ausführlich untersucht. Die Rechtswohltat der Güterabtretung bot Schuldnern bei Zahlungsunfähigkeit die Möglichkeit, den Gläubigern ihr Vermögen zur Verwertung zu überlassen, um damit Infamie und Inhaftierung zu entgehen. Die Güterabtretung war an Bedingungen geknüpft, wobei sie im 18. Jahrhundert generell an Bedeutung verlor. 70 Prozent der Fälle betrafen Juden. Möglicherweise waren sie im Gegensatz zu anderen Schuldnern weiterhin vom Risiko der Inhaftierung betroffen. Die Rechtswohltat der Güterabsonderung sollte die Vermögensansprüche von Ehefrauen, die nicht am Handel beteiligt sein durften, gegenüber den Gläubigern des Ehemanns schützen. Die Gewährung hing von zahlreichen Voraussetzungen ab, wobei die Frankfurter Normen zum Missbrauch einluden. Dieser wurde insbesondere jüdischen Appellantinnen unterstellt, die vor den Frankfurter Gerichten wenig Erfolg hatten, während das Reichskammergericht differenzierter und eher von der Rechtslage her entschied. Die Rangfolge der Gläubiger war der dritte zentrale Streitgegenstand, wobei die beanspruchten Vorzugsrechte sehr unterschiedlich ausfallen konnten. Die Konflikte wurden häufig unter Verwandten geführt und waren teilweise mit der Forderung auf Güterabsonderung verbunden. Weitere Streitgegenstände wie die Zugehörigkeit zur Konkursmasse, Wechsel im Konkurs und der Bankrott als Sonderfall werden kurz behandelt.
Im abschließenden Teil werden die Ergebnisse unter den Gesichtspunkten von Norm und Praxis, Wirtschaft und Gesellschaft sowie Kontinuität und Wandel zusammenfassend besprochen.
Die Studie ist als differenziert argumentierende rechtshistorische Studie gut lesbar geschrieben. Durch die Erläuterung von Begriffen und rechtlichen Formen führt Schmitt anschaulich in die Verfahrenspraktiken und deren normative Grundlagen ein. Personen- und Sachregister erschließen den Band. Ein Anhang enthält die wesentlichen Rechtsnormen. Kritisch anzumerken bleibt, dass das Verzeichnis der Archivalien mit der Nennung der Archive und der Bestandsgruppe zu knapp ausfällt. Ein Verzeichnis zumindest der Signaturnummern der ausgewählten 188 Verfahren wäre eine wichtige Referenz gewesen. Bei Abbildung 4 ist die Legende vertauscht. Insgesamt handelt es sich um eine anregende Arbeit, die zum Thema Konkurse wichtige Differenzierungen hinsichtlich der rechtlichen Regulierung anspricht und damit zugleich neue inhaltliche Schwerpunkte hinsichtlich der zugehörigen Streitgegenstände in Appellationsverfahren setzt. Ein wesentlicher Ertrag besteht darin, dass die oft nur allgemein angesprochene Verbindung von kaufmännischem Geschäft und dessen Risiken mit den Vermögensansprüchen von Ehefrauen und Verwandten im Mittelpunkt der Untersuchung steht, die damit über die engere Thematik der Konkurse hinaus auch für andere Forschungsfelder von Interesse ist.
Christof Jeggle