Rezension über:

Winfried Baumgart (Hg.): König Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm I. Briefwechsel 1840-1858, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2013, 583 S., ISBN 978-3-506-77597-9, EUR 74,00
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Rezension von:
Manfred Hanisch
Historisches Seminar, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Redaktionelle Betreuung:
Nils Freytag
Empfohlene Zitierweise:
Manfred Hanisch: Rezension von: Winfried Baumgart (Hg.): König Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm I. Briefwechsel 1840-1858, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2013, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 1 [15.01.2014], URL: https://www.sehepunkte.de
/2014/01/23639.html


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Winfried Baumgart (Hg.): König Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm I.

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Die Edition enthält den privaten Briefwechsel von 1840 bis 1858 zwischen den Brüdern König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und seinem präsumtiven Nachfolger Wilhelm I. Die allermeisten Briefe sind in dieser Ausgabe erstmals ediert worden. Die relativ wenigen, schon andernorts veröffentlichten Briefe sind nur in regestierter Form wiedergegeben. Der Briefwechsel ist nicht vollständig. Briefe, in denen es nur um militärtechnische oder personelle Fragen geht, wurden nicht aufgenommen, immerhin nach Angaben des Herausgebers mehr als die Hälfte des transkribierten Materials. Die Briefe werfen ein Licht auf die sehr unterschiedlichen Charaktere ihrer Verfasser und geben Einblicke in die oftmals konträren Auffassungen der Brüder zu den politischen Fragen der Zeit zwischen dem Vormärz und dem Regierungsantritt Wilhelms I. In diesen Zeitraum fallen unter anderem die Revolution 1848 und der Krimkrieg 1853/56.

Die Edition enthält keine großen Überraschungen. Sie ermöglicht jedoch eine nuanciertere Beurteilung der Verfasser der Briefe. Dies gilt z. B. für Vorgänge während des Krimkrieges. Friedrich Wilhelm IV. lehnte es ab, mit den Westmächten zusammenzugehen, anders als sein Bruder Wilhelm. Der Dissens war tiefgreifend. Die Kontroverse zwischen dem König und seinem Bruder ist der Forschung schon bekannt. Jedoch würdigt Baumgart auf der Basis des von ihm edierten Briefwechsels die Haltung Wilhelms positiver. Die Argumente Wilhelms waren politisch reflektierter als bisher angenommen.

Den Ertrag der Edition fasst Baumgart so zusammen: "In den 18 Jahren ihres Briefaustauschs [komme es] mehrfach zu fundamentalen Zusammenstößen, bei denen der König, den man gemein als weich und beeinflussbar kennt, seinen Willen mit großer Härte durchsetzt. Andererseits sind der Offensivgeist und die Kritikbesessenheit Wilhelms in dem in diesen Briefen herrschenden Ausmaß bisher nicht bekannt ..." (9)

Die Ausgabe fußt auf überaus umfangreichen Vorarbeiten von Rudolf Vaupel und Hermann Granier. Sie waren Archivare im Geheimen Staatsarchiv Preußens in der Zwischenkriegszeit und hatten schon 2700 schwer entzifferbare Seiten des Briefwechsels transkribiert. Jedoch geriet die Arbeit an der Edition in den 1930er Jahren ins Stocken und wurde nach dem Tod Vaupels 1945 nicht wieder aufgenommen. Winfried Baumgart hat sie jetzt abgeschlossen, die Briefe mit Zusammenfassungen versehen und mit erläuternden Anmerkungen wissenschaftlich kommentiert. Eine ca. 25 seitige Einleitung fasst die wichtigsten Ergebnisse der Edition zusammen. Ein Register, in dem wichtige Einträge auch untergliedert sind, erleichtert den Zugang. Auch zum Register gab es schon Vorarbeiten von Vaupel und Granier. Dass schon so viele Vorarbeiten existieren, darauf hat schon Iselin Gundermann, Archivarin im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, im Jahr 2000 aufmerksam gemacht.

Das alles mindert mitnichten die Leistung von Winfried Baumgart. Er hat den Briefwechsel nicht nur herausgegeben, sondern auch bearbeitet und das heißt: für die Forschung erstmals wissenschaftlich aufbereitet. Ohne die mühevolle und sorgfältige Editionsarbeit Winfried Baumgarts würde der Briefwechsel trotz aller verdienstvollen Vorarbeiten weiter im Archiv schlummern. Erst jetzt können wir vieles im Denken und Handeln des Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und seines Nachfolgers, des späteren Kaisers Wilhelm I., differenzierter sehen.

Manfred Hanisch