Dieter Langewiesche: Die Monarchie im Jahrhundert Europas. Selbstbehauptung durch Wandel im 19. Jahrhundert (= Schriften der Philosophisch-historischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Bd. 50), Heidelberg: Universitätsverlag Winter 2013, 52 S., ISBN 978-3-8253-6160-0, EUR 15,00
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In den letzten Jahren hat die Forschung zur Geschichte der Monarchie einen erheblichen Schub bekommen. Nachdem das Thema im Zuge des Aufschwungs der Kulturgeschichte und dem damit verbundenen Interesse an Ritualen und Zeremoniell wieder Interesse gefunden hat - vor allem für die Frühe Neuzeit - rückte nun auch die Rolle der Monarchie in der Moderne ins Zentrum des Interesses (vgl. etwa die einschlägigen Studien von Johannes Paulmann und Volker Sellin). Dieter Langewiesche summiert in seiner knappen Abhandlung zur Monarchie im Europa des 19. Jahrhunderts wesentliche Tendenzen dieser Forschung, vor allem aber zeigt er durch das Herausarbeiten von langfristigen Gesetzmäßigkeiten und durch die Einbettung Europas in globale Entwicklungen neue Perspektiven für die Monarchieforschung auf.
Langewiesche konzentriert sich auf den "Prozess der Staatsbildung und Staatsvernichtung". Hier zeigt sich für ihn die Grundregel der Monarchie im 19. Jahrhundert - und eigentlich bereits zuvor und danach: auch die Monarchie unterliegt und folgt strengen Leistungskriterien. Die Leistungsprobe Krieg schuf und vernichtete, wie Langewiesche an verschiedenen Beispielen erläutert, die Monarchien des 19. Jahrhunderts. Insofern war die Monarchie des Kleinadligen Napoleon Bonaparte weniger außergewöhnlich als sie zunächst erscheint. Für Napoleons europäischen Aufstieg war die Errichtung einer Monarchie sogar notwendig, weil er nur so ein eigenes Koalitionssystem errichten konnte. Akzeptanzprobleme des Aufsteigers und seiner nun hocharistokratischen Familie hielten sich in engen Grenzen - eben weil der Krieg als Leistungsprobe allgemein anerkannt war und der erfolgreiche Feldherr Bonaparte auf dem Schlachtfeld gewissermaßen legitim die Krone errungen hatte.
Das 19. Jahrhundert bot allerdings eine zweite Leistungsprobe auf: den aufkommenden Nationalstaat. Nur im Bündnis mit dem Nationalstaat konnten Dynastien überleben. Allerdings galt auch umgekehrt: nur als Monarchie konnten neue Nationalstaaten entstehen, denn nur so, argumentiert Langewiesche, konnten sie die notwendige Legitimität erwerben, die jeder Staat, und gerade ein neuer Staat, nötig hatte. Der in vielerlei Hinsicht spezielle Fall Schweiz muss als Ausnahme, die die Regel bestätigt, gelten. Anhand der Beispiele der Nationalstaatsbildungen Deutschlands und Italiens erläutert Langewiesche die Grundlagen und Folgen der Zweckehe von Monarchie und Nationalstaat. Da in der deutschen Einigung die verschiedenen Dynastien gemeinsam operierten, mussten keine, zumindest nicht nach 1866, Staaten oder Throne geopfert werden, um zu einer Einigung zu kommen. Da alle deutschen Staaten über Verfassungen verfügten, war dies auch für die liberale Bewegung hinnehmbar. Der Preis, den die Dynastien zu entrichten hatten, war der Konstitutionalismus.
In ganz Europa galt, dass sich die Nationalstaaten aus einem umfangreichen Reservoir für sich genommen anationaler Dynastien bedienen konnten, die dann nach ihrer Einsetzung regelmäßig erfolgreich nationalisiert wurden. Die Monarchien konnten sich anpassen, vor allem aber erfüllten sie einen Zweck, den Langewiesche unter Integrationsleistungen subsumiert. Dies galt nicht nur für den Nationalstaat nach innen, sondern auch für die Verbindung von Nationalstaat und Kolonialreich. Langewiesche demonstriert die Implikationen am Beispiel Großbritanniens. Mit der zunehmenden Herrschaftsverdichtung im Empire als Grundtrend, gewann auch die britische Monarchie an Bedeutung in den Kolonien und fungierte als Klammer dieses extrem heterogenen Gebildes - veranschaulicht in den grandiosen Jubiläumsfeiern Queen Victorias.
Langewiesche schließt mit einem knappen Ausblick auf den Funktionswandel der Monarchie im 19. Jahrhundert. Neben die Nationalisierung der Monarchie trat nun deren Parlamentarisierung. Wenn sie sich diesem Trend widersetzte, hatte sie keine Zukunft. Aber auch im 20. Jahrhundert galt, dass die Monarchie die Bewährungsprobe Krieg erfolgreich bestehen musste. Auch so erklärt sich das "Monarchiesterben" nach den beiden Weltkriegen. Die Kraft der Selbstbehauptung der Monarchie bis zum frühen 20. Jahrhundert, in vielen europäischen Ländern bis in das 21. Jahrhundert hinein, hat, wie Langewiesche zeigt, mit ihrer Anpassungsfähigkeit, mit ihrer Fähigkeit zu tun, neue Potentiale zu erschließen. Das Kapital, auf das die Monarchie bauen konnte, war keine fixe Summe, sondern ließ sich erheblich ausweiten - etwa durch die Massenmedien. Hierauf hätten Langewiesches Überlegungen vielleicht noch stärker eingehen können. Andererseits liegt die Stärke der stringenten Abhandlung gerade in ihrer Pointierung. Langewiesche zeigt, außerordentlich klar argumentierend, auf, wie sich in der Monarchie die Dynamiken des 19. Jahrhunderts bündelten und wie wichtig die Monarchie dadurch auch als Akteur blieb. Langewiesche verdeutlicht so auch, wieviel Potential das Thema Monarchie für die Geschichtswissenschaft noch hat - auch für Probleme wie politische Legitimität oder politische Partizipation und Integration, die weit über einzelne Dynastien hinausweisen.
Martin Kohlrausch