Roy K. Gibson / Ruth Morello (eds.): Pliny the Elder. Themes and Contexts (= Mnemosyne; Vol. 329), Leiden / Boston: Brill 2011, XIV + 248 S., ISBN 978-90-04-20234-4, EUR 103,00
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Der ältere Plinius bildet ein gutes Beispiel für den Umgang mit antiken Autoren, die ein umfangreiches Werk hinterlassen haben: Sie werden immer wieder für Einzelfragen ausgewertet und daher auch regelmäßig zitiert; die Erforschung des Werkes als Ganzes aber bietet, gemessen an seinem Umfang, noch deutliches Erweiterungspotential. Der nachfolgend zu besprechende Sammelband enthält die Ergebnisse einer an der Universität Manchester im Juni 2006 abgehaltenen Tagung, in der versucht wurde, die naturalis historia des Plinius (gemeint ist hier immer der ältere, wo nicht anders vermerkt) als literarisches Werk ihrer Zeit zu verstehen und auszuwerten.
Plinius und der römische Imperialismus ist das Thema von Rhiannon Ash (1-19) und Andrew Fear (21-34). Ash untersucht die einzelnen Aspekte der Kriegführung, die im Werk des Plinius auftreten (etwa Kriege als chronologisches Gerüst oder die Eroberungen als vereinfachender Faktor der Erforschung der Welt); Fear zeigt, wie Plinius die kulturellen und sonstigen Vorzüge des römischen Imperialismus betont. Eugenia Lao (35-56) arbeitet heraus, dass Plinius nicht nur Luxuskritik betreibt, sondern Finanzethik demonstrieren will, um bei diesbezüglich nachlässigen Mitgliedern der Gesellschaft durch die Vermittlung praktischer Informationen ein entsprechendes Verhalten hervorzurufen. Valérie Naas (57-70) widmet sich den mirabilia im Werk des Plinius und nennt die Faktoren, die deren Nennung bedingen (beispielsweise zur Demonstration der Macht Roms). Den Aspekt der Neugierde behandelt Mary Beagon (71-88), die zeigt, dass der durchaus stoische Positionen vertretende Plinius dennoch nicht die Philosophie und somit das übliche Ziel intellektueller Wissbegierde propagiert, sondern für eine gewissermaßen irdische Neugier eintritt. Ebenfalls auf die stoische Herangehensweise des Plinius geht Ernesto Paparazzo (89-111) ein, der das Fehlen von Parallelen in Rom (mit Ausnahme von Seneca und seinen Quaestiones naturales) konstatiert. Aude Doody (113-129) untersucht die Bedeutung von Namen und ihre Eigenschaft als (manchmal einziges) Mittel der Bezeichnung bei Plinius. Cynthia Damon (131-145) sammelt und analysiert die bei Plinius überlieferten Informationen über das Werk des Apion. Ruth Morello (147-165) diskutiert die Auseinandersetzung des Plinius mit seinen griechischen Vorgängern, von denen er sich (unter anderem durch die einleitende Catull-Referenz) abheben will, und die diesbezügliche Kommunikation des Plinius mit seinem Leser, dem er den literarischen Wert von Erhaltung und Erneuerung seiner Vorgängerwerke demonstrieren will. Clemence Schultze (167-186) hat die Verwendung von exempla bei Plinius zum Thema. Roy K. Gibson (187-205) fragt nach der Benutzung und Präsenz der naturalis historia des Plinius bei dem jüngeren Plinius und zeigt, dass letzterer in seinen Briefen bei deren Lesern Kenntnisse dieses Werkes voraussetzt.
Der beste Aufsatz des Bandes ist der letzte Aufsatz (207-222), der von Michael Reeve stammt und die anonyme Vita Plinii behandelt. Neben einer (etwas ergebnislosen) Diskussion der Argumente für und gegen die Autorschaft Suetons (wobei auch die erhaltenen Testimonien für dessen de viris illustribus ausführliche Beachtung finden) enthält diese Studie einen Überblick über die Editionsgeschichte, die handschriftliche Überlieferung, eine Übersetzung und einen kritischen Text der Vita sowie eine Reihe von philologischen Anmerkungen und eine Liste der Werke des Plinius in mittelalterlichen Bibliothekskatalogen.
Die Liste der verwendeten Literatur (223-240) findet sich gesammelt am Schluss des Bandes, ebenso ein (recht knappes) allgemeines Register (241-242) sowie ein Stellenregister (243-248).
Dieser nützliche Band, der eine Vielzahl von hochwertigen Aufsätzen enthält, ist jedem zu empfehlen, der daran interessiert ist, die naturalis historia des älteren Plinius nicht nur als eine ergiebige Materialsammlung für die darin abgedeckten Themen, sondern auch als literarisches Werk ihrer Zeit zu verstehen und zu nutzen.[1]
Anmerkung:
[1] Bisherige Rezensionen: Zoja Bojic, in: Classical Review 126/N.S. 62 (2012), 516-518; Harry M. Hine, in: Bryn Mawr Classical Review Januar 2012, Nr. 39 (http://bmcr.brynmawr.edu/2012/2012-01-39.html); Sara Myers, in: Religious Studies Review 40 (2014), 38-39; Matthew Roller, in: Journal of Roman Studies 103 (2013), 336-337.
Raphael Brendel