Heinrich Lackmann / Tobias Schrörs (Bearb.): Katholische Reform im Fürstbistum Münster unter Ferdinand von Bayern. Die Protokolle von Weihbischof Arresdorf und Generalvikar Hartmann über ihre Visitationen im Oberstift Münster in den Jahren 1613 bis 1616 (= Westfalia Sacra; Bd. 16), Münster: Aschendorff 2012, 449 S., ISBN 978-3-402-15495-3, EUR 59,00
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Helmut Neumaier (Bearb.): Ritteradlige Herrschaftsbildung im Schüpfergrund. Das Briefbuch des Albrecht von Rosenberg (1572), Würzburg: Gesellschaft für fränkische Geschichte 2006
Helmut Neumaier: Albrecht von Rosenberg. Ein außergewöhnliches Adelsleben unter drei habsburgischen Kaisern, Münster: Aschendorff 2011
Etwa 100 Jahre nachdem die Protokolle der frühesten Visitation, die 1571-1573 im Bistum Münster abgehalten wurde, veröffentlicht wurden [1], erscheinen nun die Protokolle der nachfolgenden Visitation, die 1613-1616 erfolgte. Beide Visitationen sind vergleichbar, da der Fragenkatalog von 1613 auf der Grundlage desjenigen von 1571 erstellt wurde. Allerdings fehlen bei der späteren Visitation die Teile, die sich auf die Klöster und die Stadt Münster beziehen. Es scheint ein Überlieferungsverlust vorzuliegen, denn dass die Visitation erfolgt ist, dürfte unzweifelhaft sein. Erhalten ist damit die Überlieferung zu den Kirchspielen und zu den gerade im Oberstift Münster vielfach vorhandenen freiweltlichen Damenstiften, wobei allerdings auch hier wiederum Ausfälle zu verzeichnen sind, denn das Stift Freckenhorst wusste sich der Visitation zu entziehen.
Die vorhandenen Protokolle zeigen vorwiegend die Zustände auf dem Lande und in den kleineren Städten des Fürstbistums und stellen eine hervorragende Quelle zum religiösen Leben in der Phase der Gegenreformation unmittelbar vor dem 30jährigen Krieg dar. In ihrer Instruktion waren die Visitatoren gehalten, eine umfassende Untersuchung der kirchlichen und religiösen Zustände vorzunehmen. Dazu war ein umfangreicher Fragenkatalog erstellt worden, der Fragen zu den Geistlichen und ihrer Tätigkeit, der Erteilung der Sakramente, der Erhaltung und Einrichtung der Kirchen, des sittlichen Verhaltens der Geistlichen, zu Hospitälern und Schulen und zur Frömmigkeit der Gläubigen enthielt.
Liest man allerdings die zu den einzelnen Kirchspielen erstellten Protokolle, so ist in keinem Fall der gesamte Fragenkatalog vollständig abgehandelt worden. Dies war auch gar nicht möglich, da die ganze Visitation in drei Etappen an insgesamt 96 Tagen (25. August bis 17. September 1613, 5. bis 21. April 1614, 28. Februar bis 31. März 1616) und damit in erkennbarer Eile erfolgte. Häufig wurden an einem Tag zwei Kirchspiele visitiert oder die Pfarrer benachbarter Kirchspiele an einen zentralen Ort zitiert, wo sie Auskunft zu geben hatten. Der zeitliche Aufwand für die Befragungen wurde noch weiter dadurch eingeschränkt, dass der an den ersten beiden Etappen beteiligte Visitator Arresdorf als Weihbischof zahlreiche Firmungen vorzunehmen hatte.
Vergleicht man die Visitationen nach den drei Etappen, so ist auffällig, dass bei den ersten beiden Etappen der Fragenkatalog oberflächlicher angewandt wurde, aber aufgrund der Visitationsergebnisse Decreta oder Weisungen erfolgten, nach denen sich die Geistlichen künftig zu richten hatten. Der Generalvikar Hartmann, der die letzte Etappe allein bewältigte, hielt sich demgegenüber näher an den Fragenkatalog, enthielt sich aber jeglicher Kritik, indem er nichts dekretierte.
Da die Befragungen unterschiedlich intensiv waren, sind natürlich auch die Nachrichten zu den Kirchspielen von unterschiedlicher Qualität. Dennoch zeigen sie in wünschenswerter Klarheit, wie es um Ausbildung und Lebensverhältnisse der Geistlichen bestellt war, denn gerade auf die letzteren wurde ein Schwergewicht gelegt. Hier ging es insbesondere immer darum, ob die Geistlichen in eheähnlichen Beziehungen lebten. Auch ist vieles über die Ausstattung der Kirche zu erfahren. Allerdings zeigen sich diesbezüglich wie auch bei den Mitteilungen über die Reichung der Sakramente, dass die katholische Glaubenslehre nicht so verankert war, wie die häufig vorgebrachten Beteuerungen, dass keine Kirchspielsangehörigen unkatholisch oder gar Wiedertäufer seien, vermuten lassen. Die Einzelantworten sind immer im Kontext der gesamten Antworten zu betrachten.
Bei der Auswertung der Antworten auf den Fragekatalog zeigt sich allerdings ein Schwachpunkt der vorliegenden Edition, denn auch wenn selbige meistens für sich sprechen, so muss man gelegentlich doch wissen, wie die zugehörige Frage eigentlich lautete, um die jeweilige Antwort richtig einordnen zu können. Schwarz, der Herausgeber der Visitationsakten zu 1571-1573, hatte die im Katalog enthaltenen Fragen nummeriert und diese Nummern den jeweiligen Antworten jedes Kirchspiels vorangestellt, so dass ein direkter Bezug gegeben war. Die Bearbeiter des vorliegenden Bandes haben auf eine Nummerierung verzichtet, so dass manchmal Interpretationsschwierigkeiten bleiben (z. B. 327 beim Eintrag "Sit domus", der sich auf die Vikarien oder Einkünfte der Pfarrei beziehen kann).
Leseunfreundlich sind auch die wohl aus der Vorlage kritiklos übernommenen Großschreibungen (etwa (96) "Erat tantum unum Altare", (129) "in vim Juramenti"), die vollkommen überflüssige Auflösung von allgemein bekannten Abkürzungen mittels eckiger Klammern (immer wieder "D[omi]nus") und die Beibehaltung von & statt et. Auf Seite 173 lautet der letzte Absatz im Druck: "Servetur Processio in die Venerabilis Sacramenti cum V.[enerabili] S.[acramento] in dedicatione Ecclesie, Exaltione S.[anctae] Crucis, Feria 2-da cum V.[enerabili] S.[acramento] per pagum". Verständlicher wäre: "Servetur processio in die venerabilis sacramenti cum venerabili sacramento, in dedicatione ecclesie, exaltatione sanctae crucis feria secunda cum venerabili sacramento per pagum".
Diese Kritikpunkte sollen aber keineswegs den Wert der Edition heruntersetzen, mit der eine wichtige Quelle zur Kirchengeschichte Westfalens herausgegeben wurde, und die darüber hinaus wertvolle Aufschlüsse zur Geschichte der Bildung und des Brauchtums vermittelt, nennt sie doch die von den Geistlichen besessenen Bücher und auch die deutschen Kirchenlieder, die in der Messe gesungen wurden.
Mit diesem Werk liegen nun für den Bereich des alten Fürstbistums Münster die Protokolle der Visitation vor, die Ferdinand von Bayern als Fürstbischof von Münster seit 1613 initiiert hatte. Schon 2005 hatte Heinrich Lackmann die Visitationsakten für das Niederstift Münster herausgegeben. [2] Dort hatte der Fürstbischof, obwohl dieser Bereich zur Diözese Osnabrück gehörte, die Visitation aufgrund seiner Metropolitangewalt als Kölner Erzbischof durchführen lassen. Da sich beide Visitationen zeitlich überschneiden, auch bei beiden der Generalvikar Johannes Hartmann maßgeblich beteiligt war, weiterhin die Instruktion und der Ablauf der Visitation in gleicher Weise vorgeschrieben waren, sind beide Bände als Einheit zu betrachten und müssen nebeneinander benutzt werden. Letzteres gilt auch für die Einleitungen, die sich gegenseitig ergänzen. Insofern wäre es richtiger gewesen, beide Bände als zweibändiges Werk unter gleichem Titel herauszubringen.
Anmerkungen:
[1] Die Akten der Visitation des Bistums Münster aus der Zeit Johanns von Hoya (1571-1573), hg. v. Wilhelm Eberhard Schwarz (= Die Geschichtsquellen des Bistums Münster; Bd. 7), Münster 1913.
[2] Katholische Reform im Niederstift Münster. Die Akten der Generalvikare Johannes Hartmann und Petrus Nicolartius über ihre Visitationen im Niederstift Münster in den Jahren 1613 bis 1631/32, hg. v. Heinrich Lackmann (= Westfalia Sacra; Bd. 14), Münster 2005.
Wolfgang Bockhorst