Guido Gassmann: Konversen im Mittelalter. Eine Untersuchung anhand der neun Schweizer Zisterzienserabteien (= Vita regularis. Ordnungen und Deutungen religiosen Lebens im Mittelalter. Abhandlungen; Bd. 56), Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2013, 361 S., ISBN 978-3-643-80161-6, EUR 31,90
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Guido Gassmann wurde schon im Verlauf seines Masterstudiums auf das Thema des zisterziensischen Konverseninstituts aufmerksam. Das vorliegende Buch wurde als Dissertation 2012 an der Universität Fribourg eingereicht. Während seine erste Arbeit (2011) sich mit den normativen Quellen des 12. Jahrhunderts befasste, widmete er sein Dissertationsprojekt den konkreten Verhältnissen in den neun Zisterziensermännerklöstern der Schweiz.
Vorrangiges Ziel war es, anhand der bisherigen Literatur, aber auch aufgrund eigener - sehr umfangreicher - Quellenstudien alle Konversennamen mit ihren attributiven Zusätzen und ihren Funktionen im Kloster zusammenzustellen (15). Anhand dieser Zusammenstellung geht Gassmann den Fragen nach Herkunft und Motiven der Konversen nach und richtet den Blick auf ihre verschiedenen Tätigkeitsfelder und Berufe, um ihre Bedeutung und ihren Anteil an der Wirtschaftsgeschichte der einzelnen Klöster zu ermitteln. Die Arbeit besteht aus fünf Kapiteln, einem umfangreichen "Anhang" mit einem Katalog aller nachgewiesenen Konversen mit Kurzbiographien (217-298), einer Liste aller Namen und fünf hilfreichen Karten.
Das erste Kapitel führt in die verschiedenen Aspekte des Themas ein. Es bietet einen Überblick über die Entstehung des Zisterzienserordens, seine spezifische Organisation und seine Bräuche im Kontext der Reformbewegung des 11./12. Jahrhunderts (17-22) - auf eine tiefergehende Analyse der Nonnenklöster musste Gassmann hier leider verzichten. Die einzelnen Klöster werden unter Hinweis auf die Problematik der zwei unterschiedlichen geographischen Regionen, die burgundische und alemannische Schweiz, kurz vorgestellt (23-27). (15) Nach einem historischen Überblick zur Entwicklung des Begriffs "conversus" (29-30) zeichnet Gassmann die geschichtliche Entwicklung des Konverseninstituts im Zisterzienserorden nach: Zeit und Umstände seiner Einführung geraten dabei ebenso wie die Organisation in den Blick (30-35).
Kapitel zwei widmet Gassmann der Frage nach der sozialen und regionalen Herkunft der Konversen. Die soziale Herkunft wird für jedes Kloster ermittelt: Adelige (38-48); Bürgerliche und Städtische (48-54); aus Bauern- und Handwerkerfamilien (54-61). Die Herkunft konnte dabei sehr wohl Einfluss auf ihre "Einsetzbarkeit" im Kloster nehmen (37). In seiner Analyse stellt Gassmann aber fest, dass die "soziale Herkunft keineswegs das ausschließliche Kriterium für die Zuordnung in den Mönchs- oder Konversenstand" war, beide waren sozial durchmischt (205). Die meisten Konversen stammten aus der Umgebung der Klöster und aus den Ortschaften und Städten, in denen sie begütert oder tätig waren (63). Gassmann versucht die Motive (64-72) für den Eintritt in den Konversenstand zu eruieren, die sehr vielschichtig gewesen sind. Sie reichen von der Suche nach materieller Sicherheit bis hin zum Schutz vor Verfolgung. Eine fast sensationelle Entdeckung ist der Konverse Heinrich "dictus Jude" von Lucelle, der wahrscheinlich auf der Flucht vor Judenpogromen ins Kloster eintrat (67). Wie in anderen Studien zuvor ist es auch im Falle der Schweizer Klöster generell schwierig, die Größe der Konversengemeinschaften zu ermitteln. Konventslisten wie für die Mönche fehlen gänzlich. Andere schriftliche Quellen überliefern nur vereinzelt Nachweise über Konversen, die dann zumeist als Offiziale oder Inhaber besonderer Ämter in der Klosterwirtschaft agierten (72-75). Die Tendenz eines allgemeinen Niedergangs des Konverseninstituts im Verlauf des 14. Jahrhunderts kann auch für die Schweizer Klöster beobachtet werden, obwohl es hier regionale Unterschiede gibt. Dennoch wurden bis weit in die Neuzeit hinein weiterhin bedeutsame Ämter von Konversen ausgeübt (72-80).
In Kapitel drei untersucht Gassmann die dokumentierten Tätigkeiten von Konversen. Nach einer Einführung in die Grundsätze zisterziensischer Klosterwirtschaft - vor allem die Bedeutung der Eigenwirtschaft und deren Wandlung wird hervorgehoben (81-89) - stellt er die Bereiche einzeln vor, um dann deren Ausprägung in den Schweizer Klöstern zu ermitteln. Besonderen Raum nimmt die Landwirtschaft ein, mit ihrer spezifischen Organisation in Grangien. Auch der Weinbau, Fisch- und Viehzucht waren hier von Bedeutung (87-128). Den zweitgrößten wirtschaftlichen Schwerpunkt bildete der Handel mit den dafür eingerichteten städtischen Niederlassungen. Nicht allen Schweizer Klöstern gelang es, ein Grangiensystem aufzubauen, und der Übergang zur Zinswirtschaft ließ viele Grangien und Stadthöfe zunehmend zu reinen Zinseinnahmestellen werden - die Eigenwirtschaft wurde schlicht zu unrentabel. Grangien, Winzereien und Stadthöfe wurden von Konversen, die den Titel "Meister" führten, selbständig geleitet. Sie waren dem Cellerar direkt unterstellt und mussten ihm regelmäßig Rechnungen und Bilanzen vorlegen. Gassmann gelingt es, einige bedeutende Grangien- und Stadthofmeister zu identifizieren (128-148). Allerdings hatte jedes Kloster eine eigene Wirtschaftsstruktur, in der "die Aufgaben und Berufsbezeichnungen je nach Kloster unterschiedlich definiert wurde" (212). Gleiches gilt für die handwerklichen Berufe (150-164).
Kapitel vier widmet Gassmann der Diskussion um die Stellung der Konversen. Seit der ersten umfassenden Gesamtdarstellung von Michael Toepfer (1983) hat sich ein sehr differenziertes Bild über den Stellenwert der Konversen für die zisterziensische Klosterökonomie durchgesetzt. Wegen ihrer tragenden und führenden Rolle ist es unbestritten, dass sie wesentlich zum wirtschaftlichen Erfolg des Ordens beigetragen haben. Gassmanns Untersuchungen zu den Schweizer Klöstern bestätigt dieses Bild. Auch wenn sie vom Mönchskapitel und von der Abtswahl ausgeschlossen waren, konnten sie im Rahmen ihrer Ämter in Absprache mit dem Cellerar einflussreiche Funktionen übernehmen, und ein beträchtliches Maß an Mitbestimmung erlangen (165-181, 213).
Seit Toepfers Arbeit sind wichtige neue Quelleneditionen der frühesten Texte des Zisterzienserordens erschienen, darunter die Konversenregeln. Dennoch muss Gassmann konstatieren, dass der spezielle monastische Lebensentwurf der Konversen in der Forschung immer noch vernachlässigt wird (13). Dieser Aufgabe geht Gassmann im fünften Kapitel nach. Anhand der Regeln zeichnet er den genauen Ablauf des Stundengebets (183-188), sowie den Tages- und Wochenablauf der Konversen nach (188-192). Ihr spirituelles Leben wird dann im weiteren Kontext der spirituellen Dimension der Arbeit betrachtet, die bei den Zisterziensern eine Form der Askese und Gottesdienst darstellte.
Das vorgegebene Gebetsleben der Konversen orientierte sich in allen Lebensbereichen an jenem der Mönche: Gebet, Arbeit und Schweigen zeichnete beide Formen des monastischen Lebensentwurfs aus. Das Rezitieren des "Paternoster" durch die Konversen wird in der Regel als "psallere" bezeichnet. Ihr Gebet soll sogar zur Entwicklung und Verbreitung des Rosenkranzes beigetragen haben. Beide Lebensformen werden gleichermaßen durch den ständigen Wechsel zwischen "contemplatio" und "actio" bestimmt.
In den Schweizer Klöstern konnten Kapellen auf den Grangien und in den Stadthöfen nachgewiesen werden. Eine Grangienkapelle wurde gar zu einem Wallfahrtsort, an einer anderen hatte sich eine Schwestergemeinschaft angesiedelt. Schweizer Konversen bauten selbst Kapellen; einer gründete gar eine Eremitenniederlassung (192-203).
Guido Gassmanns akribische Untersuchung der neun Schweizer Zisterzienserklöster - vor allem die Analyse umfangreicher ungedruckter Urkundenbestände - stellt einen wichtigen Beitrag zur immer noch nicht vollständig bearbeiteten Geschichte des Zisterzienserordens in der Schweiz dar. Sie bietet aber auch wertvolles Vergleichsmaterial für Ordensforscher anderer Regionen. Manche Wiederholungen sind aufgrund des Themenumfangs nicht zu vermeiden und sollten nicht allzu kritisch vermerkt werden. Seine Ergebnisse für die Schweiz unterstreichen die Bedeutung der vielgestaltigen Beiträge der Konversen für die Ökonomie einzelner Klöster und für die wirtschaftliche Expansion des Ordens insgesamt. Anders als frühere Studien, die das Augenmerk vornehmlich auf soziale und wirtschaftliche Aspekte richteten, nimmt sich Gassmann auch Zeit und Raum für die Beschäftigung mit den religiös-spirituellen Facetten im Leben dieser Laienbrüder. Durch diese Ergänzung erfährt das Konverseninstitut so seine frömmigkeitsgeschichtliche Einbindung in die religiösen Bewegungen des Mittelalters.
Cornelia Oefelein