Wilfried Posch: Clemens Holzmeister. Architekt zwischen Kunst und Politik, Salzburg: Müry Salzmann 2010, 416 S., zahlr. Fotos, ISBN 978-3-99014-020-8, EUR 29,90
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Über Clemens Holzmeister, einen der bedeutenderen Architekten Österreichs im 20. Jahrhundert, gibt es bis heute nicht sehr viel ausführlichere Forschungsliteratur. Einen monografischen Grundstein legte 1976 Monika Knofler mit ihrer Dissertation über das architektonische Werk Holzmeisters inklusive Werkverzeichnis. [1] Im Jahr 2000 erschien ein Ausstellungskatalog zu Clemens Holzmeister in Innsbruck [2], gefolgt 2008 von einem weiteren Katalog über Holzmeisters architektonisches Wirken in Ankara in den 1930er-Jahren. [3] An der Architektonischen Fakultät der Universität Innsbruck ist beim Archiv für Baukunst unter Christoph Hölz ein Clemens-Holzmeister-Projekt angesiedelt, das den Nachlass des Architekten verwaltet und immer wieder Ausstellungen und Tagungen zu Holzmeister veranstaltet. [4]
Das vorliegende Buch des Architekturpublizisten Wilfried Posch ist die erste ausführlichere Biografie zu Clemens Holzmeister, die den Anspruch erhebt, Holzmeisters Werdegang "zwischen Kunst und Politik" nachzuzeichnen. Aufgeteilt in 15 Kapitel, die chronologisch die Lebens- und Arbeitsstationen Holzmeisters von seiner Kindheit in Tirol, seinen Studien- und Lehrjahren in Wien und Düsseldorf, dem Exil in der Türkei und der Wiederkehr nach Österreich in den 1950er-Jahren wiedergeben, versucht Posch zum einen eine Charakterisierung der Persönlichkeit Holzmeisters und zum anderen eine Darstellung der Entwicklung seines architektonischen Werks. Beides gelingt aufgrund der Kleinteiligkeit der Texte und zu starken Bezogenheit auf die einzelnen Schriftquellen nicht ganz optimal.
Natürlich ist es spannend zu erfahren, wie sich der katholische Tiroler mit brasilianischen Wurzeln, Clemens Holzmeister, aus ärmlichen Verhältnissen stammend, zu dem wohl bekanntesten Architekten Österreichs in den 1920er- bis 1950er-Jahren hoch arbeitete und politisch geschickt dafür seine Kontakte und Netzwerke nutzte. Auch für architektonisch nicht Bewanderte ist sicherlich interessant, dass Holzmeister ab seinem 16. Lebensjahr mit dem berühmten Bergsteiger und Schauspieler Luis Trenker befreundet war und beide zusammen ihr Architekturstudium in Innsbruck begannen sowie zeitweilig ein gemeinsames Büro in Bozen betrieben (111-130). Oder dass Holzmeister aufgrund seiner Berufung zum Professor für Architektur an der Düsseldorfer Kunstakademie, parallel zu seiner Lehrtätigkeit an der Hochschule für Bildende Künste in Wien, zwischen 1928 und 1933 einige interessante Kirchenbauten in Deutschland errichtet hat, wie z.B. Maria Grün in Hamburg-Blankenese (1930), St. Adalbert in Berlin (1933) oder St. Peter in Mönchengladbach (1933). Auch Holzmeisters programmatische Schrift zum Kirchenbau "Kirchenbau ewig neu, Baugedanken und Beispiele" von 1951 erwähnt Posch in diesem Zusammenhang (169).
Sicherlich ist auch Holzmeisters geschicktes Lavieren als beauftragter Architekt zwischen seinen Bauherren, die unterschiedlichen Regierungsformen der Länder Italien, Österreich, Deutschland und der Türkei angehörten, in den bewegten Zeiten zwischen Erstem und Zweitem Weltkrieg, eine differenzierte und akribische Aufarbeitung wert. Schade ist nur, dass dabei die Werke selbst zu kurz kommen: wie das Wiener Krematorium von 1922 (77), das Albert-Leo-Schlageter-Denkmal in Düsseldorf von 1931 (175), die künstlerische Gestaltung des Katholikentages in Wien von 1933 (200), das Regierungsgebäude in Ankara von 1937 für Atatürk (259) oder der Neubau des Festspielhauses in Salzburg von 1960 (293).
Dennoch liegt mit Wilfried Poschs Buch nun eine umfangreiche Biografie Holzmeisters mit aktualisiertem Werkverzeichnis, Quellen-Anhang und Personenregister vor, das neben dem Nachzeichnen der diplomatischen Taktik des Architekten und Professors gleichzeitig ein informatives Bild der komplexen politischen Verhältnisse und Umbrüche in Österreich zwischen den beiden Weltkriegen bietet.
Anmerkungen:
[1] Monika Knofler: Clemens Holzmeister. Das architektonische Werk, Diss. Universität Innsbruck, Innsbruck 1976.
[2] Georg Rigele / Christian Fuhrmeister (Hgg.): Clemens Holzmeister, Ausst.-Kat. Raiffeisen-Landesbank Tirol, Innsbruck 2000.
[3] Horst Hambrusch (Hg.): Clemens Holzmeister: Ankara. Eine Hauptstadt für die neue Türkei, Ausst.-Kat. Schloss Landeck 2008, Innsbruck 2011.
[4] http://archiv-baukunst.uibk.ac.at/.
Stefanie Lieb