Luca Asmonti: Conon the Athenian. Warfare and Politics in the Aegean, 414-386 B.C. (= Historia. Einzelschriften; Bd. 235), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2015, 200 S., ISBN 978-3-515-10901-7, EUR 49,00
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Jedem popkulturell auch nur leidlich versierten Altertumswissenschaftler wird alleine der Titel dieser knappen, bereits im Jahr 2007 eingereichten Londoner Dissertation von Luca Asmonti ein Lächeln auf die Lippen bringen. Dabei wird es allerdings keinesfalls bleiben, denn Asmonti präsentiert eine ebenso knappe wie lesenswerte Darstellung des wenigen, was wir über Konons Leben und seine Rolle in den Geschicken Athens während der letzten Phase des Peloponnesischen Krieges und in den darauffolgenden Jahrzenten wissen. Er beginnt traditionell, mit einem kurzen Abriss über die (dürftigen) verfügbaren Quellen, die Unmöglichkeit einer biographischen Darstellung der meisten antiken Sujets, besonders aber Konons, von dem, mit Ausnahme des kurzen Abrisses bei Cornelius Nepos, keine antike Vita erhalten ist und der in den verfügbaren Hauptquellen, Xenophon und Diodor, häufig in zwei explizit widersprüchliche Narrative eingebunden ist. Die attischen Redner des 4. Jahrhunderts präsentierten Konon als athenischen Helden, das in den Quellen entworfene Bild ist mithin das eines "patriot and skilled seaman", "the hero of the struggle against Spartan hegemony", "a symbol of the political and naval virtues of the Athenians" (23). Dieses Bild will Asmonti zumindest relativieren.
In seiner Einleitung (17-38) skizziert Asmonti dafür zuerst die Ereignisgeschichte des Peloponnesischen Krieges, in dem er "the most extraordinary 'historical signpost'" der griechischen Geschichte sieht.[1] In gebotener Kürze werden die perikleische Strategie der Anfangsjahre, das Abweichen davon, schließlich die sizilische Katastrophe, der Zerfallsprozess des Seebundes sowie der desaströse Sieg bei den Arginusen und die noch desaströsere Niederlage bei Aigospotamoi thematisiert und mit groben Federstrichen der Krieg Spartas zuerst gegen Persien und anschließend gegen eine Allianz von poleis im Korinthischen Krieg gezeichnet, in welcher Zeit Konon als Befehlshaber auf persischer Seite gegen Sparta kämpfte.
Die eigentliche Arbeit ist anschließend in fünf konzise Kapitel gegliedert, von denen sich jeweils eines mit Konons Karriere im Peloponnesischen Krieg (39-66), mit seiner Rolle bei der Arginusen-Schlacht und dem sich anschließenden Prozess (67-94), seinem selbstgewählten Exil im zyprischen Salamis und seiner Rekrutierung durch den Satrapen Pharnabazos (95-130), der persischen Strategie gegen Sparta bis zur Schlacht von Knidos (131-154) und schließlich mit den Ereignissen nach Konons Rückkehr nach Athen und der Gesandtschaft nach Persien, bei welcher Konon inhaftiert wurde und wenig später ums Leben kam (155-178), beschäftigt. Ein abschließendes Kapitel (179-184) fasst die maßgebenden Thesen knapp zusammen, ein Literaturverzeichnis (185-194) sowie ein Namens-, jedoch kein Sach- oder Quellenregister (195-200) runden das Buch schließlich ab.
Inhaltlich geht es Asmonti vor allem um die Beantwortung einiger Hauptfragen: Worauf begründete sich der Ruf Konons als begnadeter militärischer Verwalter und Heerführer? Wieso wurde er nach der Niederlage bei Notion zum Nachfolger des Alkibiades, wahrscheinlich als strategos autokrator? Wie entkam er der kollektiven Bestrafung des Strategenkollegiums im Arginusenprozess? Wie wurde er nach einigen Jahren des Exils auf Zypern zum Befehlshaber der persischen Flotte und welche Politik verfolgte er nach seiner Rückkehr nach Athen im Anschluss an die Schlacht von Knidos?
Viele dieser Fragen wurden bereits an anderer Stelle behandelt, doch gelangt Asmonti zu einer eigenständigen, sich immer wieder von der gängigen Meinung abhebenden Version der Ereignisse. Den militärischen Ruf Konons führt er weniger auf eine taktische Begnadung, als vielmehr auf seine während seiner Zeit als Befehlshaber des attischen Außenpostens in Naupaktos erworbenen diplomatischen und militäradministrativen Fähigkeiten zurück, welche ihm als persischem Admiral zu Gute gekommen seien (131-149). Als einer der Strategen des Jahres 407/6 war Konon während der Schlacht bei Notion mit der Belagerung von Andros beschäftigt und nicht unmittelbar an der athenischen Niederlage beteiligt. Den Grund für seinen Aufstieg zum strategos autokrator sieht Asmonti aber weniger darin, als vielmehr in der athenischen Politik begründet: Mit Thrasybulos habe schließlich ein erfolgreicherer (51) Befehlshaber zur Verfügung gestanden, der aber durch die Ereignisse auf Samos während des oligarchischen Umsturzes von 411 belastet war. Xenophons Bemerkung, von den drei wichtigen Strategen von 407/6 sei Alkibiades noch im Exil, Thrasybulos in Abwesenheit und nur Konon unter jenen, die in der Heimat waren, gewählt worden (Hell. 1.4.10) nimmt Asmonti zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen zur relativen Legitimität der Strategen. Thrasybulos sei auf Samos von einer improvisierten ekklesia der Flotte gewählt worden, der wohl auch Nicht-Bürger und Sklaven angehörten (55-60). Dieses Legitimationsproblem sei dann nach der erneuten Flucht des Alkibiades an die Oberfläche gelangt und Thrasybulos für das Amt des strategos autokrator nicht mehr in Frage gekommen (60-62).
Nach Notion stellte Konon laut Asmonti jene Fähigkeiten unter Beweis, die ihn später zum idealen Befehlshaber der persischen Flotte machen sollten. Da er an der Arginusen-Schlacht nicht beteiligt war, wurde er nicht in jenem berüchtigten Prozess mit zur Verantwortung gezogen, der als Ausdruck der tyrannischen Willkür der athenischen ekklesia notorisch geworden ist. Asmonti interpretiert jenen Prozess aber, in Anlehnung an Christian Meier, im Gegenteil nicht als Willkür, sondern als Ausdruck einer "extreme democratic coherence" (80). Um die Flotte auszurüsten, welche bei den Arginusen siegte, waren die Strategen mit besonderen Vollmachten ausgestattet worden, welche diese nutzen, um auch Sklaven und Fremde mit dem Versprechen der Bürgerrechtsverleihung als Ruderer anzuheuern. Damit, so Asmonti, haben sie allerdings in die Prärogative der Volksversammlung eingegriffen, die nun, nach der Schlacht, ihre Souveränität mit zugegebenermaßen brutalen Mitteln wieder herzustellen suchte (76-82).[2]
Nach der Niederlage bei Aigospotamoi sei Konon schließlich weniger aus "Scham" oder "Kummer", wie die athenischen Quellen des 4. Jh. gerne behaupten,[3] auch nicht aus Furcht vor einer Bestrafung durch seine Mitbürger, sondern vielmehr aus Angst vor spartanischen Repressalien gegen ihn, den erfolgreichen Feldherrn der Schlussphase des Peloponnesischen Krieges, ins Exil gegangen (105-107). In Zypern sei er durch seine Bemühungen im Flottenaufbau für Evagoras, den König von Salamis, ins Augenmerk des persischen Satrapen von Phrygien, Pharnabazos, gelangt. Auch was dessen Rolle in den spartanisch-persischen Auseinandersetzungen wie auch im Korinthischen Krieg angeht, gelangt Asmonti zu einer eigenen Einschätzung: Mit Diodor (14.39.1-3) und gegen die gängige Lesung der übrigen Quellen meint Asmonti, dass die Idee, den Krieg gegen Sparta als strategischen Seekrieg zu führen, nicht von Konon, sondern vielmehr von Pharnabazos, als Teil einer neuen persischen "grand strategy" ausging (120-126). Die Ernennung Konons zum Admiral sei Folge nicht zuletzt auch satrapaler Auseinandersetzungen in Kleinasien gewesen, wo Pharnabazos und Tissaphernes, der persische Oberbefehlshaber (karanos), sich gegenüberstanden. Die neue Strategie des Pharnabazos (126-132) sei damit eine Antwort "to an exquisitely Persian problem" gewesen und habe die Normalisierung der westlichen Grenzregion zum Ziel gehabt (128).[4] Die Zielsetzung dieser Strategie habe sich anschließend auch nach der spartanischen Niederlage bei Knidos gezeigt, als Konon nach Athen zurückgekehrt war und sich die Athener der momentan glücklichen Situation bedienten, um einen Teil ihrer alten imperialen Größe wieder herzustellen (162-174). Dies war nun nicht im Interesse der Perser, die nicht eine Hegemonialmacht (Sparta) gegen eine neue, alte (Athen) austauschen wollten.
Konons Gefangennahme und Tod anlässlich einer Gesandtschaft nach Sardes, wohin die Spartaner ebenfalls ihren Gesandten Antalkidas geschickt hatten, interpretiert Asmonti schließlich als Folge eines neuen satrapalen Konfliktes zwischen Pharnabazos (und Konon) auf der einen, und Tiribazos, dem neuen karanos und Statthalter Lydiens (und Sparta) auf der anderen Seite (166-177). Konons Stellung als athenischer Feldherr im Dienste Persiens, der mit persischem Geld die athenische Vormachtstellung in der Ägäis wiederherzustellen trachtete (162-166), konnte sich auf Dauer nicht mit der Zielsetzung der persischen Seite vertragen, die eine erneute Hegemonialstellung einer griechischen Polis aus Sorge um die Folgen für den Einfluss Persiens auf die ionischen Städte nicht zulassen wollte.
Asmontis Narrative der zwei Jahrzehnte zwischen Peloponnesischem Krieg und dem Königsfrieden von 387 ist überdenkenswert und in sich stimmig. Seine Darstellung ist alleine deswegen schon gewinnbringend zu lesen, weil sie den Ereignissen innerhalb des Perserreiches mehr Aufmerksamkeit schenkt als dies bislang oft der Fall war und persische Handlungen nicht als eine bloße Reaktion auf griechische Aktionen sieht. Asmonti sieht die Initiative zu den großen Umwälzungen dieser Zeit vielmehr letztlich bei den Persern und bei einem Großkönig, "who was in a position to arrange the balance of power, or lack of it, between the poleis at his pleasure" (181).
Anmerkungen:
[1] Dabei ist der "signpost"-Begriff mit M. Dudziak: War-time. An Idea, Its History, Its Consequences, Oxford 2012, 7 zu verstehen, die Kriege als kulturelle Scheidemarke zwischen einem historischen "Vorher" und einem "Nachher" versteht.
[2] Vgl. dazu auch L. Asmonti: The Arginusae Trial, the Changing Role of Strategoi and the Relationship between Demos and Military Leadership in Late-Fifth Century Athens, BICS 49 (2006), 1-21.
[3] Isok. 5.62f.
[4] Vgl. 142: "The Greek problem [gemeint sind die Aufstände und der ständige Kriegszustand in Ionien] harmed Persian interests, not owing to its present intensity, as embodied by the ongoing conflict with Sparta, but because of its chronic nature."
Christian Rollinger