Massimo Firpo: Juan de Valdés and the Italian Reformation, Aldershot: Ashgate 2015, XVI + 261 S., ISBN 978-1-4724-3977-2, GBP 63,00
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Inwiefern ist die italienische Reformation von der Reformation in Italien zu unterscheiden? Worin besteht der Beitrag der italienischen reformatorischen Bewegungen zu den religiösen Kontroversen, die das christliche Europa im 16. Jahrhundert zu spalten drohten? Und schließlich - welche Strategien entwickelten die Anhänger heterodoxer Ideen, um die steigende Kontrolle der Römischen Inquisition vor und während dem Konzil von Trient zu umgehen? Diese Fragen - mit denen eine lange Tradition von Studien wie unter anderen jene von Delio Cantimori oder Salvatore Caponetto und in jüngerer Zeit von Carlo Ginzburg, Adriano Prosperi und Silvana Seidel Menchi sich befasst haben - stehen im Zentrum des vorliegendes Bandes von Massimo Firpo.
Das Buch basiert im Kern auf der englischen Übersetzung von zwei bereits vor ein paar Jahrzehnten erschienenen Texten des italienischen Historikers [1], die dem heutigen Forschungstand entsprechend überarbeitet wurden und um die Ergebnisse der letzten Recherchen des Autors erweitert wurden. Das Ergebnis ist eine kohärente und in vier neue Kapitel gegliederte Arbeit. Firpos These ist schon in der Einleitung klar formuliert (IX-XI): Weder ein humanistisch geprägter 'Evangelismus', noch die Rezeption der Werke von deutschen und schweizerischen Reformatoren, sondern ein komplexes Netzwerk von Personen und Impulsen, die mehr oder weniger in Verbindung mit Juan de Valdés stehen, bestimmt das Proprium der italienischen Reformation.
Valdés, der aus einer spanischen Familie von Conversos stammt, ist das erste Kapitel gewidmet. Nach einem kurzen Überblick über seine frühere Bildung stehen seine Interessen sowohl für den Humanismus von Erasmus und für die Reformation als auch seine Kontakte mit der mystisch gesinnten Alumbrado-Bewegung im Vordergrund: Sie kamen in seinem früheren Werk zum Ausdruck und erregten den Verdacht der kirchlichen Behörden in Spanien, sodass Valdés nach Italien floh. 1531 war er in Rom, ab 1533 in Neapel, wo er bis zum Jahr 1541 wirkte und eine heterogene Gruppe von Schülern um sich sammelte (30-41). Durch persönliche Gespräche und durch stetige Briefwechsel wurde Valdés' Haus zum Zentrum eines religiösen und literarischen Netzwerkes, welches nicht nur Neapolitaner Adlige sondern auch berühmte Protagonisten der einflussreichsten intellektuellen und kirchlichen Eliten Italiens umfasste. Unter seinen Gönnern und Anhängern gab es sogar Erzbischöfe, viele Geistliche, die wie Bernardino Ochino und Pietro Martire Vermigli in den 1540er-Jahren Exulanten religionis causa wurden, und auch Literaten wie Marcantonio Flaminio, der für die Übertragung und Verbreitung von Valdés' Handschriften verantwortlich war. In Valdés' Lehre von der Rechtfertigung durch den inneren Glauben als Gnadengeschenk Gottes zeigten sich spiritualistische Züge, welche die Tür zum religiösen Subjektivismus und sogar zum Nikodemismus öffnen konnten (45-56).
Firpo macht aber klar, dass Valdés' Lehre ohne Wirkung geblieben wäre, wenn es kein gleichgesinntes Rezeptionsumfeld gegeben hätte. Das zweite und dritte Kapitel befassen sich deshalb unmittelbar mit dem uneinheitlichen Charakter der Reformation in Italien. Zunächst versucht der Autor, einen Überblick über die Verbreitung der protestantisch gesinnten Lehre zu bieten: In dieser Hinsicht spielen nicht nur die Debatte zur Sprache und Übersetzung eine wichtige Rolle, sondern auch die spezifischen politischen und kulturellen Kontexte. So ist es vor allem im venezianischen Gebiet, wo heterodoxe Ideen in neuen originellen Konstellationen von erasmianischen, reformatorischen und manchmal sogar spiritualistischen und antitrinitarischen Impulsen auftraten (67-78). Aber auch andere Städte - wie Mantua, Ferrara, Bologna, Lucca oder Modena - boten den Nährboden für eine breite Palette von Trägern und Formen des religiösen Dissens, welche sich nicht immer der zunehmenden Unterdrückung durch die Römische Inquisition entziehen konnten.
Im dritten Kapitel skizziert Firpo die Entwicklung des Valdesianismus im Italien des 16. Jahrhunderts. Es gelingt ihm so zu zeigen, wie die Erneuerungsbewegung auch innerhalb der katholischen Kirche von zwei unterschiedlichen - und bald konkurrierenden - Gruppen vorangetrieben wurde (126-130): Die von Gian Pietro Carafa geleitete Partei strebte nach einer Stärkung der ekklesiastischen Hierarchie und nach der Bekämpfung der Häresie, während die Gruppe um die charismatischen Gestalten der Bischöfe Contarini, Giberti und Pole ein Reformprogramm vertrat, das viele Gemeinsamkeiten mit den lutherischen und reformierten Lehren hatte und deshalb dem Valdesianismus der sogenannten Spirituali Unterstützung versicherte (142-165). Bischöfe wie Vittore Soranzo waren eifrige Leser des Hauptwerkes der Spirituali, des Bestsellers der italienischen Reformation Del Beneficio di Cristo (Venedig 1653). Letztendlich wurde jedoch die rigorose Reformrichtung Carafas in Italien durchgesetzt. Schon mit der Gründung der Römischen Inquisition durch die Bulle Licet ab initio am 4. Juli 1542 und noch stärker mit dem Tridentiner Dekret über die Rechtfertigung im Januar 1547 wurden die Spirituali gezwungen, entweder sich in nikodemitischen Positionen zurückzuziehen, oder die Flucht über die Alpen zu ergreifen.
Insbesondere das abschließende Kapitel ist von hoher Relevanz: Es bietet eine Überarbeitung der jüngeren Studien Firpos zum religiösen Radikalismus, greift aber zugleich die Ergebnisse der neueren Forschungen Luca Addantes [2] auf, um den langfristigen Einfluss des Valdesianismus auf das italienische Täufertum bis hin zum europäischen Antitrinitarismus zu rekonstruieren. Der Autor beschreibt zunächst den Valdesianismus - welcher von der genuinen Lehre des Juan de Valdés' nicht immer gleichbedeutend ist - als wesentliche Komponente des Täufertums Norditaliens. Darüber hinaus bietet Firpo eine genaue Untersuchung der Hinwendung der täuferischen Gemeinden zum Antitrinitarismus auf der Synode von Venedig in 1550 (181-189). Im darauf folgenden Abschnitt geht es um den Beitrag der italienischen Exulanten religionis causa in der Schweiz zur Entwicklung des Antitrinitarismus in Ostmitteleuropa bei den Polnischen Brüdern (Sozinianern) und darüber hinaus zum siebenbürgischen Unitarismus (189-197). Auch wenn die Schriften Valdés' ab 1560 von den reformierten Kirchen systematisch abgelehnt wurden, fand der Valdesianismus nach Firpos Meinung immer wieder Resonanz in Europa und seine Nachwirkungen lassen sich bis zur Frühaufklärung verfolgen (197-207).
Firpos Buch bietet eine umfassende Darstellung des Einflusses des Juan de Valdés' auf die italienische Reformation und darüber hinaus auf den europäischen Protestantismus, auch wenn die einzelnen Protagonisten und Werke etwas summarisch dargestellt sind. Es ist darüber hinaus festzuhalten, dass die These, der Valdesianismus sei der dominante Impuls der Reformation in Italien gewesen, derart hervorgehoben ist, dass die aktive Rezeption des Erasmus und der nordalpinen Reformatoren stark im Hintergrund bleibt und ihre Bedeutung für die italienische religiöse Debatte demzufolge etwas vernachlässigt wird. In dieser Hinsicht helfen die manchmal sehr knappen Quellen- und Literaturverweise nicht immer weiter. Im Ganzen aber bietet der vorliegende Band dem breitem englischsprachigen Publikum eine umfassende und fundierte Einführung in der Reformation in Italien; er erhellt theologiegeschichtliche und historische Zusammenhänge, die bisher kaum beachtet wurden und ordnet Phänomene der religiösen Welt Italiens in den frühneuzeitlichen europäischen Kontext. So kann er hoffentlich zu weiteren Forschungen anregen.
Anmerkungen:
[1] Massimo Firpo: Riforma protestante ed eresie nell'Italia del Cinquecento, Roma / Bari 1993; und die Einleitung zu Juan de Valdés: Alfabeto cristiano, Torino 1994.
[2] Luca Addante: Eretici e libertini nel Cinquecento italiano, Roma / Bari 2010; Luca Addante: Valentino Gentile e il dissenso religioso nel Cinquecento. Dalla Riforma italiana al radicalismo europeo, Pisa 2014.
Stefania Salvadori