Thomas von Taschitzki / Kai Uwe Schierz (Hgg.): Jacob Samuel Beck (1715-1778). Zum 300. Geburtstag des Erfurter Malers, Dresden: Sandstein Verlag 2016, 272 S., 288 Farbabb., ISBN 978-3-95498-195-3, EUR 38,00
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Der 300. Geburtstag von Jacob Samuel Beck, dem zweifellos bedeutendsten Erfurter Maler im 18. Jahrhundert, gab den Anlass, sein Werk erstmals monografisch in einer Ausstellung vom Oktober 2015 bis zum Januar 2016 im Angermuseum zu präsentieren. Der Kurator Thomas von Taschitzki griff hiermit einen Künstler auf, der bislang allenfalls als Randfigur der Barockforschungen rangierte und in den letzten Jahrzehnten einzig mit einer kleinen Einzelschrift behandelt wurde. [1] Da die Vorbereitungen unerwartete Entdeckungen brachten, und da erst die Zusammenschau der Originale in der Ausstellung eine genaue Untersuchung vieler Details versprach, reifte rasch der Plan, den obligatorischen Katalog durch einen erweiterten Begleitband zu ersetzen, der dann Ende 2016 erschien. Die damit allen Interessierten des Themas abverlangte Geduld hat sich, soviel sei gleich gesagt, mehr als gelohnt, denn der vorgelegte Band geht mit seinem reichen, sorgfältig und tiefgründig bearbeiteten Material weit über das hinaus, was Ausstellungskataloge für gewöhnlich beinhalten.
Da von Beck kein Werksverzeichnis vorliegt, vermittelt der Katalogteil mit 90 Positionen (plus 5 Nummern weiterer Künstler) erstmals einen grundlegenden Eindruck der Themenbreite und Qualität von Becks Schaffen, wobei das Verhältnis von 28 Bildnissen, 30 Stillleben, 23 Tier-, Pflanzen- und Jagdstücken sowie 9 dekorativen Malereien, Mythologien, religiösen und Genrestücken repräsentativ für die Zusammensetzung seines Œuvres steht. Klug war die Entscheidung, dem Katalogteil eine reine Bilderstrecke mit großen, hochwertigen Abbildungen (158-234) vorzuschalten und erst hierauf alle Objektangaben und die konzisen Katalogtexte (236-251) folgen zu lassen: Hierdurch wird der Leser zum lustvollen und präzisen Schauen eingeladen, bevor er weitere Details studiert. Hervorragend gelöst und sehr leserfreundlich ist das konsequente Verweissystem der Texte, das nicht nur alle Erwähnungen in den Essays, sondern auch Motivwiederholungen und -varianten, etwa für zahlreiche Stillleben erfasst. Der Anhang (254-272) bietet neben einer tabellarischen Biografie die spärlich überlieferten Dokumente zu Becks Leben in Abbildung und Transkription und zitiert frühe literarische Erwähnungen des Malers, legt also alle Quellen für künftige Forschungen offen.
Dem Leben und Werk des Malers sind sechs Essays gewidmet. So leuchtet Martin Franke die schwierigen Lebens- und Arbeitsbedingungen Erfurter Künstler "zwischen höfischer Kultur und bürgerlicher Lebenswelt" (67) aus (67-83). Festzustellen ist eine wirtschaftliche Stagnation der einst blühenden Handels- und Universitätsstadt, in der im 18. Jahrhundert, wie Einbürgerungslisten belegen, wohl nur 21 Maler Arbeit und Brot fanden, deren Wirken zudem weitgehend unbekannt ist (69). Öffentliche und kirchliche Aufträge waren somit rar; Beck führte etwa lediglich 1735/72 für das Evangelische Waisenhaus im Augustinerkloster insgesamt 38 Totentanz-Gemälde (1872 verbrannt) sowie u.a. wenige Altarblätter für den Erfurter Dom aus. Seine Spezialisierung gerade auf Porträts und Stillleben, mit denen er dann einen über die Stadtgrenzen ausgeweiteten Käuferkreis bedienen konnte, zeigt beispielhaft an, wie sehr hier "die Kunst nach Brot" gehen musste. Aufträge kamen aber auch aus nahe gelegenen Thüringer Residenzen, und Beck malte nicht nur für den Herzog von Sachsen-Weimar "verschiedene Schilderungen" (263), sondern erhielt 1752 den Titel eines Kabinettmalers der Regenten von Sachsen-Gotha-Altenburg. Einträglich waren dann vor allem Porträtaufträge und Dekorationsmalereien für den auf Schloss Molsdorf bei Erfurt residierenden "Emporkömmling" Gustav Adolf Graf von Gotter. Neben dieser breiten historischen Einführung wagt Michael Ludscheidt einen Überblick über das Erfurter Literaturleben der Zeit (141-154), kann dabei jedoch fast nur hypothetische Bezüge zwischen der literarischer Produktion und Becks Schaffen umreißen.
Die beiden Hauptfelder seiner Malerei loten zwei Essays grundlegend aus. Für Becks Bildnismalerei konnte Helmut Börsch-Supan gewonnen werden (15-47). Dieser spürt eingangs verborgene Selbstporträts Becks wie auch Vorlagen zu dem nur in Holzstichen von 1872 überlieferten Totentanz-Zyklus auf; letztere stammen überraschenderweise nicht nur von Antoine Pesne, sondern u.a. auch von Nicolas Largillière und Joachim von Sandrart. Der Autor leuchtet in luzider Weise die Rollenspiele des auf Selbstdarstellung bedachten Grafen Gotter aus, stellt die höfische Porträtmalerei Becks in den Entwicklungskontext dieser Gattung und erläutert schließlich einige seiner Spätwerke am Beispiel überraschend innovativer Künstlerbildnisse, wie das hier erstmals erkannte, mit ikonografischen Verweisen geradezu gespickte Porträt des Weimarer Hofbildhauers Klauer. Dass genaues Betrachten und klares Beschreiben viele weiterführende Einsichten eröffnen kann, demonstriert nachfolgend Gero Seelig anhand von Becks Stillleben (49-65), die fast durchweg durch hohe Qualität und eine "angenehme Sorgfalt" (65) ihrer stofflichen Schilderung auffallen. Da eine zeitliche Ordnung der selten datierten Stücke schwer fällt, arbeitet Seelig deren klar fassbare Typologie heraus. Die reichen Arrangements von Früchten und Gemüse - die übrigens durchgängig richtig bestimmt werden, was keine Selbstverständlichkeit ist - verweisen vielleicht auch auf Erfurts Vorreiterrolle in Gartenbau und Samenproduktion. Deutlicher noch tritt aber jene "malerische Ökonomie" hervor (58), derentwillen Beck einzelne Motive bis zum Selbstzitat wiederholte und variierte - ein Indikator seiner rationell organisierten Werkstatt, über die wir im Übrigen kaum etwas wissen.
Einen weiten thematischen Bogen spannt Thomas von Taschitzki in seinem "gemischten" Beitrag (85-121): Er fragt nach Becks Präsenz auf dem zeitgenössischen Kunstmarkt und bei Sammlern, analysiert die oft geometrische Formgebung seiner Kompositionen, stellt die seltenen Naturstudien und Signaturen des Malers zusammen, widmet sich Schülern Becks und fragt nach möglichen Aufenthalten in Dresden oder Leipzig. Weiterhin kann er für religiöse Auftragswerke Details zur Entstehung und Vorbilder benennen und rundet seine Spurensuche durch Betrachtungen mythologischer und Genrebilder des Künstlers ab. Weitere "Miscellaneen" (123) zu Becks Schaffen steuert Rainer Behrends bei (123-139), der u.a. die bemerkenswerten, wiederum französischen Vorbildern wie auch Werken Pesnes folgenden Tänzerinnenporträts für Graf Gotter vorstellt. Überlegungen zu den vor Ort erhaltenen, dekorativen Malereien in Molsdorf und zu der mittlerweile verstreuten Ausstattung eines Kaufmannshauses am Erfurter Fischmarkt heben weitere Tätigkeitsfelder des Malers hervor. Zu den "besonders schönen Begleiterscheinungen der Erfurter Beck-Ausstellung" (von Taschitzki: 116) zählen schließlich etliche neu entdeckte Werke, darunter das Brustbild eines selbstkritisch, und fast skeptisch blickenden Mannes, wohl ein Selbstporträt, das 2015 vom Angermuseum erworben wurde. Solche Neufunde, vor allem aber die solide Grundlage des zudem sorgsam lektorierten und solide aufgemachten Begleitbandes dürften nunmehr weitere Forschungen zu Beck und der Erfurter Malerei anregen.
Anmerkung:
[1] Martin Franke: Jacob Samuel Beck 1715-1778. Malerei in Erfurt zwischen Tradition und Aufklärung, Erfurt 1999; vgl. auch den Artikel Beck, Jakob Samuel, in: Allgemeines Künstlerlexikon Bd. 8, München 1994, 138f.
Gerhard Kölsch