Norman Housley (ed.): Reconfiguring the Fifteenth-Century Crusade, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2016, XIV + 344 S., ISBN 978-1-137-46280-0, EUR 106,99
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Die Kreuzzugsforschung hat in den letzten Jahren mehrfach darauf hingewiesen, dass mit dem Verlust des Heiligen Landes weder die Planungen noch die Durchführungen von weiteren Kreuzzügen zum Erliegen gekommen waren, im Gegenteil. Die hier vorliegende Aufsatzsammlung widmet sich in acht Beiträgen genau dieser Thematik, wobei der Schwerpunkt auf dem 15. Jahrhundert liegt. Dabei wird der Bogen von der Diplomatie der päpstlichen Kurie, des Deutschen Ordens und der Johanniter, den Kreuzzugsbemühungen der venezianischen Seerepublik, Kreuzzugspredigten bis hin zur Frage nach Ablass und Sündenvergebung vor dem Hintergrund von Kirchenreform, den Abwehrkämpfen gegen die Türken und den Reaktionen auf den Fall Konstantinopels gespannt. Die Autoren weigern sich, den Kreuzzugsbestrebungen des 15. und 16. Jahrhunderts das Etikett von Verfall und Niedergang anzuheften, sondern zeigen im Gegenteil auf, dass die Kreuzzugsbewegung den veränderten Umständen Rechnung getragen und sich regional angepasst hat.
Die ersten beiden Aufsätze sind, obwohl von unterschiedlichem Ansatz und Fragestellung, komplementär ergänzend zu lesen bzw. verstehen. B. Weber analysiert anhand der päpstlichen Diplomatie deren Verständnis der sie umgebenden Welt, hier in einem globalen Sinn zu verstehen, kreisen doch die päpstlichen Gedanken nicht nur um die Mittelmeerregion, sondern greifen auf Afrika und den fernen Osten aus. Seine Hauptthese besteht in der Aussage, die Kurie habe, neben einer Kirchenunion und der damit verbundenen Durchsetzung christlicher Autorität über das Heilige Land, vor allem die Idee verfolgt, nichtchristliche Kräfte in einer Allianz gegen die Türken zu vereinen und so die alte Idee einer zweiten Front gegen diese zu eröffnen. Dies allerdings ist erst mit der Beilegung des Schismas in den 50er Jahres des 15. Jahrhunderts der Fall. N. Housley verfolgt in seinem Aufsatz einen anderen Ansatz. Im Gegensatz zu Webers Analyse der Päpste und deren diplomatischem Ausgreifen in die Welt, konzentriert sich Housley auf Fragen der religiösen Reform, wie sie auf den Kirchenkonzilien von Basel und Konstanz diskutiert worden sind. Sein Fokus liegt auf der Frage, ob Kreuzzug und Kirchenreform, wie so oft in der Vergangenheit, gegensätzliche Zielsetzungen waren, oder ob sie durch die Beilegung des Schismas und die damit erhofften Reformen in der Kirche zu einem erneuten Aufblühen der Kreuzzugsbewegung, allen voran dem Kampf gegen die Türken und einer damit verbundenen Rückeroberung des Heiligen Landes, beitragen würden.
P. Soukoup zeigt in seinem Aufsatz die Problematik der Kreuzzugspredigten und -aufrufe auf und beschäftigt sich dabei einerseits mit der Frage nach der Kirchenreform in Hinblick auf den zu erwartenden Ablass und andererseits mit dem Problem des Ablasswesens selbst. Unklar war man sich über die Zielsetzung und Zweck eines Kreuzzugs: sollte er nur die Seelen retten oder auch militärische Eroberungen einschliessen? Soukoup arbeitet die Problematik von Kreuzzügen gegen Häretiker hervorragend heraus, dabei fokussiert er sich auf bis jetzt unedierte Handschriften.
Das 15. Jahrhundert war geprägt von grossen Herausforderungen und neuen Standortbestimmungen für die beiden verbliebenen grossen, internationalen Militärorden, hatte sich doch nicht nur die militärische, sondern auch die religiöse Komponente verändert. Gleichwohl blieben die beiden Orden immer noch ihren ursprünglichen Zielen und Aufgaben treu. Eine klare Kontinuität zwischen Kreuzzug und Militärorden ist weiterhin feststellbar. Kern der Kreuzzugsidee blieb nach wie vor der Kampf gegen die Ungläubigen, eng gekoppelt an Aspekte des Abwehrkampfes und der Verteidigung. Dabei wurde aber die Verteidigung der eigenen Territorien mit dem Topos einer Verteidigung der gesamten Christenheit verwoben. Der Deutsche Orden etwa behauptete, dass er ohne seine Ländereien in Preussen am Verteidigungskampf der Christenheit nicht teilnehmen könne, während die Johanniter die imminente Bedrohung der Eroberung der Insel durch die muslimischen Feinde als einen ersten Schritt einer grossangelegten Kampagne gegen die Christenheit und den christlichen Glauben beschrieben. J. Sarnowsky unterstreicht dabei die Tatsache, dass es den Johannitern besser als anderen gelang, sich als Abwehrschild der Christenheit zu stilisieren, während der Deutsche Orden sich im Norden mehr und mehr in Kriege gegen die litauisch-polnische Union verwickelt sah. Dieser Abwehrkampf und das Fehlen einer klaren Strategie nach der Bekehrung der Litauer und Samaitaner machten es dem Deutschen Orden unmöglich, sich als Verteidiger der Christenheit zu positionieren.
S. Stantchev zeigt in seinem Aufsatz die Rolle Venedigs im Kreuzzugsbestreben auf, und legt dabei unmissverständlich klar, dass religiöse Ziele immer den kommerziellen Zielen untergeordnet waren. Die Seerepublik entschloss sich beispielsweise erst relativ spät, den Kampf gegen die Türken aufzunehmen und dies erst, als sich die Seerepublik des profitablen Ausgangs des Kriegszugs sicher sein konnte, galten doch wie bisher Genua und die Katalanen als Hauptfeinde der Serenissima. Stantchev unterstreicht, dass, obwohl sich Venedig immer wieder als Stütze der verschiedenen Kreuz- und Kriegszüge zeigte, das Profitbestreben letztendlich ausschlaggebend war - ein Profitstreben, das die Republik aber nicht daran hinderte, an den Kämpfen teilzunehmen. Die einzigen Alternativen für die venezianische Politik in dieser Zeit, so stellt Stantchev klar, waren Krieg oder Frieden, jedoch keine ständig wiederaufflackernden Kriege mit den Osmanen, die zudem geschäfts- und somit profitschädigend waren.
Zwei weitere Artikel beschäftigen sich mit der Balkanregion. Während sich D. I. Mureşan mit Kardinal Bessarion und seinem aussergewöhnlichen Netzwerk, der Verbreitung und dem Einfluss seiner Orationes in Frankreich und im Heiligen Römischen Reich und den Debatten auf dem Grossen Christentag in Regensburg befasst, analysiert und rekonstruiert E. C. Antoche in minutiöser Kleinarbeit die Zweite Schlacht von Kosovo 1448 und bietet dabei Einblicke in Logistik, Aufklärung/Rekognoszierung, Schlachtfeldkommandos und Taktiken sowohl der Christen als auch der Türken.
Der letzte und wie mir scheint auch anspruchsvollste Artikel beschäftigt sich mit den Reaktionen auf den Fall von Konstantinopel, wie sie durch die Schilderung der türkischen Eroberung mit den damit verbundenen Grausamkeiten ausgelöst wurden. Dabei wird die Eroberung Konstantinopels nicht als historisch losgelöstes Phänomen betrachtet, sondern in eine Reihe mit anderen, gut dokumentierten Eroberungen in der Geschichte, wie beispielsweise derjenigen Roms 410, gestellt. Nachgegangen wird der Frage, ob die Antwort auf die osmanische Eroberung der orthodoxen und katholischen Bevölkerung Südosteuropas ein Schritt in Richtung einer Wahrnehmung unveräußerlicher Rechte der Zivilbevölkerung, verbunden mit einer angemessenen Behandlung durch die Eroberer, war.
Abgerundet wird der ausgesprochen lesenswerte Band durch ein informatives Schlusswort des Herausgebers, der offene Forschungsfragen benennt und somit zu weiteren Forschungen anregt.
Patrick Stohler