Alessandro Valignano: Dialogo sulla missione degli ambasciatori giapponesi alla curia romana e sulle cose osservate in Europa e durante tutto il viaggio. basato sul diario degli ambasciatori e tradotto in latino da Duarte de Sande, sacerdote della compagnia di Gesù. A cura di Marisa Di Russo. Traduzione di Pia Assunta Airoldi. Presentazione di Dacia Maraini (= Biblioteca dell' "Archivum Romanicum". Serie I; 450), Florenz: Leo S. Olschki 2016, XVI + 700 S., 45 Farb-, 79 s/w-Abb., ISBN 978-88-222-6435-0, EUR 68,00
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Die Erforschung von 'internationalen Beziehungen' und Diplomatie erlebte ebenso wie die Wissens- und Wissenschaftsgeschichte in den vergangenen beiden Jahrzehnten grundlegende methodische und erkenntnistheoretische Transformationen. Dabei wurden die Generierung und Zirkulation von Wissensbeständen als komplexe Prozesse entschlüsselt, bei denen gerade die Mobilität bestimmter kultureller Vermittlergruppen wie etwa der Gesandten zu einer kontinuierlichen Neuformierung beitrug. In diesem Kontext öffnete sich die jüngere Forschung insbesondere Problemen der interkulturellen Kommunikation und Verflechtung zwischen europäischen und außereuropäischen Gesellschaften und Kulturen sowohl in Hinsicht auf 'diplomatische' Kontakte als auch auf Prozesse von Wissensproduktion und -zirkulation, die nicht selten in Wechselbeziehung zueinander standen.
Was aber überhaupt als 'diplomatischer' Kontakt zu bezeichnen ist, stellt des Öfteren eine keineswegs leicht zu beantwortende Frage dar. Dabei ist zwischen der heutigen wissenschaftlichen Definition und der Perspektive der Zeitgenossen mitunter zu differenzieren. Dies gilt namentlich für die achtjährige, auch als "Tensho-Gesandtschaft" bezeichnete Grand Tour, die vier junge Japaner mit einer Hand voll Begleiter zwischen 1582 und 1590 von Ostasien nach Europa und zurück führte. Wenngleich der erste Japaner nach heutigem Kenntnisstand bereits drei Jahrzehnte zuvor europäischen Boden betreten hatte, übernahm ihre Reise eine Katalysatorfunktion im Prozess der gegenseitigen europäisch-japanischen 'Entdeckung'.
Formalen Kriterien heutiger geschichts- oder politikwissenschaftlicher Kategorisierung zufolge wäre diese auf jesuitisches Betreiben hin zustande gekommene 'Entdeckungsreise', welche die Reisenden mit europäischer Kultur vertraut machen und dadurch Vorbehalte in Japan abbauen helfen, zugleich in Europa selbst für missionarische Belange werben (und dazu Geld 'lockermachen') sollte, sicherlich nicht als eine 'diplomatische' Mission einzustufen. Auch wenn die vier sehr jungen Japaner, Schüler des Jesuiten-Seminars von Arima bei Nagasaki, die auf der 1584 bis 1586 von Portugal durch Spanien und Italien bis nach Rom und zurück führenden Europareise gerade einmal etwa 16 Jahre alt waren, aus hochangesehenen und einflussreichen Familien stammten, war ihnen keinerlei politische Mission übertragen worden.
Zahlreiche Zeitgenossen schätzten sie jedoch anders ein, wozu auch der in Europa unklare soziale Status der Reisenden beitrug, ebenso wie die Interessen der beteiligten europäischen Akteure, die ihren eigenen Status oder (universalen) Herrschaftsanspruch durch die 'diplomatische' Interaktion mit japanischen Vertretern aufgewertet bzw. gestärkt sahen. Empfänge am Hof des spanischen Königs und des Papstes verliehen der kleinen Gesandtschaft jedenfalls ein wahrhaft prunkvolles Gepräge, und diese symbolischen Formen der Inszenierung konstituierten ihre Rolle als 'Botschafter' Japans in Europa. In diesem Sinne ist auch die Bezeichnung als "ambasciatori giapponesi" (japanische Botschafter) im Titel des wenige Jahre nach der Mission publizierten und nun erstmals in einer historisch-kritischen italienischen Edition vorgelegten 'Reiseberichts' zu verstehen.
Bedeutsamer als für die Entwicklung des diplomatischen Verkehrs zwischen europäischen und außereuropäischen Fürsten war die Reise der Japaner jedoch in kultur- und wissensgeschichtlicher Hinsicht. Eine Vielzahl von zeitgenössischen Publikationen begleitete die einzelnen Etappen der Reisenden, machte das europäische Lesepublikum mit deren Heimat vertraut und weckte darüber hinausgehende Neugierde und Interessen. Die Japaner selbst nahmen in einer Vielzahl von Wissensbereichen neue Kenntnisse und Fertigkeiten auf ihre Heimreise mit, damit verbunden einige technische Geräte und andere materielle Objekte. So hielten durch sie in Japan die Druckerpresse mit beweglichen Lettern ebenso Einzug wie mehrere europäische Musikinstrumente.
Der in Form von 34 Dialogen gestaltete, als Kollektivwerk zu klassifizierende 'Bericht' über die Europareise basiert einerseits zwar auf Notizen und mündlichen Auskünften der Reisenden, wurde andererseits aber durch einen Europäer, den Jesuiten Alessandro Valignano, in Goa in kastilischer Sprache verfasst, anschließend von Duarte de Sande, ebenfalls Jesuit, ins Lateinische übersetzt und in dieser Version 1590 in Macao gedruckt. Anders als der Titel suggeriert, war die Grundlage des Textes also nicht ein 'Diarium' oder Tagebuch. Das Zielpublikum stellten des Lateinischen kundige Japaner dar. So wurde der Text etwa in den Missionsschulen eingesetzt. Da nicht in erster Linie die europäische Leserschaft anvisiert wurde, enthält der Text kaum Informationen über Japan. Im Hinblick auf Europa werden hingegen keineswegs nur 'persönliche' Eindrücke der japanischen Delegation verarbeitet, sondern geläufige Angaben im Stil von Reiseführern interpoliert, um ein vollständigeres Bild der besuchten europäischen Länder und Städte zu vermitteln. Eine anfangs geplante japanische Ausgabe kam zeitgenössisch nicht zustande, erst 1942 wurde der Text auf Japanisch publiziert.
Welchem Verfasser dieses Opus zuzuschreiben ist, bildet vor diesem Hintergrund keine einfache, sondern vielmehr eine von der Forschung kontrovers diskutierte Frage. Die Zuschreibung der Autorschaft an Valignano auf dem Titelblatt der besprochenen Edition stellt mithin eine (vereinfachende) Interpretation dar. Im wissenschaftlichen Kommentar selbst wird das Werk jedoch zutreffend als Ergebnis eines Kollektivs gedeutet, in dem Valignano die wichtigste ordnende, ausgestaltende und redaktionelle Rolle zuerkannt wird.
Der "Dialogo" stellt das Resultat vielfältiger interkultureller Kommunikationsprozesse dar, dessen Textur zu entschlüsseln eine ebenso anspruchsvolle wie lohnende Aufgabe darstellt. Doch die Mühe zahlt sich aus: Für die Erforschung inter- und transkultureller Phänomene in der Frühen Neuzeit (sowie ihre Einbindung in die akademische Lehre) handelt es sich um ein Dokument von erstrangiger Relevanz.
Die vorgelegte Edition entspricht höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen. Neben einer durch nicht weniger als 1 054 Anmerkungen erschlossenen, sehr gelungenen italienischen Quellenedition des "Dialogo" besticht der Band durch eine minutiöse Rekonstruktion der Textgenese, eingehende Ausführungen zur Reise und ihrem historischen Kontext, biografische Skizzen zu den beteiligten Akteuren, eine Analyse der europäischen Quellen, insbesondere Chroniken, sowie eine überzeugende Gesamtbewertung der kultur- und wissensgeschichtlichen Bedeutung der Mission, mit Schwerpunkten im Bereich von Musik und Kunst. Kartenmaterial und Abbildungen von großem Wert für das Textverständnis, ergänzende Quellendokumente und ein gediegenes Rahmenwerk, u.a. mit einer sehr guten Chronologie, Bibliografie und einem hilfreichen Register runden das beeindruckende, auf exzellenter Quellen- und Literaturkenntnis fußende, grundgelehrte Werk ab. Selbst der sprachlich gebildete Leser wird durch den mit nicht übersetzten fremdsprachigen, etwa portugiesischen, Zitaten verkomplizierten italienischen Text allerdings vor einige Herausforderungen gestellt.
Besonders hervorzuheben ist die gelungene, ausgewogene doppelte Perspektivierung, durch welche die Bedeutung des kulturellen Austauschs sowohl für den europäischen Blick auf Japan als auch umgekehrt sowie aus den interkulturellen Kontakten erwachsende transkulturelle Phänomene in vorbildlicher Weise herausgearbeitet wird. Obwohl der Quellentext seit 2012 in englischer Übersetzung vorliegt, ist eine (ergänzende) Benutzung der italienischen Edition sowohl zu Forschungs- als auch zu Lehrzwecken dringend anzuraten. Es handelt sich um eine höchstes Lob verdienende editorische und interpretatorische Glanzleistung.
Guido Braun