Anke Te Heesen / Margarete Vöhringer (Hgg.): Wissenschaft im Museum - Ausstellung im Labor (= LiteraturForschung; Bd. 20), Berlin: Kadmos 2014, 249 S., ISBN 978-3-86599-223-9, EUR 26,80
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2010 fand an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen eine Tagung zum Thema "Wissenschaft im Museum - Ausstellung im Labor" statt. Die Tagung versuchte, die Darstellung, Ausstellung und Musealisierung von wissenschaftlichen Objekten in ihrer historischen wie aktuellen Dimension herauszuarbeiten. Während ein erster Schwerpunkt auf der Ausstellung im Labor lag, widmete sich ein zweiter den Auswirkungen einer longue durée der Präsentationspraktiken, die auch heute noch unseren Wissenschaftsalltag bestimmen. "Wie viel Museum steckt in der Wissenschaft?" wurde seinerzeit in der Einladung zur Konferenz abschließend gefragt.
Der vorliegende Sammelband, von zweien der damals drei Ansprechpartnerinnen für die Tagung herausgegeben, ist zwar nicht als Tagungsband gedacht, gleichwohl sind eine Reihe der Referenten aus Tübingen mit Aufsätzen vertreten.
In den elf Artikeln, die im Buch auf eine Weise angeordnet werden, dass sich daraus eine Chronologie der Abfolge der besprochenen Gegenstände ergeben sollte, gehen die Autorinnen und Autoren dem Spannungsverhältnis von Präsentation und Forschung nach. Dieses erscheint auf den ersten Blick nicht unbedingt neu und innovativ, sind doch in den letzten Jahren mehr als genug Sammelbände zur Museumsforschung auf dem Wissenschaftsmarkt erschienen. Auf den zweiten wird der Leser jedoch feststellen, dass es hier um wissenschaftliche Sammlungen, Lehrsammlungen oder Laborpräsentationen u.a. an Universitäten geht. Und dieses Thema fand tatsächlich bislang so gut wie keine Beachtung, verdient also durchaus einen eigenen Band.
Auf eine Einleitung der beiden Herausgeberinnen folgen vier Artikel, bei denen es um Wissenschaftsmuseen und wissenschaftliche Präsentationen geht, die im späten 19. und beginnenden 20. Jahrhundert entstanden sind, oft genug parallel zur Herausbildung bestimmter Disziplinen und Forschungsfelder. Thomas Schnalke befasst sich in seinem Beitrag "Von Präparat zu Präparat" mit Rudolf Virchow und dessen Idee eines dynamischen Körpermuseums. Christian Vogel schreibt unter dem Titel "Das 'Gesamtgebiet der normalen und pathologischen Röntgenanatomie' ausstellen" über "Sammlungswissen und radiologische Arbeitspraxis im 'Museum' des Hamburger Röntgenhauses 1914/15". Martina Dlugaiczyk berichtet über "Architektur im Labor" und damit über die "Lehrsammlungen als Mittel der Wissensproduktion und -kommunikation". Letzter Beitrag dieses Themenkomplexes ist Margarethe Vöhringers Arbeit zu "Sammlung, Ausstellung und Forschung am Darwin-Museum in Moskau".
John Tresch widmet sich August Comte und beschreibt "Die Exposition und Ordnung der Welt in Comtes 'Templo da Humanidade'". In einer weiteren, eher theoretischen Arbeit fragt Bruno Latour "Ist Wissen ein Existenzmodus?" und macht sich stark für das Prozesshafte in Wissenschaftspräsentationen. Bei dieser Arbeit handelt es sich um einen Nachdruck aus dem Jahr 2008. Dem Rezensenten wollte sich allerdings nicht recht erschließen, warum dieser in dem Sammelband von 2014 noch einmal veröffentlicht werden musste.
Die nächsten drei Aufsätze beschreiben Ausstellungsprojekte der letzten Jahre und geben Einblick in die Praxis der Ausstellung und des Kuratierens: Susanne Bauer, Martha Fleming und Jan Eric Olsen berichten unter dem Titel "Im Zwischenraum von Labor und Museum: Eine Ausstellung zur Biomedizin" über ihre kuratorische Arbeit am Medizinischen Museum in Kopenhagen. Elke Bippus geht der Frage nach "Kann man im Ausstellungsraum forschen? Oder: Die Ausstellung zwischen Labor und Verhandlungsraum von Wissen" und überlegt, ob das Konzept des Labors bei Kunstausstellungen sinnvoll eingesetzt werden kann. Anke Te Heesen beschäftigt sich in "Ein Raum voller Gläser. Die Nasspräparatesammlung im Berliner Naturkundemuseum" mit dem Verhältnis von Gesamtinstallation zu Einzelobjekt bei einer naturwissenschaftlichen Schausammlung.
Zum Abschluss des Bandes fragt Ulrike Vedder unter dem Titel "Aus der Nacht des Museums" nach "Wissen und Tod".
Der Rezensent dürfte sicher nicht der erste gewesen sein, dem die starke Konzentration auf naturwissenschaftliche Fächer unangenehm aufgefallen ist. Gerade bei den ersten vier Aufsätzen werden sehr oft die gleichen Perspektiven eingenommen. Anstelle eines "weiteren" Beispiels hätte man sich vielleicht das eine oder andere Mal ein "anderes" Beispiel oder einen Gegenentwurf gewünscht. - Das Buch richtet sich an ein Fachpublikum, das mit diesen verschiedenen Diskussionen in der Museumsforschung vertraut ist. Diesem Fachpublikum aber wird das Buch gewiss zahlreiche Anregungen geben.
Bernd Blisch