Antonella Ghersetti (ed.): Al-Suyūṭī, a Polymath of the Mamlūk Period. Proceedings of the themed day of the First Conference of the School of Mamlūk Studies. (Ca'Foscari University, Venice, June 23, 2014) (= Islamic History and Civilization; Vol. 138), Leiden / Boston: Brill 2017, VIII + 270 S., ISBN 978-90-04-33450-2, EUR 127,97
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Behnoosh Payvar: Space, Culture and the Youth in Iran. Observing Norm Creation Processes at the Artists' House, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2015
Azar Nafisi: Lolita lesen in Teheran, 2.Auflage, München: DVA 2005
Marie-Christine Heinze: Weiblichkeit und öffentlicher Raum im Jemen, Schenefeld: EB-Verlag 2006
Abbas Poya / Maurus Reinkowski (Hgg.): Das Unbehagen in der Islamwissenschaft. Ein klassisches Fach im Scheinwerferlicht der Politik und der Medien, Bielefeld: transcript 2008
Hafiz Boboyorov: Collective Identities and Patronage Networks in Southern Tajikistan, Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2013
Michaela Hoffmann-Ruf / Abdulrahman Al Salimi (eds.): Oman and Overseas, Hildesheim: Olms 2013
Eveline Sint Nicolaas / Valika Smeulders (eds.): Slavery. The story of João, Wally, Oopjen, Paulus, van Bengalen, Surapati, Sapali, Tula, Dirk, Lohkay, Amsterdam: Atlas Contact 2021
Jalāl al-Dïn al-Suyūṭī (1445-1505) gehört (bis heute) zu den bekanntesten ʿulamāʾ der arabischen Welt. Er wuchs in Kairo auf und erhielt dort die für einen künftigen Gelehrten typische Ausbildung in den islamischen Wissenschaften (Recht, Theologie, Hadith-Kunde, Koranexegese etc.) In der Folgezeit unterrichtete er in der Stadt an verschiedenen anerkannten Ausbildungsstätten. Nach 1486 zog er sich mehr oder minder aus dem öffentlichen Leben zurück, nach 1501 lebte er nur noch in seinem Haus auf der Nilinsel Roda. Vier Jahre später ist er dort gestorben Al-Suyūṭī stand schnell in dem Ruf, eine der gebildetsten Personen seiner Zeit zu sein. Es gab kaum ein Thema, zu dem er nicht mehrere Bücher und Abhandlungen verfasste, von den Koranwissenschaften bis hin zu Lexikographie, Pharmazie oder Ernährungslehre. Seine Werke waren in der gesamten muslimischen Welt nicht nur verbreitet, sondern wurden auch in höchstem Maße geschätzt. Allerdings galt al-Suyūṭī unter seinen Zeitgenossen auch als unausstehlich, arrogant und streitsüchtig. Seine Auseinandersetzungen mit Muḥammad al-Sakhāwī (1428-1497) sind in die arabische Literaturgeschichte eingegangen, und selbst die direkte Konfrontation mit den Sultanen Qāʾitbāy (reg. 1468-1496) und al-Ghawrī (reg. 1501-1516) scheute er nicht.
Dank der ausgezeichneten Biographie, die Elisabeth M. Sartain über al-Suyūṭī verfasst hat, wissen wir über sein Leben recht gut Bescheid. [1] Viele seiner zahlreichen Texte sind jedoch noch nicht erschlossen. Vor diesem Hintergrund war es sicher eine gute Idee, ihm im Rahmen der ersten Conference of the School of Mamluk Studies, die vom 23. bis zum 25. Juni 2014 an der Caʾ Foscari Universität in Venedig stattfand, einen ganzen Thementag zu widmen. Die Ergebnisse dieses Workshops liegen nun in Form eines von Antonella Ghersetti sorgsam edierten Sammelbandes vor. Die Beiträge stammen von auf der ganzen Welt verteilten Expertinnen und Experten. Da hier nicht auf alle Artikel detailliert eingegangen werden kann, sei eine kurze Übersicht gestattet: Éric Geoffroy (University of Strasbourg) behandelt ebenso al-Suyūṭīs nicht ganz unkompliziertes Verhältnis zum Sufismus ("Al-Suyūṭī as a Sufi", 8-14) wie Aaron Spevack (Colgate University). Spevack untersucht anhand einer Art persönlichen Manifestos, wie al-Suyūṭī islamisches Rechtsdenken mit dem Sufismus in Einklang brachte. ("Al-Suyūṭī, the Intolerant Ecumenist: Law and Theology in Taʾyīd al-ḥaqīqa al-ʿāliya wa-tashyīd al-ṭarīqah al-Shādhiliyya", 15-46) Widmet sich Takao Ito von der Kobe University der Frage, wie der ägyptische Gelehrte theoretisch wie auch im Alltagsleben zu religiösen Stiftungen stand ("Al-Suyūṭī and Problems of the Waqf", 57-63), so analysiert und kontextualisiert Judith Kindinger (Vrije Universiteit Amsterdam) eine von ihm geschriebene Rechtsstudie zur Frage angemessener Kleidungsvorschriften am Beispiel des ṭaylasān. ("Bidʿa or sunna: The ṭaylasān as a Contested Garment in the Mamlūk Period (Discussions between al-Suyūṭī and Others)", 64-80) Anhand einer Reihe von historiographischen Texten kann Christian Mauder (Institute for Advanced Study, Princeton) zeigen, wie geschickt al-Suyūṭī Kritik an dem Verhalten von Sultanen generell und insbesondere an dem Benehmen der beiden oben genannten Sultane übt. ("Al-Suyūṭī's Stance Toward Worldly Power: A Reexamination Based on Unpublished and Understudied Sources", 81-97) Grundsätzlich war al-Suyūṭï ohnehin der Meinung, dass den Kalifen eine sehr viel größere Autorität zukomme als den Sultanen. Dies geht auch deutlich aus Mustafa Banisters (University of Toronto) Beitrag "Casting the Caliph in a Cosmic Role: Examining al-Suyūṭī's Historical Vision" (98-117) hervor.
Es folgen zwei interessante Artikel, die einen literaturwissenschaftlichen Ansatz verfolgen: Christopher D. Bahl (SOAS, University of London) legt auf sehr überzeugende Weise die narrativen Strategien einer von al-Suyūṭī vorgelegten historiographischen Arbeit offen. ("Preservation Through Elaboration: The Historicisation of the Abyssinians in al-Suyūṭī's Rafʿ shaʾn al-ḥubshān", 118-146) Um seine Arbeitstechniken geht es dann auch in Stephen R. Burges (Institute of Ismaili Studies, London) "Evidence of Self-Editing in al-Suyūṭī's Taḥbīr and Itqān: A Comparison of his Chapters on Asbāb al-nuzūl" (143-181). Burge verdeutlicht am Beispiel von al-Suyūṭīs bekanntem Korankommentar al-Itqān fī ʿulūm al-Qurʾān, dass die in der Vormoderne in Europa wie auch im Nahen Osten durchweg verwendete Kompilationstechnik keine Plagiate erzeugte, sondern durchaus neue und originelle Texte. Das gilt, wie Joel Blecher von der George Washington University nachweist, auch für al-Suyūṭīs ḥadïth-Kommentare. "'Usefulness without Toil': Al-Suyūṭī and the Art of Concise ḥadīth Commentary", 182-200).
Da der mamlukenzeitliche Gelehrte Philologie und Grammatik als seine besonderen Steckenpferde betrachtete, ist es kein Wunder, dass wir aus seiner Feder auch einige linguistische Arbeiten kennen. Francesco Grande (Ca' Foscari University of Venice) weist in seinem Beitrag "History, Comparativism and Morphology: Al-Suyūṭī and Modern Historical Linguistics" (201-226) darauf hin, dass al-Suyūṭīs theoretische und methodische Herangehensweise in vielerlei Hinsicht dem Vorgehen sogenannter moderner Linguisten ähnelt.
Den Abschluss des Sammelbandes bilden zwei Aufsätze zu Texten, die erotische Themen behandeln: Jaakko Hämeen-Anttila (University of Edinburgh), "Al-Suyūṭī and Erotic Literature", 227-240 und Daniela Rodica Firanescu (Dalhousie University, Halifax), "Revisiting Love and Coquetry in Medieval Arabic Islam: Al-Suyūṭī's Perspective", 241-260.
Insgesamt zeigt der Band zum einen, wie weit Jalāl al-Dïn al-Suyūṭīs Interessen reichten, und zum anderen, wie wenig erforscht das Gesamtwerk selbst dieses wirklich bedeutenden und wichtigen muslimischen Gelehrten aus der Mamlukenzeit letzten Endes ist.
Anmerkung:
[1] Elisabeth M. Sartain: Jalāl al-dïn al-Suyūtī. Vol. 1: Biography and Background. Cambridge 1975.
Stephan Conermann