Luigi Catalani / Renato de Filippis (a cura di): Anselmo d'Aosta e il pensiero monastico medievale (= Nutrix; 11), Turnhout: Brepols 2017, 584 S., ISBN 978-2-503-54840-1, EUR 120,00
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Im vorliegenden Band finden sich Untersuchungen, die auf dem XVIII. Kongress der Società Italiana per lo Studio del Pensiero Medievale (SISPM), der vom 5. bis zum 8. Dezember 2009 stattfand, als Vorträge gehalten und für die Publikation überarbeitet wurden. Alle Aufsätze beschäftigen sich mit dem Leben, dem Werk und der Rezeption des Anselm von Canterbury (1033-1109), der zu den zentralen Schlüsselfiguren der Philosophie und Theologie des Mittelalters gezählt werden kann. Der Schwerpunkt des Bandes bildet die Analyse Anselms vor dem Hintergrund seiner Zeit als Mönch, Prior und Abt des Benediktinerklosters Le Bec. Die 24 Aufsätze renommierter italienischer und deutscher Forscherinnen und Forscher widmen sich den Hauptaspekten von Anselms Spekulationen und fokussieren seine theologischen Standpunkte, seine Methodik für den Aufbau systematischen und rationalen Wissens sowie seinen pädagogischen Ansatz, seine politischen Überlegungen und seine Idee vom Mönchtum. Einige weitere Beiträge thematisieren den weit verbreiteten und vielfältigen Einfluss seines philosophischen und methodischen Erbes, das deutliche Spuren bei den größten Denkern des 12. Jahrhunderts hinterließ, wie beispielsweise bei Abaelard, bei Hugo von Saint-Victor oder auch bei Duns Scotus.
Der Band gliedert sich in zwei Kapitel: Das erste, Anselmiana genannt, enthält Beiträge zu bestimmten Aspekten der Philosophie des Erzbischofs von Canterbury, während das zweite (Contesto e fortuna) die Interpretationen und Assimilationen von Anselms Gedanken analysiert, dessen Einfluss auf seine Zeitgenossen und auf spätere Philosophen thematisiert und seine Rezeption sogar im 17. Jahrhundert behandelt.
Das erklärte Ziel der Konferenz und die theoretische Grundlage - was sich auch im Titel des Bandes wiederspiegelt -, ist die Zeichnung eines Anselm-Bildes, in dem er in seinem Umfeld verortet und kontextualisiert wird. Ein Novum in der bisherigen umfangreichen Forschung zu Anselm stellt die Analyse seiner Beziehung zur Klosterwelt dar. Die Herausarbeitung eines Anselmo monaco ist ein Ziel des vorliegenden umfangreichen Bandes. In ihm sollte gerade nicht die "annosa disputa sulla possibilità di distinguere in modo netto tra opere filosofiche e opere teologiche nella produzione di Anselmo" thematisiert, sondern danach gefragt werden, ob "la speculazione anselmiana possa essere proiettata in direzione della teologia speculativa, oppure se non si debba pensare ad Anselmo come coinvolto in una linea di teologia contemplativa, talora sbrigativamente connotata come mistica", ob Anselms Äußerungen also in Richtung spekulativer Theologie hin gedeutet werden können oder ob er nicht als Vertreter einer allzu oft vorschnell als kontemplativ verstandenen Theologie anzusehen ist (77f.). Dieser Ansatz wurde in der bisherigen Anselmforschung nur am Rande verfolgt und stellt ein vielversprechendes Vorhaben dar.
Aufgrund der umfangreichen Beiträge sollen im Folgenden einige davon nur mit wenigen Stichwörtern erwähnt werden. Die philosophischen Quellen Anselms werden intensiv auf aristotelische und augustinische Momente von Giulio D´ Onofrio (17-76) und Inos Biffi (107-121) analysiert. Anselms Beziehung zur Welt und sein Wirken in der Politik wird von Italo Sciuto (137-159) und Matteo Zoppi (161-190) erörtert. Alessandro Ghisalberti (77-105) untersucht das Werk Anselms auf die Begriffe ratio und fides. Armando Bisogno (123-135) zieht Linien zwischen den Bereichen Bildung und Pädagogik im Werk des Erzbischofs von Canterbury. Über den Willensbegriff in den anselmischen Schriften referiert Pietro Palmeri (191-209) und über Anselms spekulative Theologie Silvio Tafuri (211-235).
Die bekannte Schrift Anselms Cur Deus Homo wird sowohl von Roberto Nardin (249-264) als auch von Marcella Serafini (265-292) analysiert; während der Erstgenannte für eine monastische Lesart der Abhandlung plädiert, macht sich die Zweitgenannte für eine christozentrische Lesart stark. Des Weiteren analysiert Luigi Catalani (301-323) den Briefwechsel Anselms vor dem Hintergrund von dessen Erfahrungen als Abt von Le Bec. Über das philosophische und theologische Erbe Anselms im Denken und Werk von Hugo von Saint Victor und Abaelard - unter besonderer Berücksichtigung einer mystischen Beziehung zwischen Gott und dem Menschen in Christus - arbeitet Pierfrancesco De Feo (359-370) in seinem lesenswerten Beitrag. Maria Borriello (423-447) hingegen analysiert die Rezeption von Anselms Zeit als Mönch im 12./13. Jahrhundert, während sich Angelo Maria Vitale (505-523) mit der Anselmrezeption in der Renaissance beschäftigt.
Eine Analyse der Figur des Benedikt von Aniane zeigte das Wiederauftreten einiger zentraler monastischer Themen zwischen 750 und 850, das Fabio Cusimano (327-358) in seinem Aufsatz ausführt.
Sowohl die genannten als auch die ungenannten Beiträge machen deutlich, dass die Philosophie und Theologie des Benediktinerabtes von Le Bec keine linearen und eindeutigen Lesearten erlauben. Die Person Anselms von Canterbury sowie die Pluralität und Komplexität seines Werkes spiegeln sich in der Konzeption des Bandes sowie in den einzelnen Beiträgen wider. Auf diese Weise entsteht ein akribisches Bild des Theologen und Philosophen. Die aktuelle Forschung zu Anselm wird durchgehend rezipiert, kritisch kommentiert und auf diese Weise weitergeführt. Der Band verfügt über ein Namensregister (565-582) sowie über ein Register biblischer Stellen (583-584).
Der vorliegende, von den Professoren Luigi Catalani und Renato de Filippis von der Universität von Salerno herausgegebene Band markiert aufgrund der vielfältigen Forschungsansätze sowie der interessanten Erträge der einzelnen philosophisch-theologischen Analysen einen Meilenstein innerhalb der Studien zu Anselm von Canterbury, seiner Zeit und seiner Interpretation der Welt. Zu bedauern ist es daher, dass der Band ausschließlich einem Kreis offensteht, der des Italienischen mächtig ist. Angesichts eines solchen Vorhabens wäre es ratsam gewesen, neben den italienischen Abstracts am Ende des Bandes (541-564) auch englische Übersetzungen hiervon zur Verfügung zu stellen.
Joachim Werz