Lydia Klöppel (Hg.): Standfest. Bibelfest. Trinkfest. Johann Friedrich der Großmütige - Der letzte Ernestiner Kurfürst, Regensburg: Schnell & Steiner 2018, 277 S., 147 Farb-, 23 s/w-Abb., 3 Tbl., ISBN 978-3-7954-3378-9, EUR 24,00
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Die Bedeutung der Stadt Torgau mit Schloss Hartenfels im Spätmittelalter und der Reformation steht außer Frage. Der zu besprechende Begleitband zur gleichnamigen neukonzipierten Dauerausstellung dient zum einen der Vertiefung der einzelnen Themenkomplexe, zum anderen der überregionalen Vermarktung von Stadt, Schloss und Ausstellung.
Museen mit historischen Ausstellungen haben jenseits von Landesausstellungen oder überregional relevanten Jubiläen generell Schwierigkeiten, wahrgenommen zu werden. So bedeutsam der Ort bzw. der Bestand aus einer historischen Perspektive auch sein mag, reicht die heutige Strahlkraft oft nicht über einen regionalen Rahmen hinaus, besonders in touristisch eher marginal frequentierten Regionen. Museologen und Ausstellungsmacher stehen hier vor einem grundsätzlichen Problem, denn letztlich zählen nur die Besucherzahlen. Alle diese Aspekte verschärfen sich bei der Konzeption und Umsetzung von Dauerausstellungen. Während Sonderschauen zu speziellen Themen mit dem Argument der Einmaligkeit, mit exzeptionellen Leihgaben und überregionalen Werbemaßnahmen Besucher anziehen können, muss das bei langfristigen Ausstellungen nicht zwangsläufig der Fall sein. Die Ergänzung von Dauerausstellungen mittels eines Begleitbandes ist durchaus eine Möglichkeit, deren Wirkungen und Wahrnehmung zu potenzieren.
Eine Aufsatzsammlung zu einer Dauerausstellung, die sich vornehmlich an den historisch interessierten Laien richtet, ist immer eine Gratwanderung zwischen Anschaulichkeit, Vermittlung von historischem Wissen und wissenschaftlichem Anspruch. Das beginnt bei der Konzeption des Bandes und setzt sich bei der Umsetzung der einzelnen Beiträge fort. Hier einen goldenen Mittelweg zu finden, ist nicht immer einfach.
Der von Lydia Klöppel herausgegebene Band umfasst 11 Beiträge und ist durch ein Namens- und Ortsregister erschlossen und umfangreich bebildert. André Thieme widmet sich einer allgemeinen historischen Einordnung, in deren Mittelpunkt die Dynastie der Wettiner, deren Entwicklung im 15. und 16. Jahrhundert, besonders im Hinblick auf die Landesteilungen und die Reformation stehen (9-33). Der umfangreiche Beitrag bietet eine solide, wenn auch vielleicht im Detail diskussionswürdige Grundlage. Mit einem Schwerpunkt auf dem Frauenzimmer beschäftigt sich Frank Schmidt mit dem Leben in der Residenz (35-59). Bau- und kunsthistorische Aspekte, unter besonderer Berücksichtigung wandfester Ausstattungen, sind Gegenstand der Beiträge von Nadja Kühne / Mechthild Noll-Minor (61-84) und Daniela Arnold / Marie Heyer (85-92). Lydia Klöppel widmet sich den kurfürstlichen Gemächern als Ort der herrschaftlichen Repräsentation (93-126). Wiederum bauhistorische Aspekte, hier verbunden mit archäologischen Befunden, stehen im Mittelpunkt des Beitrages von Dirk Schumann (127-156). Die Nutzung von Schloss Hartenfels als Kaserne und Teil der Festung Torgau im 19. Jahrhundert ist Gegenstand der Ausführungen von Uwe Niedersen (157-180). Mit Aspekten der Ausstellungsgestaltung beschäftigen sich die Beiträge von Daniel Sommer (181-188) und Tobias Knobelsdorf (189-215). Erneut bauhistorischen Fragen ist der Beitrag Maria Aranda Alsonsos (217-243) zur Rekonstruktion der Flaschenstube gewidmet. Lydia Klöppels abschließender Beitrag stellt die Torgauer Schlosskapelle als Prototyp des lutherischen Kirchenbaus in den Mittelpunkt (245-264).
Bei dieser Übersicht fällt zunächst das Übergewicht der bau- und kunsthistorischen Beiträge ins Auge. Das ist zwar durchaus nachvollziehbar, führt aber gleichwohl zwangsläufig zu Überschneidungen und Redundanzen. Von inhaltlichen Aspekten abgesehen, etwa im Hinblick auf die Flaschenstube, die zum einen substantieller Teil des Beitrages von Nadja Kühne und Mechthild Noll-Minor ist (besonders 74-81), zum anderen von Maria Aranda Alonso nochmals thematisiert wird, sind die mehrfachen Verwendungen gleicher Abbildungen auffällig. Die im Vorsatz abgebildeten beiden Ansichten der Schlosskirche sind erneut im Beitrag Lydia Klöppels zum lutherischen Kirchenbau (247) und nochmals in der Übersicht am Ende desselben Aufsatzes (262, ohne Paginierung) zu finden. Weitere Beispiele für Mehrfachabbildungen: 69 und 88, sowie 199 und 222. Ähnlich wie bei den inhaltlichen Überschneidungen wäre eine sorgfältigere Redaktion nicht von Nachteil gewesen.
Das betrifft durchaus auch die Anordnung der Beiträge. Gerade im Hinblick auf die tatsächlichen oder vermeintlichen Innovationen der Ausstellungskonzeption wäre es durchaus sinnvoll gewesen, die entsprechenden Ausführungen an den Beginn des Bandes zu stellen. Die von Daniel Sommer vorgestellte Konzeption der Dauerausstellung erscheint dem Rezensenten mit unterschiedlichen Konzessionen an verschiedene Interessen als Beispiel dafür, was vielleicht eher vermieden werden sollte. Den Rundgang auf 60 Minuten zu konzipieren, damit die Besucher auch vielleicht noch die anderen Angebote weiterer Institutionen nutzen (181), stellt den möglichen Erkenntnisgewinn entlarvend in den Schatten eines wirtschaftlich-touristischen Nutzens. Damit wird eine kaum verzeihliche Geringschätzung des Besuchers verbunden: "Damit dies gelingt, muss die Ausstellung einen leicht verständlichen, zeitlich begrenzten Rundgang anbieten" (ebd.). Auch der historisch interessierte Laie ist durchaus in der Lage komplexe Sachverhalte zu verstehen und einzuordnen. Auch der Hinweis auf das anvisierte jüngere Zielpublikum geht hier am Kern vorbei. Es ist ein Trugschluss, dass alles leicht und verständlich sein muss. Die eigene Erschließung einer Ausstellung, wie im Übrigen auch die selbständige Lektüre, dürfen durchaus mit geistiger Aktivität und einer gewissen Anstrengung verbunden sein. Daneben ist es weniger die Aufgabe der Ausstellungskonzeption als vielmehr der Museumspädagogik, die Ausstellung auch jüngeren Besuchern näher zu bringen. Die hier dargestellte, als Innovation angepriesene systematische Unterforderung des Besuchers - enge zeitliche Begrenzung auf die Jahre 1544-1547 (183), Reduzierung der historischen Zusammenhänge auf wenige Personen mit eindeutiger Rollenverteilung (184), multimedial bebildert um gar keinen Interpretationsspielraum aufkommen zu lassen, der der "Dramaturgie" oder "Story" der Ausstellung im Weg stehen könnte - lässt den Historiker kopfschüttelnd zurück. Dazu passt auch, dass die spätere Nutzung als Garnison, die auch Teil der Ausstellung ist, offenbar aber nicht in die Dramaturgie eingefügt werden konnte, nur auf einer Abbildung am Rand (187) und in einem Halbsatz (188) auftaucht.
Auch die anderen Aufsätze entschädigen hier nur bedingt. Dem Historiker bringt der Band wenig Erhellendes. Die bauhistorischen Ausführungen, die dem Fachmann viel zu bieten haben, lassen selbst den interessierten Historiker etwas ermüden. Hier ist fraglich, ob sie für den historisch interessierten Besucher, der sich mittels der Lektüre des Bandes weiter informieren möchte, letztlich hilfreich sind. Eine etwas andere Konzeption des Bandes, angefangen von der Anordnung der Beiträge über die thematische Gewichtung bis hin zur Redaktion hätte vielleicht zu einem dauerhafteren Ergebnis führen können. Letztlich ermuntert die Lektüre des Bandes nicht unbedingt dazu, den Weg nach Torgau anzutreten. Das läuft aber nicht nur der Intention des Bandes und der Ausstellung entgegen, sondern ist auch mit Blick auf das Schloss, die Stadt und deren historische Bedeutung bedauerlich.
Holger Kürbis