Sabine Frommel: Giuliano da Sangallo. Architekt der Renaissance. Aus dem Italienischen übersetzt von Imke Wartenberg in Zusammenarbeit mit der Autorin, Basel: Birkhäuser Verlag 2019, 460 S., 40 Farb-, 148 s/w-Abb., ISBN 978-3-0356-0926-4, EUR 99,95
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.
Ulf Sölter (Hg.): Italien so nah. Johann Anton Ramboux (1790-1866), Köln: Wienand 2016
Thomas DaCosta Kaufmann: Art and Architecture in Central Europe 1550-1620. An annotated bibliography. In collaboration with Heiner Borggrefe and Thomas Fusenig, Marburg: Jonas Verlag 2003
Jonathan Dumont / Laure Fagnart: Georges Ier d'Amboise. 450-1510, Une figure plurielle de la Renaissance. Actes du colloque international tenu à l'université de Liège les 2 et 3 décembre 2010, Rennes: Presses Universitaires de Rennes 2013
Das Buch ist die deutsche Version einer 2014 als Neujahrsgabe der Florentiner Sparkassenstiftung erschienenen Künstlermonografie. Hierbei handelt es sich um eine für den italienischen Markt spezifische Form der Publikationsförderung, zu der auch die Veröffentlichung von Zeitungen und Zeitschriften gehören, wie zum Beispiel der vorzügliche Band von Maria Beltramini zur Architektur der italienischen Frührenaissance. [1]
Giuliano da Sangallo (um 1445 - 1516), zunächst Schreiner (legnaiolo) und dann einer der prägendsten Architekten seiner Zeit, ist der Held des Buches. Organisiert ist es nach dem klassischen Muster der Künstlermonografie zu "Leben und Werk" - so auch der Untertitel. Die Abbildungen sind zum Teil Neuaufnahmen und mitunter auch sehenswert, die Schriftquellen sind als Anhang in Form von Regesten wiedergegeben. Nach dem klugen und eleganten, 1943 veröffentlichten Büchlein über Giuliano von Giuseppe Marchini [2] ist es die zweite Monografie zum Künstler. Und tatsächlich rechtfertigt der geradezu enorme Wissenszuwachs der letzten Dekaden den neuerlichen Versuch in jedem Fall: Nimmt man beispielsweise den an der Piazza S. Croce in Florenz gelegenen Palazzo Cocchi, dann weiß man eigentlich erst seit 1995, wie überlegt dieser mit seinem Theatermotiv des piano nobile die antike Tradition der Stadt aufruft und konkret an das Amphitheater erinnert, dessen ehemalige Außenkante die Palastfassade markiert. [3] Nicht durch zeitgenössische Schriftquellen fundiert und auch in Vasaris Viten nicht erwähnt, hat sich die Zuschreibung an Giuliano da Sangallo seit 1995 ohne Widerspruch durchgesetzt. [4] Sie erhellt dessen frühe Karriere und lässt ihn von Beginn an als professionellen Baumeister erscheinen, der sensibel mit Bausubstanz umzugehen wusste und offenbar ein waches Verständnis für die Bedeutungsdimensionen von Architektur hatte. Die Zuschreibung basiert - wie so häufig in der Kunstgeschichte - auf einer eher grundsätzlichen Konstruktion der Künstlerpersönlichkeit und lässt das Werk dann wiederum als eine Facette dieser Persönlichkeit erkennen. Eine zentrale Frage ist in diesen Zusammenhängen die Datierung. Hier entscheidet sich die Architekturhistorikerin Sabine Frommel für eine relativ frühe zeitliche Ansetzung zwischen 1474 und 1480. Nur lapidar, aber vollkommen überzeugend begründet (54), ist das nicht ohne Brisanz. Schließlich hatte man die Bauzeit bislang satte zehn Jahre später angenommen. [5]
Obwohl auf den Wunsch einer "ganzheitlichen Betrachtung" zurückgehend (6), lässt das Buch die Mitarbeit Giulianos an Festungsanlagen aus. Die sogenannten Urbino-Panels, die berühmten drei Tafeln mit Architekturmotiven, werden hingegen mit einbezogen, da sie "Giuliano näher als jedem anderen Meister seiner Zeit stehen" (324). Das ist nicht unumstritten, wie man letztlich für viele Details der Diskussion nicht umhinkommen wird, die umfängliche Forschung in den Blick zu nehmen, unter anderem eine Aufsatzsammlung aus dem Jahr 2017. [6] Außerdem noch ausstehend ist die Publikation der Tagungsakten des Kolloquiums "Giuliano da Sangallo 1516 - 2016", das im November 2016 am Kunsthistorischen Institut in Florenz stattfand.
Gleichwohl ist das Buch von Sabine Frommel jetzt erste Referenz für Giuliano da Sangallo. Überraschend erschienen mir bei der Lektüre besonders die psychologisierenden Deutungen der Persönlichkeit des Künstlers, so etwa seines "liebenswerten und einfühlsamen Wesens" (25), oder dass er es "zweifellos mit einer gewissen Besorgnis" gesehen habe, "wie seine Erfindungen von seinem jungen talentierten Schüler Cronaca in den Schatten gestellt wurden" (16).
Anmerkungen:
[1] Maria Beltramini: Brunelleschi e la Rinascita dell'Architettura (= Il Sole 24 Ore, I Grandi Maestri dell'Arte; Bd. 28), Florenz 2008.
[2] Giuseppe Marchini: Giuliano da Sangallo [= Monografie e studi / Istituto di Storia dell'Arte Firenze; Bd. 3], Florenz 1942 [erschienen] 1943.
[3] Vgl. Giampaolo Trotta: Palazzo Cocchi Serristori a Firenze, Florenz 1995.
[4] Vgl. etwa Christoph Luitpold Frommel: Die Architektur der Renaissance in Italien, München 2009, 70.
[5] Trotta 1995, 47.
[6] Amadeo Belluzzi / Caroline Elam / Francesco Paolo Fiore (Hgg.): Giuliano da Sangallo, Mailand 2017.
Alexander Markschies