Rezension über:

Heinrich Kramer (Institoris): Der Hexenhammer. Malleus maleficarum. Kommentierte Neuübersetzung, hrsg. und übersetzt von Günter Jerouschek, Wolfgang Behringer, München: dtv 2000, 864 S., ISBN 978-3-423-30780-2, EUR 16,50
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Wolfgang Behringer (Hg.): Hexen und Hexenprozesse in Deutschland, 4., überarb. und aktual. Auflage, München: dtv 2000, 528 S., ISBN 978-3-423-30781-9, EUR 13,50
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Friedrich von Spee: Cautio Criminalis oder Rechtliches Bedenken wegen der Hexenprozesse. Mit acht Kupferstichen aus der "Bilder-Cautio". Aus dem Lateinischen übertragen und eingeleitet von Joachim-Friedrich Ritter. 6., erw. Aufl., München: dtv 2000, XLIII + 308 S., ISBN 978-3-423-30782-6, EUR 11,50
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Rezension von:
Klaus Graf
Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg/Brsg.
Redaktionelle Betreuung:
Gudrun Gersmann
Empfohlene Zitierweise:
Klaus Graf: Quellen zur Geschichte der Hexenverfolgung (Rezension), in: sehepunkte 2 (2002), Nr. 4 [15.04.2002], URL: https://www.sehepunkte.de
/2002/04/3571.html


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Diese Rezension erscheint auch in PERFORM.

Quellen zur Geschichte der Hexenverfolgung

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Im handlichen Dreierpack und einheitlicher Aufmachung präsentiert dtv drei fundamentale Quellenbände zur Geschichte der Hexenverfolgungen.

I. Die Neuübersetzung des Hexenhammers

Allzu lange hat man sich mit der bei dtv wiederholt aufgelegten Hexenhammer-Übersetzung von J. W. Richard Schmidt begnügen müssen, deren wissenschaftliche Unbrauchbarkeit schon kurz nach ihrer Erstveröffentlichung 1906 bemerkt wurde [1]. Die nun vorliegende Neuübersetzung ist eine bedeutsame wissenschaftliche Leistung, die geeignet ist, die Beschäftigung mit dem Hexenhammer auf eine neue Grundlage zu stellen.

Die Ausgabe enthält eine außerordentlich umfangreiche Einleitung von Jerouschek/Behringer: "Das unheilvollste Buch der Weltliteratur"? Zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des Malleus maleficarum und zu den Anfängen der Hexenverfolgung (9-98). Sie ist nunmehr die maßgebliche Darstellung zu diesem viel behandelten Werk [2], dessen Speyerer Erstdruck plausibel in den Dezember 1486 gelegt wird, und zu den von Heinrich Kramer/Institoris, der überzeugend als alleiniger Autor präsentiert wird, initiierten Verfolgungen in den frühen 1480er-Jahren. Zu beachten ist auch ein Nachweis archivalischer Quellen zu Verfolgungen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts im Anhang (799-802).

Bedauerlicherweise widmet sich die Einleitung aber nicht allen relevanten Aspekten des Werks, denn obwohl sich der Germanist André Schnyder in mehreren Publikationen intensiv mit der narrativen Organisation und der erzählerischen Qualität des Hexenhammers auseinandergesetzt hat, ignorieren die Herausgeber diese Forschungen und damit auch die Literarizität des Textes. Mit Stillschweigen übergangen wird so beispielsweise Schnyders provozierendes Urteil, die Verfasser - nunmehr lies: Kramer - würden, wäre nicht der Inhalt ihres Werks, "zweifellos längst und zu Recht als Erzähler von nicht geringem Rang gefeiert" [3]. Ebenso hätte man gern ein wenig mehr über das wissenschaftliche Niveau des Hexenhammers und seine Einordnung in die scholastische Literatur seiner Zeit erfahren.

Die von Werner Tschacher, durch seine Promotion zu Johannes Nider bestens ausgewiesen [4], erstellte und von Behringer/Jerouschek überarbeitete Übersetzung fußt auf dem lateinischen Speyerer Erstdruck. Beigegeben sind - hochwillkommene - Nachweise der von Kramer zitierten Quellen und ein bescheidener, aber ausreichender Sachkommentar. Bei den Quellenangaben setzt die Ausgabe vornehm voraus, dass jeder weiß, wie er beispielsweise "Alexander von Hales, Summa theologica 2,1,2,3,2,3,3,3, Solutio" findet (421) - ein eigenes Quellenverzeichnis fehlt, und die ermittelten Quellen sind auch nicht über das Register suchbar. Ebenso wenig erfährt man, was es mit Anmerkungen wie "Exempel Konstanz 12, Ravensburg 9" auf sich hat.

Dass der Text der Übersetzung selbst doch nicht so weit von der geschmähten Schmidtschen Übertragung entfernt ist, wie man meinen sollte, mag ein willkürlich herausgegriffener Textvergleich zeigen:

Jakob Sprenger/Heinrich Institoris, Der Hexenhammer (Malleus maleficarum). Aus dem Lateinischen übertragen und eingeleitet von J. W. R. Schmidt, München 1982 (Nachdruck der Ausgabe Berlin 1906), Teil 2, 147 (II/1, 14): "Da der Apostel sagt: "Kümmert sich denn Gott auch um die Ochsen?", womit er andeuten will, daß, wenn auch alles der göttlichen Vorsehung unterliegt, so Menschen wie Tiere, indem er beide nach seinem Maße bewahrt, wie der Psalmist sagt, doch die Söhne der Menschen unter dem Schutz und Schirm der Flügel mehr gelenkt werden; und wenn ich sage, die Menschen werden mit göttlicher Zulassung durch die Hexer betrübt, Unschuldige, Gerechte und Sünder, die Eltern schließlich an den Söhnen, die diesen gehörende Besitzstücke sind; und da auch Haustiere und Feldfrüchte in ähnlicher Weise als Besitzstücke der Menschen gelten: so soll a fortiori niemand zu zweifeln wagen, daß mit Beihilfe der göttlichen Zulassung auch ihnen durchaus von den Hexen mancherlei Schädigungen angetan werden können."

Und nun die dtv-Ausgabe (483): "Der Apostel sagt: "Kümmert sich Gott etwa um die Ochsen?", womit er er andeuten will, daß, wenn auch alles der göttlichen Vorsehung unterliegt, sowohl Menschen als auch Haustiere, indem er beides nach seinem Maße bewahrt, wie der Psalmist sagt, doch die Söhne der Menschen unter dem Schutz und Schirm der [göttlichen] Flügel mehr umsorgt werden; und wenn ich sage, die Menschen werden mit göttlicher Zulassung durch die Zauberer betrübt, Unschuldige, Gerechte und Sünder, die Eltern schließlich an den Söhnen, die diesen gehörende Sachen sind; und da in ähnlicher Weise Vieh [und] Feldfrüchte als Sachen der Menschen gelten, so soll sich niemand anmaßen zu bezweifeln, daß mit göttlicher Zulassung auch über jene von den Zauberern und Hexen Schäden verhängt werden können."

Die alte wie die neue Übersetzung bietet an der zitierten Stelle keinen leicht lesbaren Text, dessen Sinn sich beim ersten flüchtigen Lesen erschließen würde. Die Lektüre bleibt anstrengend (was natürlich vor allem am scholastischen Latein der Vorlage liegt)!

Ein umfangreiches Register erschließt den höchst verdienstvollen Band, auch wenn ich gestehen muss, dass mir Formulierungen wie im Schmidtschen Register "Schlange, unter die Schwelle gelegt, bringt Fehlgeburt" (Teil 3, 243) oder "Weidenzweige, am Stalle aufgehängt" (ebenda, 246) aus der Sicht der Erzählforschung sympathischer sind als einfach nur "Schlange" oder "Zweige" wie in der neuen Ausgabe.

II. Der Quellenband Behringers

Es spricht für die Qualität dieser 1988 erstmals vorgelegten Quellensammlung, dass sie schon die vierte Auflage erlebt. Mit ihrer Mischung aus Darstellung und Quellenpräsentation stellt sie eine ausgezeichnete Möglichkeit für den nicht vorgebildeten Leser dar, sich mit den Hexenverfolgungen quellennah auseinander zu setzen. Doch auch die wissenschaftliche Hexenforschung schätzt den Band als Standardwerk. Die neue Auflage ist dem Stand der Forschung angepasst und durch eine Literaturliste der wichtigsten Arbeiten 1995-2000 (496-499) ergänzt worden.

Es ist Wolfgang Behringer gelungen, die vielfältigen Aspekte des Themas in den Quellen zu Wort kommen zu lassen. Eine Reihe von Texten sind sogar archivalischen Vorlagen oder seltenen Altdrucken entnommen. Besonders hervorgehoben seien die Auszüge aus gedruckten "Hexenzeitungen" des 16. und 17. Jahrhunderts sowie aus literarischen Werken. Sehr hilfreich ist das abschließende Register (Personen, Orte, Sachen).

Ohne eine gewisse Skrupellosigkeit hätte ein solcher Quellenband wohl kaum mit vertretbarem Aufwand erstellt werden können. Dass die Mängel, die bei der intensiven Beschäftigung mit den Texten sich unbehaglich in den Vordergrund drängen, in der vierten Auflage nicht entschieden ausgemerzt worden sind, verstimmt doch ein wenig.

Allzu oft zitiert Behringer seine Texte aus zweiter Hand und hat sich nicht um eine verlässliche Textgrundlage gekümmert. Ebenso sind die Angaben zum Kontext nicht selten unzureichend. So wird ein Auszug, den Joseph Hansen aus 1508 gehaltenen Fastenpredigten des Strassburger Gelehrten Geiler von Kaysersberg (gedruckt als "Emeis" 1516, 1517 und öfter) gab (Quellen und Untersuchungen, 284f.), in Nummer 70 mit der unzureichenden Überschrift "Geiler von Kaysersberg, Hexenpredigt, Straßburg 1508" nach der Quellensammlung Helmut Brackerts im Bändchen "Aus der Zeit der Verweiflung" von 1977 wiedergegeben. Und obwohl in Nummer 178 bei der eindrucksvollen Kritik von Anton Prätorius an den unmenschlichen Haftbedingungen der Hexen die Heidelberger Ausgabe von 1613 als Quelle angegeben wird, ergibt eine Kollation mit dem vom Server Frühe Neuzeit bereitgestellten Faksimile der Passage [5], dass Behringer offenbar nur die ungenaue Wiedergabe von Soldan/Heppe/Bauer abgeschrieben hat. Nummer 98 (nach Janssen/Pastor) bezieht sich auf die gleiche Quelle wie Nummer 99, die angeblich nach einem Druck von 1572 zitiert wird. Die zeitgenössische Vorlage von Nummer 189 (wieder nach Janssen/Pastor) bleibt zu ermitteln, der letzte Satz zur Ortenau (von Volk 1882) hätte aber auf keinen Fall in den Quellentext geraten dürfen. Nummer 100 zieht Wiedergaben aus Janssen/Pastor zusammen, die dort nicht nur auf der angegebenen Seite 678, sondern auch auf den Seiten 680 und 686 zu finden sind. Bei der Quellenangabe von Nummer 186 (Soldan/Heppe/Bauer) hat Behringer übersehen, dass durch die Ersetzung der Vorlage von Nummer 185 das "Ebenda" zu einem Fehler führt.

Die Liste könnte fortgesetzt werden. Dies ändert jedoch nichts an der grundsätzlichen didaktischen Brauchbarkeit der Quellensammlung - auch wenn es im Zweifel, wenn es auf den Text ankommt, geboten sein mag, die maßgebliche Edition beziehungsweise Vorlage und nicht Behringers Buch zu zitieren. Die vom Server Frühe Neuzeit ansatzweise bereits begonnene Digitalisierung wichtiger Quellentexte (und Bilder) zur Geschichte der Hexenverfolgung weist den Weg, wie ein weiteres Manko des Quellenbandes überwunden werden kann. Oft hat Behringer aus Umfangsgründen allzu rigide kürzen müssen. Eine digitale Quellensammlung, die Faksimiles und E-Texte kombinieren könnte, wäre von diesen Beschränkungen befreit und könnte auch ausführlichere Quellen sowie zeitgenössische Bilddokumente - auf beide musste Behringer verzichten - zugänglich machen.

III. Die Übersetzung der "Cautio Criminalis" von Spee

Das Äußere des Bandes lässt Schlimmes erwarten: Auf dem Titel prangt ein reißerischer Holzstich aus dem 19. Jahrhundert an Stelle eines der im Inneren reproduzierten Kupferstiche der sogenannten "Bilder-Cautio". Doch der Inhalt macht diesen Ausrutscher wett. Im Kern handelt es sich um einen Nachdruck der 1939 erschienenen Übersetzung von Joachim-Friedrich Ritter der 1632 erschienenen Editio secunda. Der Text wird eingerahmt von einer für die Taschenbuchausgabe 1982 aktualisierten Einleitung des Übersetzers, einigen Anmerkungen des Übersetzers und einem Beitrag von Gunther Franz für die Neuausgabe von 2000: Das Geheimnis um den Druck der Cautio Criminalis in Köln 1632 (303-308). Franz fasst darin seine druckgeschichtlichen Forschungen zur zweiten Ausgabe von 1632 (mit fingiertem Druckort Frankfurt) zusammen [6].

Bedauerlich ist, dass diese Beigabe nur eine spezielle Frage betrifft, denn die Einleitung von 1939/1982 ist natürlich nicht auf dem neuesten Stand der Spee-Forschung. Man mag sich damit trösten, dass im Spee-Jahrbuch eine laufende Bibliografie publiziert wird, die auch online zugänglich ist [7], und dass die französische Übersetzung der 'Cautio' durch Olivier Maurel 2000 eine lesenswerte Einleitung besitzt [8].

Für wissenschaftliche Zwecke wird man zwar zu der maßgeblichen historisch-kritischen Edition der 'Cautio' durch Theo G. M. van Oorschot greifen, der ein Faksimile der Übersetzung von Hermann Schmidt aus dem Jahre 1649 beigegeben ist. Aber da diese Ausgabe derzeit nicht lieferbar ist und die vom Francke-Verlag angekündigte Neuauflage knapp 100 EURO kosten soll, können sich auch Fachleute mit der gut lesbaren und preiswerten Übersetzung Ritters einen Eindruck von Spees Gedankenführung verschaffen. Historisch Interessierte aber werden ein wirklich mitreißendes Buch entdecken, das trotz des Zeitenabstands unmittelbar zu berühren vermag und sich als zeitloses Dokument einer humanen Gesinnung lesen lässt.

IV. Fazit

Witchcraft sells - angesichts des Booms der Hexenbücher ist es dem Verlag hoch anzurechnen, dass er drei wissenschaftlich verlässliche Ausgaben anbietet. Es ist zu hoffen, dass vor allem der Quellenband Behringers und die wichtige Neuübersetzung des Hexenhammers - beide auch für Fachleute absolut unentbehrlich - dazu beitragen, ein breites Publikum von den weitverbreiteten Irrtümern und Vorurteilen, die das Hexenthema belasten, wegzuführen. Für die Forschung darf abschließend aber der Wunsch wiederholt werden, dass zentrale Quellentexte zur Hexenforschung (darunter natürlich der lateinische Hexenhammer und die lateinische 'Cautio') möglichst bald auch als kostenfreie E-Texte zur Verfügung stehen.

Anmerkungen:

[1] Siehe den Verriss des katholischen Theologen Joseph Zeller, in: Augsburger Postzeitung. Literarische Beilage 1906, Nr. 42, 333f.

[2] Eine laufende Berichterstattung zum Thema versucht die Mailingliste Hexenforschung. Listenarchiv seit Sommer 2001 (mit Suchfunktion): http://www.listserv.gmd.de/archives/hexenforschung.html

[3] André Schnyder, Formen und Funktionen des Erzählens in einigen dämonologischen Exempla des 'Malleus maleficarum' (1487) von Institoris und Sprenger, in: Archivum Fratrum Praedicatorum 66 (1996), 257-292, hier 292. Der Aufsatz fehlt im Literaturverzeichnis des besprochenen Bandes ebenso wie die weitere einschlägige Studie Schnyders: Der Inquisitor als Geschichtenerzähler. Beobachtungen zur Ausgestaltung des Exemplums im 'Malleus maleficarum' (1487) von Institoris und Sprenger, in: Fabula 36 (1995), 1-24. Diese hätte auch auf Grund der ebenda, 16f. edierten Parallele bei Johannes von Dorsten zum Exemplum Rom 2 (in der vorliegenden Übersetzung 517-519) berücksichtigt werden müssen.

[4] Werner Tschacher, Der Formicarius des Johannes Nider von 1437/38. Studien zu den Anfängen der europäischen Hexenverfolgungen im Spätmittelalter, Aachen 2000.

[5] http://www.sfn.uni-muenchen.de/hexenverfolgung/tra1518.htm

[6] Siehe aber schon G. Franz, Das Geheimnis um den Druck der 'Cautio Criminalis' in Köln 1632, in: Jutta Schubert: Hexenbrennen, hrsg. von Günther Franz, Trier 1997, 114-123.

[7] http://www.uni-trier.de/hexen/publikationen.html#speejb

[8] So urteilt Theo G. M. Oorschot im Spee-Jahrbuch 7 (2000), 204-206, online: http://www.listserv.dfn.de/htbin/wa.exe?A2=ind0204&L=hexenforschung&P=R1720


Klaus Graf