Sabine Flach: "Körper-Szenarien". Zum Verhältnis von Körper und Bild in Videoinstallationen, München: Wilhelm Fink 2002, 431 S., ISBN 978-3-7705-3774-7, EUR 50,00
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Mit der Zusammenführung der Kategorien Körper und Bild in künstlerischen Videoarbeiten von 1967 bis in die Mitte der 1990er-Jahre widerspricht Sabine Flach der These, mit dem Aufkommen der Medienkunst sei ein "Ausstieg aus dem Bild" feststellbar (15). Die Autorin geht vielmehr davon aus, dass Videokunst auf Grund des Körpereinsatzes des Künstlers beziehungsweise der Künstlerin eine neue Bildhaftigkeit bekommt und damit auch die Kategorie des Bildraumes bedeutsam wird. Die Bezugnahme des Künstlerkörpers zum Raum in der Minimal Art und der ritualisierte und konzeptuelle Einsatz des Künstlerkörpers in der Konzeptkunst sind für Flach wesentliche Merkmale, die Videokunst ebenfalls auszeichnen und ihr Bildhaftigkeit verleihen. Aus dieser Perspektive soll in dem vorliegenden Band eine veränderte Genealogie des Verhältnisses von Künstlerkörper und Raum innerhalb des Mediums Video geschrieben werden.
Das erste Kapitel, "The Return of the Real oder: Der Körper als Material und Diskurs der Kunst", entwickelt den Körpereinsatz in der Videokunst aus der Minimal und Concept Art heraus. Kennzeichnend für die Minimal Art ist für Flach die Bezugnahme der künstlerischen Arbeiten auf den Raum - im Unterschied zur Moderne, deren Paradigmen für die Malerei nach Clement Greenberg "Reinheit" und "Flachheit" (39) sind. Um für die Minimal Art eine Hinwendung des Künstlersubjekts zur realen Welt und damit einhergehend eine Rekontextualisierung künstlerischer Arbeiten zu behaupten, nennt die Autorin Donald Judds Ausführungen zu realem Raum und realem Betrachter. Beim Einsatz des Körpers in der Konzeptkunst fallen "Produzent und Träger, Inhalt und Aussage" zusammen (47). Die Autorin betont den Gegensatz zu Body Art und Happening, deren Spezifik sie in einem "unmittelbaren, selbstvergessenen-orgiastischen Umgang" (50) mit dem Körper sieht. In der performativen Videokunst hingegen wird ein "Diskurs über den Körper [...] transportiert", ein Diskurs also, "der die Themen der Postmoderne beherrscht" (49). Da die Aktionen performativer Videoarbeiten "hochgradig konzeptualisiert und ritualisiert"(50) sind, kann Flach Bezüge zur Konzeptkunst herstellen.
Im zweiten Kapitel, "Körper im räumlichen Vollzug", geht es allgemein um einen sich neu entwickelnden Kunstbegriff in den 1960er-Jahren. Die Raumbezogenheit künstlerischer Arbeiten und eine Tendenz der Dematerialisierung, wie sie durch die Reduktion ästhetischer Objekte in Minimal und Concept Art zu finden sind, zeichnen von nun an künstlerische Arbeiten aus und lenken das Augenmerk auf "Handlungen, Notationen und Aktionen" (67). Im Zuge dessen werden Begriffe wie "Präsenz" und "Ereignis" zentral für künstlerische Arbeiten, besonders auch für den Einsatz des Körpers in der zu dieser Zeit entstehenden Videokunst, die die Autorin in den folgenden Kapiteln untersucht.
"Always in Process - Der mediatisierte Körper", das dritte Kapitel, legt dar, inwiefern die Einführung bestimmter Techniken in den Bereich künstlerischer Auseinandersetzung mit Körper und Raum Auswirkungen auf die Entstehung von Körperbildern hat. Hierbei ist es Flach wichtig zu betonen, dass nicht das Aufkommen des Mediums Video für einen Wandel des künstlerischen Umgangs mit Bild, Körper und Raum verantwortlich zu machen ist. Vielmehr sind die zuvor schon etablierten künstlerischen Herangehensweisen an diese Themen als bestimmend für den Einsatz des neuen Mediums anzusehen. Anhand von Videoarbeiten, wie beispielsweise Vito Acconcis "Centers" von 1971 und Bill Violas "Reasons for Knocking at an Empty House" von 1983, geht Flach den zuvor hergeleiteten Kategorien Körper, Bild, Raum und damit zusammenhängend auch Blick und Bewegung nach. Für "TV Camera / Monitor Performance" von Dan Graham aus dem Jahre 1970 sieht die Autorin die Betonung verschiedener Blickbeziehungen als wesentlich an. Diese lässt sich zum einen am technischen Verfahren des "closed circuit", das die Aufführung filmt und im selben Moment wiedergibt, festmachen. Zum anderen zitiert Flach Graham, der im Blick des Publikums auf den Monitor "a view from inside my mind's eye" und im Blick des Publikums auf Graham selbst "an external vantage" erkennt (113). Wie hier werden häufig Interpretationen der Autorin mit Aussagen der Künstler zu ihren Werken untermauert.
Die Überschrift des vierten Kapitels, "Der Ausstieg aus dem Bild", spricht die Abkehr von einem mimetischen Bildverständnis und die Hinwendung zu einer Reflexion der Bildhaftigkeit an. Damit erfolge, so Flach, eine Dekonstruktion des Bildes vom Körper. Entscheidend für die Analyse der Reflexion innerhalb des Videos sind aus der Malerei übernommene Bildelemente wie Schatten, Spiegel, Doppelgänger und Fragment. Welchen Bildbegriff die Autorin annimmt und gegen welchen sie sich abzusetzen versucht, bleibt allerdings offen. So wäre zu fragen, ob es Flach nicht vielmehr um die Zuschreibung an das Medium Video geht, Realität mimetisch abbilden zu können, als um eine Auffassung des Bildes als Abbild von Wirklichkeit. Ganz besonders, da sie sich für den Nachweis der Reflexivität der Körperbilder im Video bildreflexiver Elemente aus dem älteren Medium Malerei bedient.
Das letzte Kapitel, "Der Körper als Schauplatz", möchte zeigen, dass der Körper zur Projektionsfläche wird, die die Bedingungen seiner Konstruktion spiegelt (271). Als Beispiel sei hier Flachs Auseinandersetzung mit dem "Anderen" genannt, das sie in postmodernen Theorien in der "inneren Spaltung des Subjekts", in "der Geschlechterdifferenz" und "im Anderen als der Fremde" konstruiert sieht (332). Die Video-Klang-Installation "Corps étranger" von Mona Hatoum aus dem Jahre 1994, die Aufnahmen innerer Organe vergrößert zeigt, setzt für Flach Raum und Körper in Eins. Ihrer Meinung nach knüpft dies eng an das Raumverständnis des Minimalismus an und thematisiert zudem gesellschaftlich hierarchisierte Vorstellungen von Körperinnerem und -äußerem. Der Körper wird hier nicht als Effekt medialer Gegebenheiten verstanden, wie dies in neueren Forschungsarbeiten gedacht wird. [1] Für Flach bildet er vielmehr Diskurse ab, die gleichzeitig über ihn geführt werden.
Indem die Autorin die Verbindungen zwischen Performance, Body Art und Videokunst übergeht und stattdessen eine Linie von der Minimal Art und der Konzeptkunst zieht, werden Differenzen zwischen Narrationen vom Körper in der Kunst der 1960er- und 1990er-Jahre nicht beachtet. Keine Erwähnung finden auch Vorstellungen, die das Medium Video und dessen Möglichkeit "authentische" Körperbilder herzustellen eng mit feministischen Forderungen und Utopien verknüpfen. [2] Ebenso unbeachtet bleiben gegenwärtige künstlerische Arbeiten und Forschungsansätze, die sich mit der Frage beschäftigen, wie Körperbilder anhand von Medientechniken erst erzeugt werden und auf welche Weisen mit Narrationen vom Körper im Gegensatz zu anderen Medien umgegangen wird. [3] Der Fokus Flachs ist auf das Künstlersubjekt und dessen Bezugnahme auf Parameter postmoderner künstlerischer Arbeiten gerichtet. Den Einsatz des Körpers in der Videokunst als Weiterführung von Subjekt- und Raumvorstellungen der Minimal und Concept Art zu denken und damit Aufkommen und Verwendung eines neuen Mediums nicht als Erklärung für die Entstehung von Körperbildern zu geben, stellt eine interessante und bisher nicht vorhandene Perspektive in der Forschung zur Videokunst dar.
Anmerkungen:
[1] Vergleiche beispielsweise Reinhard Braun, "Kunst zwischen den Medien". In: Springerin, Band IV, Heft 2-4, 1998; Barbara Engelbach, Zwischen Body Art und Videokunst. Körper und Video in der Aktionskunst um 1970, München 2001.
[2] Vergleiche beispielsweise Dieter Daniels / Rudolf Frieling (Hg.), Medien Kunst Aktion. Die 60er und 70er Jahre in Deutschland, Wien / New York 1997; Stella Rollig (Hg.), <hers> Video as a female Terrain, Wien / New York 2000; Ulrike Rosenbach: "Video als Medium der Emanzipation". In: Videokunst in Deutschland 1963-1982. Videobänder, Installationen, Objekte, Performances, hg. von Wulf Herzogenrath, Stuttgart 1982, 99-102.
[3] Vergleiche Lydia Haustein, Videokunst, München 2003; Kunstforum International. Die Zukunft des Körpers, 132/133, 1995/96.
Silke Förschler