Paul Douglas Lockhart: Sweden in the Seventeenth Century, London: Macmillan 2004, xix + 178 S., ISBN 978-0-333-73156-7, GBP 49,50
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Schweden im 17. Jahrhundert, das ist die Geschichte einer temporären Großmacht, deren Aufstieg und Niedergang außerhalb Schwedens vor allem in der anglo-amerikanischen Forschung seit jeher auf großes Interesse gestoßen ist. Paul Douglas Lockhart ist Associate Professor an der Wright State University in Ohio und bereits durch zwei Studien zur dänischen Geschichte als Kenner der skandinavischen Geschichte ausgewiesen. [1]
Die vorliegende Studie richtet sich an Studierende. Auf rund 150 Textseiten bietet Lockhart einen meistenteils chronologischen, an den Regierungszeiten der Regenten bzw. von zwei Vormundschaftsregierungen orientierten Überblick über diese Großmachtzeit. Der Schwerpunkt liegt dabei eindeutig auf der militärischen Großmacht Schweden, ihren Kriegen sowie der Frage, welchen Einfluss die fortgesetzten Kriege auf die innere Entwicklung des Landes hatten.
Der chronologische Abriss der Studie erweist sich dabei als vorteilhaft, auch wenn die Strukturierung nach Königen altmodisch erscheinen mag. Den einzelnen Regenten können jedoch Themen und wissenschaftliche Diskussionen zugeordnet werden. Das sind vor allem die unsichere dynastische Position der Wasakönige zu Beginn des 17. Jahrhunderts, die Motive für den Eintritt Schwedens in den Dreißigjährigen Krieg, die finanziellen Krisen der Krone seit Ausgang des Krieges, die Reformen und sozialen Veränderungen der schwedischen Gesellschaft in Antwort auf diese Herausforderungen, die Etablierung königlicher Alleinherrschaft unter Karl XI. (um 1680) sowie nicht zuletzt die Gründe für den Verlust der Großmachtrolle im Nordischen Krieg (1700-1721). Letzterer wird nur noch am Rande angeschnitten, da er außerhalb des Untersuchungszeitraums liegt (was im Übrigen die Frage nach der Sinnhaftigkeit der zeitlichen Begrenzung aufwirft).
Die Diskussionen können alle der in der schwedischen Historiographie intensiv erörterten Frage nach dem Charakter der schwedischen Großmacht als eines Militärstaats bzw. Kriegsstaats zugeordnet werden. Die Bedürfnisse des Militärs waren primärer Antrieb für die Ausformung der öffentlichen Verwaltung wie der Reformen der politischen Vertretung der Stände. Dies ist in der Forschung im Wesentlichen unumstritten. In der Diskussion stehen die konkrete Umsetzung wie die Interessen hinter dieser Entwicklung. Lockhart betont die Umstellung von Steuern und Abgaben auf Geldleistungen, die Konskriptionen und ihre Umwandlung im so genannten Einteilungswerk [2], den wechselnden Einfluss von grundbesitzendem Hochadel, neu- und niederadligem Dienstadel, Bürgern, Klerus und Bauern auf die Politik, die aktive staatliche Wirtschaftspolitik und nicht zuletzt die zahlreichen Kriege selbst.
Letztere prägen die Darstellung durchgängig, wobei Lockhart eine deutliche Neigung zu den militärischen Fähigkeiten, wenn nicht Tugenden der schwedischen Könige erkennen lässt: "The scope and pace of the Swedish victories over Denmark and Poland were breathtaking, far exceeding even those of Karl's [XII.] grandfather, and earning him a place amongst the great generals of the eighteenth century" (146).
Solche Bewertungen finden sich mehrfach und sind aus der Sicht des Militärhistorikers durchaus berechtigt. Es besteht kein Zweifel an den ungewöhnlichen militärischen Fähigkeiten wie den ausgeprägten militärischen Neigungen der schwedischen Könige. Die Betonung des Militärischen geht jedoch zu Lasten anderer Aspekte der Großmachtzeit. Sie werden von Lockhart unter Verweis auf ihre vermeintlich nachgeordnete Bedeutung gleich zu Beginn des Vorworts aus der Betrachtung ausgeschlossen: "[...] but, as much of the most recent historical literature on early modern Sweden - concerned with such things as crime, gender history, and agrarian history - is not directly relevant to this theme [the empire and great power Sweden], social historians may be disappointed" (XI).
Bei näherer Betrachtung fehlen allerdings mehr als nur die angesprochenen Themen. So zeigt Lockhart nur wenig Interesse an Königin Christina und ihren angeblich mangelnden politischen Fähigkeiten, von militärischen ganz zu schweigen. Schwerer noch wiegt das Desinteresse an Fragen der Kultur, zumal unter anderem die Frage zu klären ist, warum das Land im Inneren trotz hohen Steuerdrucks und zahlloser Konskriptionen so ruhig geblieben ist. Es gab keine ernsthaften Unruhen, wie sie im 16. Jahrhundert oder in anderen zeitgenössischen Monarchien vorgekommen sind. Hier verweist Lockhart wiederholt auf loyale orthodoxe Prediger, die durch Bettage und Predigten die Zustimmung der Bevölkerung sichergestellt hätten. Ebenso ruhig verlief die weitgehende finanzielle wie politische Entmachtung des ehemals regierenden Hochadels um 1680. Sie wird von Lockhart mit dem geschickten Taktieren des Königs und seiner Anhänger erklärt. Zu beiden Fragen wäre nach Ansicht des Rezensenten allerdings mehr zu sagen, auch in einer notwendig knappen Handbuchdarstellung.
Das gilt auch für auffallend nachsichtige Beurteilung der expansiven Kriege Gustavs II. Adolf und Karls X. Gustav. Lockhart schließt sich hier weitgehend den Argumenten von Michael Roberts an, der sich häufig mit dieser Frage auseinandergesetzt hat. Roberts hob insbesondere die berechtigte Verteidigung schwedischer Sicherheitsinteressen hervor. [3]
Ungeachtet dieser Kritik an einzelnen Deutungen sowie der Betonung der Kriege im Rahmen der Darstellung ist Lockharts Buch aus mehreren Gründen verdienstvoll. Geschrieben für ein englischsprachiges Publikum, verweist Lockhart in der abschließenden Bibliographie zwar ausschließlich auf englischsprachige Werke. In den Fußnoten finden sich jedoch viele schwedische Werke, womit Lockhart sich auf der Höhe der Forschung befindet, deren thematische Beschränkungen er im Wesentlichen übernimmt. Die Darstellung ist konzise und gut lesbar. Wissenschaftliche Diskussionen werden kurz erläutert, bevor Lockhart selbst Stellung bezieht. Seine Sicht mag eher 'traditionell' sein mit starker Betonung von Krieg, Diplomatie und der Rolle von Königen. Das Buch ist dennoch auch für deutsche Leser interessant, zumal es auf einen eklatanten Mangel an geeigneten Einführungen in die schwedische Geschichte in deutscher Sprache verweist. [4] Denn trotz einer ungewöhnlich interessanten und andersartigen Entwicklung werden die skandinavischen Staaten - ebenso wie zahlreiche andere nicht-deutsche und nicht-westeuropäische Staaten - an deutschen Universitäten und somit in der Forschungsdiskussion auch weiterhin auffallend vernachlässigt.
Anmerkungen:
[1] Paul Douglas Lockhart: Denmark in the Thirty Years' War, 1618-1648. King Christian IV and the decline of the Oldenburg State, Selinsgrove [Pa.] 1996; Paul Douglas Lockhart: Frederik II and the Protestant cause. Denmark's role in the Wars of Religion, 1559-1596, Leiden 2004.
[2] Michael Busch: Absolutismus und Heeresreform. Schwedens Militär am Ende des 17. Jahrhunderts, Bochum 2000.
[3] Michael Roberts: Sweden as a Great Power 1611-1697. Government, Society, Foreign Policy, London 1964; ders.: Gustavus Adolphus and the Rise of Sweden. London 1973; ders.: The swedish imperial experience: 1560-1718, Cambridge 1979.
[4] Zu verweisen ist hier allenfalls auf die Arbeiten von Klaus Zernack: Die skandinavischen Reiche von 1654 bis 1772, in: Handbuch der europäischen Geschichte, Bd. 4: Europa im Zeitalter des Absolutismus und der Aufklärung, hg. von Theodor Schieder, Stuttgart 1968, 512-548; sowie ders.: Schweden als europäische Großmacht der Frühen Neuzeit, in: Historische Zeitschrift 232 (1981), 327-357.
Heiko Droste