Hans-Michael Körner (Hg.): Große Bayerische Biographische Enzyklopädie, München: K. G. Saur 2006, 4 Bde, XXIV + 2990 S., ISBN 978-3-598-11730-5, EUR 486,00
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Christof Paulus: Bayerns Zeiten. Eine kulturgeschichtliche Ausleuchtung, Regensburg: Friedrich Pustet 2021
Irmgard Biersack: Die Hofhaltung der "reichen Herzöge" von Bayern-Landshut, Regensburg: Edition Vulpes 2006
Edith Feistner (Hg.): Das mittelalterliche Regensburg im Zentrum Europas, Regensburg: Schnell & Steiner 2006
Ein neues biografisches Nachschlagewerk, das im Titel explizit die regionale Eingrenzung auf Bayern trägt, muss sich zwangsläufig einem Vergleich mit dem zwar vielgescholtenen aber gleichwohl oft benutzten Lexikon "Bosls bayerische Biographie" stellen, das seit kurzer Zeit auch online verfügbar ist. [1]
Schon rein quantitativ besticht die "Große bayerische biographische Enzyklopädie". Hatte "Bosls bayerische Biographie" im Hauptband 916 eng bedruckte Seiten (einschließlich Register) und im fünf Jahre später erschienenen Ergänzungsband nochmals 189 Seiten (wiederum inklusive Register) aufzuweisen, zusammen also etwa 1100 Seiten, so bringt es die vierbändige "Große bayerische biographische Enzyklopädie" bei vergleichbarem Format und Satzspiegel auf stolze 2.990 Seiten, einschließlich des vierten Bandes, welcher u. a. auch die Register enthält. Auch eine Stichprobe en détail untermauert diesen lediglich aufgrund von Äußerlichkeiten gewonnenen Befund: "Bosls bayerische Biographie" bietet einschließlich Ergänzungsband beispielsweise im Buchstaben I 47 Lemmata (44 + 3), die "Große bayerische biographische Enzyklopädie" enthält immerhin 50 Eintragungen. Noch deutlicher fällt der Vergleich innerhalb des Buchstabenabschnittes Ka aus: 121 Personenartikel finden sich hier in der "Großen bayerischen biographischen Enzyklopädie", lediglich 87 (70+17) in Bosls Nachschlagewerk.
Grundlage für die Datenerhebung war die elektronisch vorliegende "Deutsche biographische Enzyklopädie", aus deren knapp 62.000 Namen umfassenden Gesamtbestand etwa 11.000 Artikel ausgewählt wurden. Diese wurden größtenteils wörtlich übernommen und nur gelegentlich um eine Literaturangabe ergänzt. Kriterien waren entweder der bayerische Geburtsort bzw. die entscheidenden Wirkjahre innerhalb der Grenzen des heutigen Bundeslandes Bayern, mit einer Ausnahme: Persönlichkeiten, welche zwischen 1816 und 1945 in der zu dieser Zeit zu Bayern gehörigen rheinischen Pfalz lebten und wirkten, fanden ebenfalls Berücksichtigung. Neben den aus der "Deutschen biographischen Enzyklopädie" ausgewählten Persönlichkeiten, wurden zusätzlich weitere 1.700 Personen in die "Große bayerische biographische Enzyklopädie" aufgenommen, die entweder seit Redaktionsschluss der "Deutschen biographischen Enzyklopädie" gestorben waren oder bei denen es sich um Personen mit überwiegend lokaler bzw. regionaler Relevanz handelte.
Nun entspricht ein rein quantitativer Informationszuwachs, wie er in diesem Fall offenkundig wird, oftmals aber bei Weitem nicht dem qualitativen. Ein näherer Blick lehrt aber auch hier, dass das neue Nachschlagewerk eindeutig dem älteren, unter Karl Bosls Verantwortung entstandenem, vorzuziehen ist. Und das nicht nur, weil es neueren Datums und damit zwangsläufig aktueller ist. Neben dem unmittelbaren Informationsgewinn durch die Artikel selbst, liegt ein grundsätzlicher Nutzen eines wissenschaftlichen Lexikons in den beigegebenen Literaturhinweisen. Und auch und gerade in diesem Punkt vermag das vorliegende biografische Nachschlagewerk zu überzeugen. Die Erschließung weiterführender Literatur beschränkt sich hier nämlich nicht nur auf die Angabe einschlägiger Artikel der Allgemeinen Deutschen Biographie (ADB) bzw. der Neuen Deutschen Biographie (NDB). Diese Tatsache ist nachdrücklich hervorzuheben, da der bloße Verweis auf andere große biografische Enzyklopädien den Sinn und Zweck eines zusätzlichen, ausdrücklich regional ausgerichteten Lexikons grundsätzlich infrage stellt, noch dazu in Zeiten in denen beispielsweise die ADB ebenfalls online verfügbar ist und umgekehrt die "Große bayerische biographische Enzyklopädie" schon wegen ihres stolzen Preises ohnehin nahezu ausschließlich in wissenschaftlichen und einigen öffentlichen Bibliotheken zu finden sein wird und wohl nur in Ausnahmefällen die private Handbibliothek bereichert. [2] Angesichts der Fülle des Materials sowie der Größe und des Verdienstes der Aufgabe verbietet sich eine Einzelkritik ausgewählter Artikel von selbst; jeder, der in einem solch gewaltigen Datenpool nur lange genug sucht, findet auch negative Kritikpunkte, Fehler und dergleichen mehr. Stattdessen gestattet es sich der Rezensent, einer grundsätzlichen konzeptionell-methodischen Überlegung Raum zu geben: So erscheint es bedauernswert, dass nur wenige bedeutende Personen-Lemmata ausdrücklich mit dem Namen eines Bearbeiters versehen wurden; den Artikel zu König Ludwig III. von Bayern auf den Seiten 1219 f. etwa verfasste der Herausgeber selbst. Während weitgehend unklar bleibt, nach welchen Kriterien die Bedeutung einer Person ermittelt wurde, verblieb das Gros der Einträge hingegen als nicht namentlich gekennzeichnet. An dieser Stelle wäre eine intensivere Anlehnung an "Bosls bayerische Enzyklopädie" in jedem Fall wünschenswert gewesen, schon um für mehr Transparenz hinsichtlich der Unterscheidung zwischen sehr guten und weniger guten Artikeln zu sorgen.
Umfangreiche Register im vierten Band runden dieses Werk ab. Neben Personen- und Ortsregistern finden sich hier auch Zeittafeln, welche helfen, Personen im Umfeld ihrer Zeit zu verorten. Die Zeittafel reicht von Afra (gestorben um 304 n. Chr.) bis Heiner Link (1960-2002).
Als Fazit bleibt festzuhalten: Die "Große bayerische biographische Enzyklopädie" schneidet im direkten Vergleich mit dem Vorgängerlexikon deutlich besser ab. Künftig wird man daher wohl kaum mehr Literaturverzeichnisse wissenschaftlicher Arbeiten mit vornehmlich bayerischer Thematik finden, welche dieses Nachschlagewerk nicht mit aufführen. Die "Große bayerische biographische Enzyklopädie" hat jedenfalls das Potenzial, zu einem Standardhilfsmittel für alle Belange der bayerischen Geschichte schlechthin zu avancieren.
In jedem Falle darf man dem Opus magnum eine wohl wollende Aufnahme sowie viele Benutzer wünschen!
Anmerkungen:
[1]: Bosls bayerische Biographie ist Teil des digitalen Angebotes der BLO (Bayerische Landesbibliothek Online). Bislang ist der 1983 erschienene Hauptband elektronisch benutzbar unter der URL [03.11.2006]: http://rzblx2.bibliothek.uni-regensburg.de/blo/boslview/boslview.php . Die Printausgabe von Bosls Bayerischer Biographie erschien 1983 bzw. 1988 mit folgenden bibliografischen Angaben: Karl Bosl (Hg.): Bosls bayerische Biographie. 8000 Persönlichkeiten aus 15. Jahrhunderten, Regensburg 1983; Ergänzungsband, Regensburg 1988.
[2]: Alle Artikel der ADB (E-ADB) sind im Internet frei verfügbar, unter der URL [03.11.2006]: http://mdz.bib-bvb.de/digbib/lexika/adb.
Bernhard Lübbers