Jeanette Falcke: Studien zum diplomatischen Geschenkwesen am brandenburgisch-preußischen Hof im 17. und 18. Jahrhundert, Berlin: Duncker & Humblot 2006, 361 S., ISBN 978-3-428-11777-2, EUR 89,80
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Im Rahmen der Hof- und Zeremoniellforschung ist auch das frühneuzeitliche höfische Geschenk in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus der Forschung gerückt. Insbesondere zur Bedeutung des diplomatischen Geschenks als Bestandteil höfischer Politik liegt eine Reihe von neueren Untersuchungen vor. Obwohl es sich bei dieser Art von Präsenten ganz überwiegend um hochrangige Kunstwerke handelt, steckt die kunsthistorische Interpretation allerdings - im Gegensatz etwa zur soziologischen - noch in den Anfängen. Auch wenn zahlreiche Einzelfälle und Materialgruppen (etwa das Meißener Porzellan, die Nürnberger Edelmetallarbeiten) inzwischen gut aufgearbeitet sind, so fehlt es nach wie vor an verallgemeinerbaren systematischen Erkenntnissen. Einen wichtigen Beitrag zur Schließung dieser Lücke bietet nun die 2003 in Frankfurt eingereichte Dissertation der Historikerin und Kunsthistorikerin Jeannette Falcke.
Anhand weniger, aber mit Bedacht ausgewählter Fallbeispiele werden die Vergabe und der Empfang politisch motivierter Geschenke am brandenburgisch-preußischen Hof, beginnend mit Kurfürst Friedrich Wilhelm (1620-1688) bis hin zu König Friedrich II. (1712-1786) vorgestellt. Um der Fülle des Materials gerecht zu werden, setzte Falcke klare Eingrenzungen: Nicht berücksichtigt wurden Geschenke im Kontext verwandtschaftlicher Beziehungen sondern ausschließlich offizielle Staatsgeschenke. Der Zeitraum1640 (Regierungsantritt Friedrich Wilhelms) bis 1786 (Tod Friedrichs II.) ergibt sich aus dem nach dem Westfälischen Frieden etablierten und bis zur Französischen Revolution bestehenden, nahezu unveränderten ständigen Gesandtschaftswesen. Im Vordergrund der Betrachtung stehen Präsente zwischen Herrschern, und zwar ausschließlich - obwohl dies nicht deutlich ausgesprochen wird - kunsthandwerkliche Spitzenprodukte, quasi die höchstmögliche Geschenkkategorie, die dem gleichrangigen Status vorbehalten war. Demgegenüber werden Geschenke zwischen Herrschern und Gesandten, die den hierarchischen Abstand spiegeln, wesentlich knapper abgehandelt. Auch Geschenke an die jeweiligen fürstlichen Ehefrauen, die eine genauso zentrale Rolle spielten, aber durchaus anderen Mechanismen unterlagen, sind nur in einem Exkurs erwähnt.
Die ausgewählten Beispiele berücksichtigen unterschiedliche Kunstgattungen und Materialien der Geschenke (unter anderem Eisenschnittskulptur, Bernsteinobjekte, Gemälde, Porzellan) ebenso wie Abstufungen im sozialen Rang der Empfänger (Kaiser, Könige, Kurfürsten) und verschiedene Anlässe (Allianzen, Verlängerung von Bündnissen, Jubiläen, etc.). Das große Verdienst der Autorin liegt in der überaus sorgfältigen Rekonstruktion der jeweiligen Schenkung und ihrer Hintergründe: Erwerb und Gestaltung des Objekts, aktuelle politische Verhältnisse und daraus abgeleitete Absichten der Fürsten, Anlass und Übergabe in ihrer zeremoniellen Einbindung, Wirkung und Rezeption des Geschenks. Dokumentiert durch archivalische Quellen, interpretiert durch ikonographische Analysen und kommentiert durch die zeitgenössische Traktatliteratur, ergibt sich so eine ausnehmend überzeugende Rekontextualisierung.
Die im normativen Schrifttum formulierten Aussagen zur höfischen Geschenkvergabe finden Bestätigung durch Falckes Analysen der konkreten Fallbeispiele. Geschenke dienten als politische Mittel der Diplomatie; sie waren Teil des höfischen Decorum und führten die Fürstentugend Freigebigkeit öffentlich vor. Ganz entscheidend für die Wirksamkeit der intendierten politischen Absicht war die Angemessenheit des Geschenks und die Wahl des richtigen Übergabezeitpunktes. Bevorzugt wurden landestypische, konkurrenzlose Produkte (im Falle Brandenburg-Preußens Bernstein-Objekte).
Dennoch erscheinen die vorgeführten und in sich erkenntnisreichen Exempla ob ihrer Heterogenität zunächst nur schwer verallgemeinerbar. Allerdings ergibt sich das verbindende und auf andere Höfe übertragbare Element durch die präzise ikonologische Analyse der betrachteten Kunstobjekte. Hierdurch wird klar erkennbar, wie sehr die Gestaltung jeweils auf den Adressaten abgestimmt war. Nicht nur durch die Anbringung von Monogrammen und Wappen oder das Eingehen auf spezielle Vorlieben, sondern vor allem auch durch Bezüge zur aktuellen Situation des Empfängers bis hin zur Verarbeitung von vorherigen Geschenken wurden personalisierte Geschenke geschaffen, die eine vertrauliche Beziehung implizierten. Besonders eindrucksvoll ist das subtile Spiel mit Bezügen und die Verquickung von Geschenk und Gegengeschenk, wie an einem einzigen Beispiel kurz angedeutet sei: Friedrich II. ließ 1770-1772 ein umfangreiches Porzellangeschenk für Zarin Katharina II. anfertigen, bestehend aus einem Dessertservice für 120 Personen sowie einem zentralen Tafelaufsatz. Dargestellt ist die thronende Zarin, ausgeführt nach einem Bildnis im Krönungsornat, das Katharina im Jahr zuvor Friedrich geschenkt hatte (187). Auch die in Form von Melonen gestalteten Schüsseln des Service nehmen Bezug auf eine Geschenksendung aus dem Jahre 1763, bei der Katharina Melonenfrüchte übersandt hatte, die im zugehörigen Briefwechsel mit politischer Symbolik belegt sind (197 f).
Aus Jeannette Falckes Ausführungen muss geschlossen werden, dass die hochwertigsten höfische Geschenke, die unter (annähernd) gleichrangigen Fürsten ausgetauscht wurden - im Unterschied zu den standardisierten Geschenken für Gesandte und andere im Rang Niedrigerstehende - in ihrer Gestaltung höchst individuell abgestimmt waren auf den Empfänger, den Anlass und die intendierte Botschaft des Schenkenden. Sie steckten voller Anspielungen auf politisch aktuelle Ereignisse und sind somit als ebenso aussagekräftige Medien nonverbaler Kommunikation einzustufen wie Schlossausstattungen, Festdekorationen und andere politische Kunstwerke. Hiermit eröffnet sich eine weitere Dimension in der Betrachtung kunsthandwerklicher Gegenstände, die lohnende Erkenntnisse in der Entschlüsselung der höfischen "Parade" versprechen.
Cordula Bischoff