Jani Kirov: Die soziale Logik des Rechts. Recht und Gesellschaft der römischen Republik, Göttingen: V&R unipress 2005, 223 S., ISBN 978-3-89971-258-2, EUR 38,90
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Rechtshistorische Arbeiten, die von Romanisten besorgt werden, sind für Althistoriker nicht selten problematisch: In ihrer Konzentration auf das Recht, ihrem Versuch, dieses zu systematisieren, in ihrer Vernachlässigung von Faktoren, die außerhalb des Rechtssystems liegen, ihrer fehlenden gesellschaftlichen Einbettung des Untersuchungsgegenstandes und schließlich ihrer jurischen Diktion, wirken sie auf Historiker häufig abschreckend. In neueren Darstellungen zur römischen Republik spielt das Recht daher häufig nur eine untergeordnete Rolle, in Arbeiten zur im Augenblick virulenten Frage nach der Bewertung des politischen Systems dieser Gesellschaft wird es weitgehend ausgeblendet. Dies ist vor allem deshalb problematisch, weil in einer nicht funktional differenzierten Gesellschaft, wie sie diejenige der römischen Republik darstellt, Recht und das Politische untrennbar verbunden sind, und weil sich, wie die Arbeit von Kirov an verschiedenen Stellen immer wieder deutlich macht, eine Reihe von Besonderheiten, die die Neue Politikgeschichte der römischen Republik herausgearbeitet hat, wie etwa die besondere Bedeutung der Herstellung von Konsens und dessen Darstellung, auch an Beispielen innerhalb des Rechtssystems nachweisen lässt (etwa 51).
Aus diesem Defizit erwächst die Bedeutung der Dissertation von Jani Kirov. Sie unternimmt es nämlich, genau diese gesellschaftliche Einbettung des Rechts in der römischen Republik zum Gegenstand der Untersuchung zu machen und dessen "soziale Logik" darzulegen.
Kirov gliedert die Analyse seines Untersuchungsgegenstandes in drei Hauptabschnitte: Nach der Einführung, in der er einen Überblick über die zentralen Linien der Forschungsgeschichte gibt, seine Fragestellung entwickelt und über die theoretischen Grundlagen seiner Arbeit Rechenschaft ablegt, behandelt er im Hauptteil zunächst "Die zivile Rechtsordnung" (23-120) untergliedert in die kurz behandelte Frage nach der "Gesetzgebung" der römischen Republik (39-58) und - ausführlicher - "Die republikanische Jurisprudenz" (59-120), sowie als drittem Teil "Die Stadtprätur und die Rechtspflege" (121-204).
Dabei kann der Verfasser zunächst zeigen, dass der Gesellschaft der römischen Republik jede Vorstellung davon fremd war, mit dem Recht einen abstrakten Gegenstand zu regeln. Vielmehr lasse sich "das republikanische Gesetz [...] als eine Form der Veröffentlichung von praktischen Regeln verstehen, als ein Mechanismus der Objektivierung kollektiver Normen" (57). In der Folge fragt Kirov danach, inwieweit die Gesetzgebung die "Lebenspraxis" in Rom normiert habe. Hierbei rekonstruiert er eine Entwicklung von der Zeit der decemviralen Gesetzgebung bis in die späte Republik. Während die decemviralen Gesetzgebung zurzeit ihrer Entstehung die Manipulierbarkeit der Lebensordnung förderte, verlor sie diese Funktion im Verlauf der Republik und gerann zu einem autoritativen Muster der Vergangenheit. Auch die Gesetzgebung qua Plebiszit habe eher dazu gedient, überlieferte Formen zu bewahren bzw. wiederherzustellen als neue Normen zu generieren.
Im nächsten Abschnitt zur Jurisprudenz im republikanischen Rom untersucht Kirov das Verhältnis von Rechtsprechung und aristokratischer Macht. Die Überlegenheit dieser sozialen Klasse habe auf Leistungen für Dritte beruht, durch welche die Möglichkeit bestanden habe, soziales Kapital in symbolisches Kapital zu transformieren. In diesen Kontext sei auch die Rechtsprechung einzuordnen: Juristische Kompetenz sei dementsprechend weniger durch Fachwissen als vielmehr die Möglichkeit, verbindliche Entscheidungen zu formulieren, gekennzeichnet gewesen. In diesem Kontext stellt Kirov auch Überlegungen zur juristischen Begriffsbildung an und untersucht beispielhaft bona fides, aequum bonum und dolus malus (113-119). Hierbei gelingt es ihm zu zeigen, wie diese Begriffe aus der Umwelt des Rechtssystems übernommen und in diesem umgedeutet wurden. Dabei habe ihre Funktion "nicht so sehr in einem Normierungsanspruch, sondern in der Instrumentalisierung tradierter Maßstäbe und Normen mit Hinblick auf das Rechtsverfahren" bestanden (116).
Im letzten Teil entwickelt Kirov seine Argumentation zur Bedeutung und Funktion des Stadtprätors aus allgemeinen Überlegungen zum römischen Amtsverständnis als Rahmenbedingung heraus. Besondere Bedeutung weist er dann dem prätorischen Edikt zu, das er als Teil der politischen Kommunikation von Bürgern und Magistraten beschreibt (141; 149) und dem er die Funktion zuweist, die soziale Praxis zu regulieren. Dabei habe die Vergangenheit als Folie für gegenwärtiges Handeln gedient. Mit fortschreitender Desintegration der Gesellschaft habe gleichzeitig die Regularisierung sozialer Praxis zugenommen. Erst im Laufe der Zeit habe sich das zeitlich auf die Amtsdauer des erlassenen Prätors beschränkte Edikt durch die Wiederholung zu Rechtsregeln entwickelt.
Nach diesen allgemeinen Überlegungen zur Jurisdiktion des Stadtprätors widmet sich Kirov schließlich der Praxis (173-203), der er sich durch eine genaue Untersuchung von Ciceros Verteidigungsrede für Publius Quinctius aus dem Jahre 81 v.Chr., die uns Einblick in den Ablauf eines Prozesses gibt, nähert. Auch an diesem Beispiel gelingt es Kirov zu zeigen, wie das Recht in seine Umwelt eingebettet war, dass Gerichtsverfahren zur Vergeltung von erlittenem Unrecht lediglich eine Handlungsoption neben anderen darstellten und schließlich auch innerhalb des Verfahrens die "soziale Logik" Ablauf und Argumente bestimmte.
Kirovs Arbeit überzeugt sowohl im Detail seiner Analysen wie auch in der Gesamtkonzeption der Arbeit. Sprache und Gedankenführung sind klar. Es ist eine Monographie, die dazu beitragen kann, das Recht der römischen Republik wieder verstärkt in das Blickfeld der Althistoriker zu rücken.
Jan Timmer