Jonathan P. Herzog: The Spiritual-Industrial Complex. America's Religious Battle against Communism in the Early Cold War, Oxford: Oxford University Press 2011, XI + 273 S., 15 b/w-ill., ISBN 978-0-19-539346-0, GBP 22,50
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Sacha Zala (Bearb.): Diplomatische Dokumente der Schweiz - Documents Diplomatiques Suisses - Documenti Diplomatici Svizzeri. Band 24: 1.1.1967 - 31.12.1969, Zürich: Chronos Verlag 2012
Antoine Fleury: Documents Diplomatiques Suisses - Diplomatische Dokumente der Schweiz - Documenti Diplomatici Svizzeri. Band 22: 1.7.1961 - 31.12.1963, Zürich: Chronos Verlag 2009
Der Kalte Krieg war nicht nur ein machtpolitischer Konflikt zwischen zwei Großmächten oder zwei Militärblöcken, sondern auch ein Kampf "[f]or the Soul of Mankind". [1] Einem bisher wenig beachteten Aspekt der ideologischen Auseinandersetzung widmet sich aus amerikanischer Sicht Jonathan P. Herzog, nämlich der Religion. In Anlehnung an die Formulierung vom Entstehen eines "military-industrial complex", mit der der scheidende US-Präsident Dwight D. Eisenhower 1961 vor einer zu starken Militarisierung der amerikanischen Außenpolitik warnte, spricht Herzog in seiner Untersuchung von der Existenz eines "spiritual-industrial complex" in den späten 1940er und 1950er Jahren. Demzufolge stellten amerikanische Politiker, Kirchenvertreter und Publizisten in der Entstehungsphase des Kalten Krieges häufig die Unvereinbarkeit von christlich-jüdischem Glauben und dem Kommunismus heraus, den sie selbst als eine konkurrierende Religion betrachteten: "Worried that the spread of Communist ideas would undermine the home front, these leaders concluded that religious faith was one of the most potent arrows in the quiver of domestic security. They did not hesitate to call the Cold War a holy crusade. [...] Through their efforts religious faith became the bedrock of freedom"(6).
Das Buch gliedert sich in drei Teile. Im ersten Abschnitt beschreibt Herzog das sich wandelnde Religionsverhalten der Amerikaner beispielhaft an drei Orten, der Kleinstadt Muncie in Indiana, dem Dorf Dayton in Tennessee und der Hauptstadt Washington D.C. Auf der Grundlage früher Meinungsumfragen, soziologischer Untersuchungen und statistischer Daten verweist er auf einen deutlichen Trend zur Säkularisierung in der amerikanischen Bevölkerung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts infolge von Technisierung, Massenproduktion und Konsumgesellschaft. Dieser Trend wurde auch durch die Weltwirtschaftskrise und im Zweiten Weltkrieg nicht umgekehrt, sondern eher noch verstärkt.
Gleichzeitig gab es bereits in der Zwischenkriegszeit Warnungen vor der quasireligiösen Dimension des Kommunismus, welche die Ideologie auch für Amerikaner attraktiv machen könnte. Unter der Führung des demokratischen Kongressabgeordneten Martin Dies aus Texas wurde eine Reihe von Anhörungen zu den Gefahren des Kommunismus durchgeführt, woraus später das berüchtigte "House Committee on Un-American Activities" (HUAC) hervorging. 1940 veröffentlichte Dies ein Buch mit dem Titel "The Trojan Horse in America", in dem er eindringlich vor den Gefahren des Kommunismus warnte.
An diese vorhandenen ideologischen Grundlagen konnten die Antikommunisten nach dem Zweiten Weltkrieg anknüpfen. In der amerikanischen Bevölkerung gab es ein Bedürfnis nach Rückbesinnung und Werteorientierung, welches von den christlichen Kirchen und von Politikern aufgenommen wurde und zu einem Trend der Hinwendung zur Religion in den USA führte. Welche Rolle der beginnende Kalte Krieg und die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus bei dieser Gesamtentwicklung spielten, wird indes nicht ganz deutlich. Herzog scheint ihnen einen hohen Anteil beizumessen, wenn er ausführt, dass "[m]any of the anti-Communist religious leaders whose cries were muffled by the strategic necessities of World War II reemerged in postwar America as spiritual Cold Warriors" (61).
Der zweite Teil des Buches legt dar, wie der "spiritual-industrial complex" von politischer und gesellschaftlicher Seite organisiert und mit welchen Mitteln die ideologische Auseinandersetzung geführt wurde. Eine zentrale Rolle kam dabei den amerikanischen Präsidenten Harry S. Truman (1945-1953) und Dwight D. Eisenhower (1953-1961) zu. Der Demokrat Truman hielt sich zunächst mit öffentlichen Äußerungen zur religiösen Dimension des entstehenden Kalten Krieges zurück, trat aber auf diplomatischer Ebene 1947 in einen Briefwechsel mit dem Heiligen Vater in Rom, den er, so Herzog, als eine Art moralischen Verbündeten gewinnen wollte. Papst Pius XII. antworte mit Wohlwollen auf Trumans Forderung nach einer Erneuerung des Glaubens. Zwar blieb die Korrespondenz auf geistliche Fragen beschränkt, doch indem das Weiße Haus den Briefwechsel veröffentlichte, zeigte der Präsident, dass er der Religion eine hohe Bedeutung beimaß, auch wenn einige amerikanische protestantische Kirchenführer auf den engen Kontakt zum Vatikan mit Erstaunen oder Ablehnung reagierten.
Noch deutlicher zeigte sich der Trend zur "Sakralisierung" in der amerikanischen Gesellschaft unter dem Republikaner Eisenhower, der selbst ein Vorbild für den "Weg zu Gott" sein wollte. Er war zwar religiös eingestellt, doch bis zu seiner Präsidentschaft kein regelmäßiger Kirchgänger gewesen, fühlte sich also keiner bestimmten Glaubensrichtung zugehörig. Ein erstes Zeichen setzte Eisenhower, indem er bei seiner Amtseinführung nach Ableistung des Amtseides die Anwesenden zu einem gemeinsamen, von ihm gesprochenen Gebet aufrief. Wenige Tage später ließ er sich als neues Mitglied der "National Presbyterian Church", der auch FBI-Chef J. Edgar Hoover angehörte, unter großer öffentlicher Anteilnahme taufen. Zudem verfügte Eisenhower, dass jede Kabinettssitzung mit einem Gebet beginnen sollte, und führte den "National Day of Prayer" ein.
Auch in anderen staatlichen Bereichen gab es Schritte hin zur "Sakralisierung". So wurde 1954 dem "Pledge of Allegiance", dem an Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen allmorgendlich zu leistenden patriotischen Treueschwur, der Formulierung "one nation" die Worte "under God" hinzugefügt. Ein Zeitungskommentar führte hierzu aus, dass "in times like these when godless Communism is the greatest peril the nation faces, it becomes more necessary than ever to avow our faith in God" (105). Zudem wurde beschlossen, den Aufdruck "In God we Trust" nicht mehr nur auf einigen Münzen, sondern auf allen Geldmitteln inklusive Banknoten verbindlich zu machen; außerdem wurde "In God we trust" zum nationalen Motto der USA erklärt. Weitere Bestrebungen zur "Sakralisierung" gab es in den Streitkräften und im Bildungssektor. Hingegen verzichtete der umstrittene Senator Joseph McCarthy, der sehr religiös eingestellt war, bei seiner "Jagd" nach wirklichen oder vermeintlichen Kommunisten auf die Nutzung religiöser Argumente. Auf diese Weise wurde laut Herzog vermieden, dass der "spiritual-industrial complex" zum Gegenstand der innenpolitischen Auseinandersetzung wurde, die den religiösen Konsens im frühen Kalten Krieg hätte gefährden können.
Der dritte Teil der Studie befasst sich mit den Ergebnissen und Folgen der religiösen Kampagne. In der Tat kann von einer Erneuerung des Glaubens in den 1950er Jahren gesprochen werden. Während religiöse Gruppen in den USA 1951 insgesamt 88 Millionen Mitglieder zählten, waren es zehn Jahre später 116 Millionen. Im Jahr 1957 waren ungefähr 50 Prozent der Amerikaner regelmäßige Kirchgänger gegenüber 35 Prozent während des Zweiten Weltkrieges. Religiöse Ratgeber wie "Go with God" oder "Pray Your Weight Away" schafften es auf die Bestsellerlisten. Bei der entscheidenden Frage nach dem Anteil der religiösen Kalten-Kriegs-Propaganda an der gesellschaftlichen "Sakralisierung" in den USA allerdings bleibt Herzog die Antwort nach Ursache und Wirkung schuldig: "The [spiritual-industrial] complex and the religious renewal were tied to one another. They grew together" (172).
Seit Ende der 1950er Jahre ebbte die religiöse Welle in den USA wieder ab und auch die Bedeutung religiöser Argumente im Kalten Krieg ging zurück. Wie sich gezeigt hatte, befand sich die amerikanische Bevölkerung nicht in Gefahr, dem Kommunismus anheimzufallen. Darüber hinaus hatte sich der Faktor Religion im Kampf mit der Sowjetunion als Nebenkriegsschauplatz herausgestellt. Nicht Glaube oder Unglaube, sondern materielle Aspekte wie militärische Kapazitäten, Wirtschaftsleistung und die Eroberung des Weltraums bestimmten den Konflikt zwischen Washington und Moskau. Als Konsequenz der religiösen Erneuerung kam es in den USA jedoch zu gesellschaftlichen Konflikten um ethisch-religiöse Themen und in der Konsequenz zur Entstehung einer fundamentalen religiösen Rechten.
Die seitenweise Lektüre von Äußerungen zum Verhältnis von Religion und Kommunismus sind zuweilen ermüdend. Auch die Zusammenstellung der Zitate wirkt etwas beliebig. Hier zeigt sich ein generelles methodisches Problem der Ideengeschichte. Da kein fester Quellencorpus existiert, sind die ausgewählten Dokumente exemplarisch. Es würde nicht weiter auffallen, wenn ein bestimmtes Zitat nicht verwendet worden oder stattdessen andere Aussagen und Zeitungskommentare herangezogen worden wären. Schließlich bleibt die Frage offen, ob die religiöse Komponente des Kalten Krieges wirklich entscheidend zur "Sakralisierung" in den USA beigetragen hat oder bloß ein Nebeneffekt war. Allerdings weist Herzog mit seiner Untersuchung auf zwei wichtige Aspekte hin: Erstens gab es eine ideengeschichtliche Grundlage für die quasireligiöse Rhetorik der 1980er Jahre wie etwa Ronald Reagans Bezeichnung der Sowjetunion als "evil empire". Zweitens haben die 1950er Jahre die amerikanische Gesellschaft nachhaltig geprägt. Einige der vermeintlich auf die Gründungsväter zurückgehenden Traditionen existieren erst seit damals.
Anmerkung:
[1] Vgl. Melvyn P. Leffler: For the Soul of Mankind. The United States, the Soviet Union, and the Cold War, New York 2007.
Philip Rosin