Sacha Zala (Bearb.): Diplomatische Dokumente der Schweiz - Documents Diplomatiques Suisses - Documenti Diplomatici Svizzeri. Band 24: 1.1.1967 - 31.12.1969 (= Kommission für die Veröffentlichung diplomatischer Dokumente der Schweiz; Bd. 24), Zürich: Chronos Verlag 2012, LXVIII + 536 S., ISBN 978-3-0340-1133-4, EUR 64,00
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Sacha Zala (Bearb.): Diplomatische Dokumente der Schweiz - Documents Diplomatiques Suisses - Documenti Diplomatici Svizzeri. Band 23: 1.1.1964 - 31.12.1966, Zürich: Chronos Verlag 2011
Antoine Fleury: Documents Diplomatiques Suisses - Diplomatische Dokumente der Schweiz - Documenti Diplomatici Svizzeri. Band 22: 1.7.1961 - 31.12.1963, Zürich: Chronos Verlag 2009
Sacha Zala / Sabine Rutar / Oliver Schmitt (Hgg.): Die Moderne und ihre Krisen. Studien von Marina Cattaruzza zur europäischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Göttingen: V&R unipress 2011
Sacha Zala (Bearb.): Diplomatische Dokumente der Schweiz - Documents Diplomatiques Suisses - Documenti Diplomatici Svizzeri. Band 23: 1.1.1964 - 31.12.1966, Zürich: Chronos Verlag 2011
Sacha Zala: Geschichte unter der Schere politischer Zensur. Amtliche Aktensammlungen im internationalen Vergleich, München: Oldenbourg 2001
Die Edition wichtiger Quellen zur helvetischen Außenpolitik im Zeitalter des Kalten Krieges 1945 bis 1989 schreitet voran und weist mit der Publikation eines Bandes pro Jahr mittlerweile eine höhere Schlagzahl auf als zu Beginn des Projekts. [1] Die konzeptionelle Besonderheit der "Diplomatischen Dokumente der Schweiz" besteht in der Verbindung der Printausgabe mit der Internetdatenbank Dodis (www.dodis.ch), in der die im Editionsband behandelten Themen durch weitere Dokumente ergänzt werden.
Der an dieser Stelle anzuzeigende Band 24 umfasst den Zeitraum vom 1. Januar 1967 bis zum 31. Dezember 1969. In ihm spiegelt sich der Übergang von einer Phase der Konfrontation im Ost-West-Konflikt hin zur Détentepolitik aus Sicht der neutralen Schweiz wider. Die Regierung in Bern war mit Blick auf die neuen Entwicklungen zunächst eher zurückhaltend, passte sich aber bald den internationalen Veränderungen an, um mögliche politische und wirtschaftliche Vorteile zu nutzen und um eine mögliche außenpolitische Isolierung der Eidgenossenschaft zu vermeiden.
Auf die Niederschlagung des "Prager Frühlings" durch die Sowjetunion und ihre osteuropäischen Verbündeten reagierte die Schweiz mit für ihre Verhältnisse deutlicher Kritik. Der Bundesrat verurteilte das Vorgehen der Sowjetunion und ihrer Verbündeten in einer öffentlichen Erklärung, und Außenminister Willy Spühler teilte dem sowjetischen Geschäftsträger in Bern am 21. August 1968 in einem Gespräch mit, "dass die Gefühle des Schweizervolks ganz auf der Seite des tschechischen Volkes seien und es den Eindruck habe dass das Selbstbestimmungsrecht eines kleinen Staates [...] gegenüber dem Herrschaftsanspruch einer Grossmacht nicht zähle" (dodis.ch/32192).
Das Prager Ereignis zeitigte jedoch keine nachhaltige Verschlechterung der Ost-West-Beziehungen. Der französische Außenminister Michel Debré bezeichnete es verharmlosend sogar als einen "Verkehrsunfall" [2] auf dem Weg zur Entspannung. In der Folge bemühte sich die Schweiz um eine Annäherung an die sogenannten Oststaaten. In einer Aufzeichnung vom 29. Mai 1969 trat etwa der Leiter der Ostabteilung des Außendepartements, Hans Miesch, für engere Kontakte zur DDR ein, denn es sei "nicht nur ein Recht, sondern eine Pflicht, uns der im Gebiete der DDR niedergelassenen zahlreichen Schweizer und der dort notleidenden schweizerischen Vermögenswerte anzunehmen." Die Hallstein-Doktrin sei darüber hinaus "angeschlagen. [...] Man neigt in Bonn dazu, die Reaktion ja nach der Interessenlage abzustimmen und kommt damit ins Schlingern" (dodis.ch/32468).
Ausdruck einer aktiveren helvetischen Ostpolitik war auch die Reise von Außenminister Willy Spühler nach Rumänien. Im Gespräch mit ihm äußerte der rumänische Staatsratsvorsitzende Nicolae Ceausescu deutliche Zweifel am schweizerischen Konzept der bewaffneten Neutralität, denn, so Ceausescu, "im Zeitalter des Atomkriegs sei es höchst zweifelhaft, ob diese Neutralität noch einen Sinn" habe (dodis.ch/32536).
Zusätzliche Dynamik im Ost-West-Verhältnis ergab sich im Frühjahr 1969 durch die Initiative Finnlands - damit eine sowjetische Forderung aufgreifend zur Einberufung einer Europäischen Sicherheitskonferenz. Die Schweiz bewertete die Erfolgchancen eher skeptisch, erklärte sich aber generell zu einer möglichen Teilnahme bereit, denn "[l]a seule alternative à la détente est la guerre, froide ou chaude" (dodis.ch/32403). Daneben gab es für die Schweiz vor dem Hintergrund ihrer Nichtmitgliedschaft in der UNO und der Zurückhaltung beim europäischen Integrationsprozess auch das Bestreben, sich international nicht weiter zu isolieren. Im Dezember 1969 wurde im Außendepartement eine Arbeitsgruppe zur Europäischen Sicherheitskonferenz gebildet und in der konstituierender Sitzung auf die möglichen negativen Konsequenzen einer Nichtteilnahme verwiesen: "Wenn die Schweiz nicht von Anfang an dabei ist, könnten ihr Schwierigkeiten entstehen, später 'einzusteigen'. [...] Unser Interesse für die Konferenz ist somit sicher angezeigt" (dodis.ch/32405).
Vom neu gewählten Bundeskanzler Willy Brandt erhoffte sich Bundesrat Spühler, wie er in einem Brief vom 24. November 1969 ausführte, Verständnis für die Interessen der Schweiz im Ost-West-Konflikt sowie in der Europapolitik, und brachte dabei auch generelle Zustimmung zum neuen politischen Kurs zum Ausdruck: "Nicht nur Ihre politischen Freunde, sondern weiteste Volkskreise unseres Landes verfolgen mit deutlicher Sympathie und wachem Interesse die Politik Ihrer Regierung" (dodis.ch/33243).
Bezogen auf die bilateralen Beziehungen der Schweiz, sticht in der Edition das ambivalente Verhältnis Berns zum südafrikanischen Apartheid-Regime hervor. [3] So übte der schweizerische Chefdelegierte bei der UN-Menschenrechtskonferenz in Teheran, Botschafter August Lindt, in seiner Ansprache am 2. Mai 1968 deutliche Kritik an der Rassendiskriminierung Pretorias: "Nous nous trouvons en face d'une société où des hommes, uniquement à cause de leur différence raciale, sont entièrement isolés les uns des autres. Une minorité raciale impose à une majorité d'une autre race un développement différent de vue juridique, économique et éducatif..." (dodis.ch/33245) [Übersetzung: "Wir sehen uns einer Gesellschaft gegenüber, wo die Menschen, allein aufgrund ihrer rassischen Unterschiede, vollkommen voneinander isoliert sind. Eine rassische Minderheit erlegt einer andersrassigen Mehrheit eine im Hinblick auf deren rechtliche und ökonomische Stellung sowie die Bildungschancen eine andere Entwicklung auf"]. Auf der anderen Seite sah sich die Schweiz aufgrund ihrer engen Wirtschaftsbeziehungen zu Südafrika selbst internationaler Kritik ausgesetzt. In einer internen Besprechung im Dezember 1967 von Vertretern verschiedener Departements wurde diese Kritik als versuchte Kampagne abgetan, der mit entsprechenden Initiativen in Öffentlichkeit und Diplomatie zu begegnen sei. Zugleich wurde die Bedeutung der Wirtschaftsbeziehungen zum Regime in Pretoria betont: "L'Afrique du Sud est un partenaire économique très important..." (dodis.ch/33642) [Übersetzung: "Südafrika ist ein sehr wichtiger Wirtschaftspartner"]. Dass die Angelegenheit eher unter taktischen Gesichtspunkten gesehen wurde, zeigt auch eine interne Notiz vom 18. Januar 1969 an den Leiter der Handelsabteilung im Volkswirtschaftsdepartement. Um die Schweiz aus dem Fokus der Kritik zu bringen, habe die Botschaft in Pretoria beim südafrikanischen Finanzministerium mit Erfolg darauf hingewirkt, "dass unser Land in den vierteljährlichen Bulletins der Reserve Bank (Foreign liabilities of South Africa) nicht mehr namentlich aufgeführt wird, sondern unter 'Westeuropa' figuriert" (dodis.ch/33248).
An der Südafrika-Problematik zeigen sich exemplarisch die Zielkonflikte schweizerischer Außenpolitik zwischen moralischem Anspruch einerseits und realistischen Interessen andererseits. Das "Kriterium der Nützlichkeit" [4] erwies sich für die Regierung in Bern auch im Verhältnis zu Pretoria letztendlich als entscheidend.
Neben vielen Aspekten der schweizerischen Diplomatie bietet der Band auch interessante Beobachtungen und Bewertungen zum Weltgeschehen in einer Zeit, in der sich ein Wandel der internationalen Beziehungen zu vollziehen begann. Erleichtert wird die Orientierung durch jeweilige Register zu den erwähnten Personen, Körperschaften und Orten. Darüber hinaus sind auch die Bestände aufgelistet, deren Freigabe an die Editionsgruppe durch die schweizerischen Bundesbehörden verweigert wurde, und die inhaltlich nicht selten einen Bezug zum Export von Kriegsmaterial aufweisen. [5] Diese Sachverhalte näher zu analysieren, wird nachfolgenden Forschergenerationen vorbehalten sein.
Anmerkungen:
[1] Vgl. den Editionsplan unter http://www.dodis.ch/de/editionsplan.
[2] Georges-Henri Soutou: La guerre de Cinquante Ans. Les relations Est-Ouest 1943-1990, Paris 2001, 482.
[3] Vgl. zur Thematik Georg Kreis: Die Schweiz und Südafrika 1948-1994. Schlussbericht des im Auftrag des Bundesrats durchgeführten Forschungsprojekts NFP 42+, Bern 2005.
[4] Hans Ulrich Jost: Europa und die Schweiz 1945-1950. Europarat, Supranationalität und schweizerische Unabhängigkeit (= Schweizer Beiträge zur internationalen Geschichte 2), Zürich 1999, 150.
[5] Die Liste ist auch online zugänglich unter www.dodis.ch/dds/BGA.
Philip Rosin