Klaus Herbers / Fernando López Alsina / Frank Engel (Hgg.): Das begrenzte Papsttum . Spielräume päpstlichen Handelns. Legaten - delegierte Richter - Grenzen (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Neue Folge; Bd. 25), Berlin: De Gruyter 2013, XII + 332 S., 5 Farbabb., ISBN 978-3-11-030463-3, EUR 99,95
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Volker Reinhardt: Luther der Ketzer. Rom und die Reformation, München: C.H.Beck 2016
Klaus Herbers / Victoria Trenkle (Hgg.): Papstgeschichte im digitalen Zeitalter. Neue Zugangsweisen zu einer Kulturgeschichte Europas, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2018
Clemens Gantner: Freunde Roms und Völker der Finsternis. Die päpstliche Konstruktion von Anderen im 8. und 9. Jahrhundert, Wien: Böhlau 2014
Tanja Broser: Der päpstliche Briefstil im 13. Jahrhundert. Eine stilistische Analyse der Epistole et dictamina Clementis pape quarti, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2018
Andrea Sommerlechner / Herwig Weigl (Hgg.): Innocenz III., Honorius III. und ihre Briefe. Die Edition der päpstlichen Kanzleiregister im Kontext der Geschichtsforschung, Wien: Böhlau 2023
Axel Bayer: Spaltung der Christenheit. Das sogenannte Morgenländische Schisma von 1054, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2002
Mary Stroll: Calixtus II (1119-1124). A Pope Born to Rule, Leiden / Boston: Brill 2004
Hermannus Jakobs (Hg.): Germania Pontificia sive Repertorium Privilegiorum et Litterarum a Romanis Pontificibus ante annum MCLXXXXVIII. Vol. V/2: Provincia Maguntinensis. Pars VI: Dioeceses Hildeesheimenses et Halberstadensis. Appendix Saxonia, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2005
Klaus Herbers / Helmut Neuhaus: Das Heilige Römische Reich. Schauplätze einer tausendjährigen Geschichte (843-1806), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2005
Wilfried Hartmann / Klaus Herbers (Hgg.): Die Faszination der Papstgeschichte. Neue Zugänge zum frühen und hohen Mittelalter, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2008
Klaus Herbers / Nikolaus Jaspert (Hgg.): Grenzräume und Grenzüberschreitungen im Vergleich. Der Osten und der Westen des mittelalterlichen Lateineuropa, Berlin: Akademie Verlag 2007
Der auf eine Tagung im Jahr 2010 zurückgehende Band greift aktuelle Forschungsansätze zum Papsttum des Hochmittelalters auf. Neben allgemeinen Fragen und Ansätzen stehen vor allem die Legaten und Delegaten im Vordergrund [1] sowie die Grenzen päpstlicher Handlungsvollmachten. Der regionale Fokus liegt für den Zeitraum des 12. und 13. Jahrhunderts neben allgemein ausgerichteten Beiträgen vor allem auf der iberischen Halbinsel, gegliedert in vier Abschnitte: Allgemeine Fragen, Grenzen, Legaten und delegierte Richter.
In ihrer Einleitung (1-10) bieten Klaus Herbers und Frank Engel eine kurze Skizze der folgenden Beiträge und Überlegungen zum Thema "Grenzen, Begrenzung und Entgrenzung" (3), die sich in die Themenkomplexe Zentrum / Zentralität, Transfer / Kommunikation und die Aktualisierung von Traditionen gliedern. Die Leitlinien des Bandes sind dabei immer wieder die Möglichkeiten und Grenzen päpstlichen Handelns, die Rudolf Schieffer, "Die Reichweite päpstlicher Entscheidungen nach der papstgeschichtlichen Wende" (13-27), für die Zeit von 1046 bis zu Innozenz III. untersucht. Dabei fragt er unter anderem nach dem Zusammenhang der Universalisierung der römischen Kirche und der Tatsache, dass lediglich vier Päpste des 12. Jahrhunderts von ihrer Herkunft her Römer waren, und beleuchtet beispielhaft die Wirkmöglichkeiten päpstlicher Instrumente wie Legaten, Dekretalen und Synoden. Agostino Paravicini Bagliani, "Hat das Papsttum seiner plenitudo potestatis Grenzen gesetzt (1050-1300)?" (29-41), arbeitet in drei chronologisch gestaffelten Etappen heraus, dass die Päpste zumindest von Gregor VII. bis zu Innozenz III. keine geografischen Grenzen der ihnen anvertrauten Christenheit und damit für ihren Handlungsraum sahen. Eine von den Päpsten selbst festgelegte Begrenzung der plenitudo potestatis stellen hingegen die Rituale bei der Einsetzung des Papstes dar, die jedoch keine reale Begrenzung nach sich zogen. Dennoch blieb der Hinfälligkeitsdiskurs seit der Mitte des 11. Jahrhunderts das gesamte weitere Mittelalter über erhalten. Den Einfluss des Papsttums - oder besser gesagt der römischen Kirche - in einem Bereich, der bisher in der deutschen historischen Forschung eher summarisch behandelt wurde, behandelt Thomas Deswarte, "Un manuscrit liturgique à la croisée des mondes hispanique et romain: le Liber ordinum RAH 56 (fol. 0-1)" (43-63), mit sieben farbigen Abbildungen des Codex. Anhand dieser Handschrift gelingt es Deswarte, den Einfluss Roms auf die Liturgie der iberischen Halbinsel zu konkretisieren. Dabei ergibt sich, dass die Mönche des Klosters San Millán die römischen Liturgievorlagen nicht schlicht übernahmen, sondern durch geschickte Adaption und Anverwandlung ihre Liturgie zu bewahren suchten, beziehungsweise durch ein gewandeltes äußeres Erscheinungsbild tarnten. Werner Maleczek, "Das Kardinalat von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts (mit besonderer Blickrichtung auf die iberische Halbinsel)" (65-81), untersucht die Entwicklung des etwa 170 Personen umfassenden sacrum collegium hinsichtlich seiner rechtlichen Stellung und seines Wandels, wie etwa der Bemühungen Innozenz' IV., die Rechte der Kardinäle zumindest auf einer theoretischen Ebene in seinem 1245 abgeschlossenen Apparatus zu reduzieren. Ebenso werden das Zeremoniell, die täglichen Aufgaben der Kardinäle an der Kurie, ihr Papstwahlrecht oder unterschiedliche Parteiungen im Kolleg thematisiert. Abschließend behandelt er die drei aus Spanien stammenden Kardinäle sowie die Legationsreisen von Kardinälen nach Spanien. Gerhard Sailler, "Papsturkunden in Portugal von 1198 bis 1304. Ein Beitrag zum Censimento" (83-101), schöpft aus seiner noch unveröffentlichten Dissertation [2], die für den Zeitraum zwischen Innozenz III. und Benedikt XI. insgesamt 433 Urkunden im Original erfasst und in Hinblick auf ihre äußeren Merkmale beschreibt. Einleitend bietet er zudem einen Überblick über den Stand des Censimento sowie die Papsturkundenforschung in Portugal allgemein, die in den Archiven aufzufindenden Urkundentypen sowie deren Verteilung auf unterschiedliche Empfänger.
Der Abschnitt zu den Grenzen setzt sich aus vier Beiträgen zusammen: Fernando López Alsina, "El Parrochiale Suevum y su presencia en las cartas pontificias del siglo XII" (105-131), behandelt die Rolle des Papsttums in den Königreichen von Léon und Portugal zwischen 1050 und 1150 und geht dabei auch auf das Diözesanmodell des Parrochiale Suevum aus dem 6. Jahrhundert ein, das er textlich im Anhang bietet. Maria Cristina Cunha, "Coimbra and Porto: Episcopacy and National Identity in Diocesan Border Quarrels" (133-145), untersucht vorrangig anhand der Papsturkunden als Bezugsrahmen der Protagonisten die Auseinandersetzungen zwischen Porto und Coimbra im Spannungsfeld von regionalem Bezug und der Herausbildung einer "Nationalkirche". Ursula Vones-Liebenstein, "Narbona metropolis: Grenzen zwischen kirchlichen Interessen und weltlicher Herrschaftsbildung" (147-167), behandelt in einem Durchgang von der Spätantike bis zum 13. Jahrhundert das Schicksal der Kirchenprovinz Narbonne im Spannungsbogen von kirchlichen und politisch-herrschaftlichen Strukturen namentlich den Herrschaftsinteressen der Grafen von Barcelona und Melgueil sowie den Grafen von Toulouse. Auch der Beitrag von José Luis Martín Martín, "Problemas de límites en las diócesis vecinas de Castilla y Portugal en la Edad Media" (169-196), widmet sich dem Problem der teilweise fehlenden Deckung von kirchlichen und politischen Grenzen, wobei sich hier die Fluidität der Diözesangrenzen bei den behandelten Beispielen bis ins 15. Jahrhundert fortsetzt, was auch durch drei Karten veranschaulicht wird (186, 192f.).
Den Reigen der Beiträge zu den Legaten eröffnet Claudia Zey, "Legaten im 12. und 13. Jahrhundert. Möglichkeiten und Beschränkungen (am Beispiel der Iberischen Halbinsel, des Heiligen Landes und Skandinaviens)" (199-212), mit einem vergleichenden Überblick, in dem sie abschließend auf noch zu leistende Forschungsarbeiten hinweist, wie etwa dem konkreten Informationsaustauch, den Formen der Netzwerkbildung und anderem. Ludwig Vones, "Legation und Konzilien. Der päpstliche Legat Richard von Marseille und die konziliare Tätigkeit auf der Iberischen Halbinsel" (213-236), untersucht die Aktivitäten Richards in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts, seine vier Legatensynoden sowie die weitreichenden Konsequenzen seiner Tätigkeit wie etwa die Einführung des römischen Ritus und die personelle Anbindung wichtiger Positionen auf der iberischen Halbinsel an die Reformer, indem er etwa dafür sorgte, dass ein Cluniazenser Erzbischof von Braga wurde. Eine fast ausschließlich regionalgeschichtlich ausgerichtete Studie ist Santiago Domínguez Sánchez, "El Papel de los Legados y de los Jueces pontificios en la lucha de los Obispados de León y Lugo por Triacastela" (237-248), der auf allgemeine, anderssprachige oder auf das Papsttum ausgerichtete Literatur verzichtet. Für einen besseren Zugang wäre es sicherlich ratsam gewesen, etwa die aus einem Urkundenbuch zitierten Dokumente Lucius' III. auch mit der entsprechenden Regestennummer der Regesta Imperii zu versehen. [3]
Die Sektion zu den Delegaten wird durch zwei Beiträge gebildet. Daniel Berger, "Delegierte Gerichtsbarkeit im Bistum Burgos im 12. Jahrhundert. Zu Verbreitung und Akzeptanz einer neuen Form der Rechtsprechung" (251-288), der bereits den Iberia Pontificia-Band zu Burgos vorgelegt hat [4], spürt ausgehend von Bischof Maritius von Burgos (1213-1238), der regelmäßig von Honorius III. zu einem delegierten Richter ernannt worden war, den Anfängen der Delegationsgerichtsbarkeit in Burgos nach, die bis in den Beginn des 12. Jahrhunderts und damit in den Pontifikat Paschalis' II. reichen. Die danach einsetzende kontinuierliche Zunahme an Delegationsprozessen findet lediglich im Innozenzianischen Schisma ein retardierendes Moment, nicht jedoch im Alexandrinischen. Frank Engel, "Die Diözese Ávila und die päpstliche Delegationsgerichtsbarkeit im 12. Jahrhundert" (289-309), skizziert zunächst Ursprung und Ausformung des Bistums Ávila bevor er dann die delegierten Richter aus der Diözese sowie die Streitsachen zusammenstellt. Ein Anhang bietet die delegierten Richter und die Quellennachweise in tabellarischer Form. Ein Register der Orts- und Personennamen (311-328) beschließt den Band.
Der vorliegende Band erweist sich damit als sehr anregend sowohl für die Papstgeschichtsforschung als auch für die Forschung zum mittelalterlichen Spanien sowie generell für einen landesgeschichtlichen Zugang, der die Papstgeschichte bewusst einbindet. Er bietet damit ganz unterschiedliche Zugangsweisen, die sicherlich ertragreich auch auf andere Regionen Europas übertragen werden können und diesem Vorhaben als Anregung dienen können - nicht allein für die Papsttumsforschung.
Anmerkungen:
[1] Vgl. dazu jüngst auch Maria Pia Alberzoni / Claudia Zey (Hgg.): Legati e delegati papali. Profili, ambiti d'azione e tipologie di intervento nei secoli XII-XIII, Mailand 2012.
[2] Gerhard Sailler: Papsturkunden in Portugal von 1198-1304 (Diss. phil. Wien 2008, siehe http://othes.univie.ac.at/716/).
[3] Vgl. dazu die von Lucius III. bis zu Gregor VIII. reichenden Bände der Regesta Imperii: Johann F. Böhmer: Regesta Imperii IV. Lothar III. und ältere Staufer 1125-1197. 4. Abt.: Papstregesten 1124-1198, Tl. 4, Lfg. 1: 1181-1184, bearb. von Katrin Baaken / Ulrich Schmidt, Köln (u.a.) 2003; Johann F. Böhmer: Regesta Imperii IV. Lothar III. und ältere Staufer 1125-1197. 4. Abt.: Papstregesten 1124-1198, Tl. 4, Lfg. 2: 1184-1185, bearb. von Katrin Baaken / Ulrich Schmidt, Köln (u.a.) 2006; Johann F. Böhmer: Regesta Imperii IV. Lothar III. und ältere Staufer 1125-1197. 4. Abt.: Papstregesten 1124-1198, Tl. 4, Lfg. 3: 1185-1187, bearb. von Ulrich Schmidt unter Mitwirkung von Katrin Baaken, Köln (u.a.) 2012.
[4] Daniel Berger: Regesta Pontificum Romanorum. Iberia Pontificia, Vol. I: Dioeceses exemptae. Dioecesis Burgensis, Göttingen 2012.
Jochen Johrendt