Amar S. Baadj : Saladin, the Almohads and the Banū Ghāniya. The Contest for North Africa (12th and 13th Centuries) (= Studies in the History and Society of the Maghrib; Vol. 7), Leiden / Boston: Brill 2015, X + 250 S., ISBN 978-90-04-29620-6, EUR 79,00
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Wenig ist bisher bekannt von der mittelalterlichen Geschichte Nordwestafrikas, also der Region, die in den arabischen Quellen unter dem Namen 'Ifriqiya' zu finden ist und die heute Tunesien, Westlibyen und Ostalgerien umfasst. Insofern ist es zu begrüßen, dass nun ein aus einer an der Universität von Toronto unter der Betreuung von Linda S. Northrup verfertigten Dissertation hervorgegangenes Buch die Zeit von der Ausbreitung des Hilali-Stammes und dem gleichzeitigen Aufstieg der Almoraviden in der Mitte des 11. Jahrhunderts bis zum Zusammenbruch des Almohadenreiches im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts zum Gegenstand hat.
In erster Linie geht es dem Autor um die Rekonstruktion der Ereignisse, wobei die Rolle der Banu Ghaniya und die Person des ayyubidischen Militärführers Qaraqush im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Bevor jedoch die strikt chronologisch gehaltene Darstellung einsetzt, gibt uns Amar Baadj eine sinnvolle Einführung in die allgemeinen historischen Rahmenbedingungen. Neben geographischen Determinanten kommen vor allem wirtschaftliche Faktoren und hier insbesondere der Transsahara- und der Goldhandel zur Sprache. Darüber hinaus bekommt der Leser einen sehr guten und konzisen Einblick in die Geschichte der Region bis etwa 1050 geboten.
Den Beginn der historischen Erzählung bildet eine Bestandsaufnahme der Situation im östlichen Maghreb zur Zeit der Stadtstaaten und Kleindynastien zu Beginn des 11. Jahrhunderts. Nach der Auflösung der Herrschaftsstrukturen der Ziriden entstanden zahlreiche städtische Machtzentren und viele tribale Fürstentümer. Aus dem Westen drangen gleichzeitig die Hammadiden in das Gebiet ein. Hinzu kamen Hilali- und Sulaymi-Gruppen, die bereits während der Ziridenzeit von Oberägypten nach Ifriqiya migriert waren und sich im Laufe der Zeit bis zum Atlantik ausbreiteten. Das einst blühende Gelehrtenzentrum Kairuan wurde 1057 von den Hilali geplündert und daraufhin von seinen Bewohnern weitgehend verlassen. Erlebte der östliche Maghreb somit eine politisch turbulente Zeit, so bildeten sich im Westen erst unter den Almoraviden, dann unter den Almohaden zwei stabile berberische Herrschaftsverbände heraus.
Im folgenden Kapitel beschreibt der Verfasser die Etablierung der Banu Ghaniya als eigene Gruppe innerhalb des übergeordneten almoravidischen Verbundes. Es gelang ihnen um die Mitte des 12. Jahrhunderts, als al-Andalus an die Almohaden fiel, auf den Balearen ein eigenes Fürstentum zu errichten. Sie gaben die Hoffnung allerdings nie auf, den Almoravidenstaat zu erneuern und die Almohaden zu vernichten. In der Mitte der 1180er Jahren setzte daher Ali b. Ghaniya mit Truppen an die algerische Küste über und eroberte große Teile des zentralen Maghrebs. Einer seiner Alliierten in Nordafrika war Qaraqush, ein türkischer Offizier aus den Reihen des ayyubidischen Herrschers Salah ad-Din.
Amar Baadj holt nun etwas aus, um das Engagement der Ayyubiden in Ifriqiya zu erklären. Das vierte Kapitel ist den ökonomischen und politischen Umständen gewidmet, die ihren Aufstieg ermöglichten. Die teuren Kriegszüge an vielen Fronten führten zu einer finanziellen Notsituation, die Saladin dazu brachte, Männer nach Ifriqiya zu schicken, die die Aufgabe hatten, den Transsaharahandel und damit auch den Zugang zu dem westafrikanischen Gold zu kontrollieren. Dabei nahm man auch einen Konflikt mit den zu dieser Zeit mächtigen Almohaden in Kauf. In den 1170er Jahren gelang es Saladins Emiren Qaraqush und Ibn Qaratikin, sowohl die Cyrenaica wie auch die libyschen Oasen von Siwa bis nach Ghadamis unter ihre Kontrolle zu bringen, wodurch sie in almohadisches Gebiet vordrangen. Es kam zu Zwistigkeiten unter den beiden ayyubischen Heerführern, aus denen Qaraqush als Sieger hervorging. Bis 1185 gelang es Qaraqush Ifriqiya zu erobern. Die Antwort der Almohaden, die der Gegenstand des sechsten Kapitels darstellt, ließ nicht lange auf sich warten, zumal sich inzwischen Ali b. Ghaniya Qaraqush angeschlossen hatte. Bei Hamma brachte jedoch 1187 der almohadische Kalif Ya'qub al-Mansur den alliierten Kräften eine schmerzhafte Niederlage bei. Saladin trat daraufhin von Ägypten aus in Verhandlungen mit dem Kalifen ein. Er distanziert sich offenbar von Qaraqush¸ zumindest kam es zu keinen weiteren Aktionen in Libyen und Ifriqiya. Qaraqush und seine Leute traten sogar für eine kurze Zeit in die Dienste der Almohaden, wohingegen sich die Banu Ghaniya an die Ränder der Region zurückzogen, um auf eine neue Gelegenheit zum Losschlagen zu warten. Nach dem Tod von Ali b. Ghaniya übernahm sein Bruder Yahya die Führung.
Yahya b. Ghaniyas langer militärischer Karriere ist das nun folgende Kapitel gewidmet. Zwischen 1191 und 1204 konnte er Ifriqiya kontrollieren, doch 1203 eroberten die Almohaden Mallorca, die Heimatbasis der Banu Ghaniya, um anschließend massiv gegen die Widersacher in Nordwestafrika vorzugehen. Der Kalif an-Nasir entschloss sich, da er anderenorts gebraucht wurde, einen Hafsiden als Statthalter in Tunis zurückzulassen. Dieser besiegt Yahya b. Ghaniya, der mit seinen Leuten nach Marokko auswich. Einige Jahre später kehrte er zurück, wobei er sich zunächst erfolgreich gegen den in Waddan sitzenden Qaraqush wandte. Bis zu seinem Tod in den 1230er Jahren setzte Yahya b. Ghaniya den Kampf gegen die Almohaden fort. Zu dieser Zeit hatten diese bereits über große Teile ihres Reiches die Kontrolle verloren. Die Hafsiden konnten in Ifriqiya und die Zayyaniden im mittleren Maghreb eigene Prinzipalitäten errichten. Als einen Endpunkt dieser Entwicklung kann man die Etablierung der Mariniden nach 1269 im Westen ansehen.
Das Fazit, das Amar Baadj am Ende seiner Studie zieht, lautet: (1) Die Banu Ghaniya waren aus Sicht der Almohaden ein steter Unruheherd. Nicht zuletzt aufgrund ihres hartnäckigen Widerstandes konnten die Berber ihren Traum eines Reiches von Tripoli bis zum Atlantik nicht durchsetzen. Zudem waren sie genötigt, Statthalter wie die Hafsiden einzusetzen¸ die innerhalb kurzer Zeit unabhängig wurden. (2) Saladin verfolgte in Bezug auf Ifriqiya eine sehr pragmatische Politik. Alles in allem war sein Engagement in der Region nicht sehr erfolgreich, so dass er die ayyubidischen Aktivitäten am Ende der 1180er Jahre einstellen ließ. (3) Ein zivilisatorischer Niedergang, der von einigen Forschern mit der Migration des Hilali-Stammes und den Ambitionen der Banu Ghaniya und Ayyubiden verbunden wird, kann nicht bestätigt werden. Natürlich hatte der Kampf zwischen den verschiedenen Parteien lokal zum Teil verheerende Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse, doch ist nicht zu erkennen, dass sich die demographische, ökonomische und kulturelle Situation in Ifriqiya und im Maghrib al-Awsat von früheren Zeiten irgendwie unterschied.
Das Buch, das mit einer sehr nützlichen kommentierten Übersicht über die von dem Verfasser benutzten Quellen endet, stellt eine substantielle Erweiterung unserer Kenntnisse über diese interessante, bisher aber zu wenig erforschte Periode der Geschichte Nordwestafrikas da.
Stephan Conermann