Anke Matelowski: Die Berliner Secession 1899-1937 Chronik, Kontext, Schicksal, Wädenswil: Nimbus Verlag 2018, 671 S., ISBN 978-3-03850-033-9, EUR 68,00
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Eine Neuerscheinung im Nimbus-Verlag zur Berliner Secession? Schon hier darf der interessierte Leser vermuten, dass das keine Enttäuschung wird. Dieser Verlag veröffentlicht mit steter Verlässlichkeit Standardwerke zur Kunst und Kunstgeschichte, deren Qualität selten Wünsche offen lässt. Hierzu zählten in der Vergangenheit u.a. Veröffentlichungen zu Alfred Flechtheim oder dem Kunstsalon Cassirer, und seit Kurzem liegt die lesenswerte Publikation von Anke Matelowski vor. Das in Leinen gebundene, 671 Seiten umfassende Buch ist nicht nur Ergebnis jahrelanger Recherchen, sondern gleichzeitig die leicht überarbeitete Fassung der Dissertationsschrift der Verfasserin an der Freien Universität Berlin. Fast verwundert es, dass Peter Parets 1981 (eng. 1980) erschienenes Standardwerk über "Die Berliner Secession. Moderne Kunst und ihre Feinde im Kaiserlichen Deutschland" [1] nicht schon früher eine umfassendere Betrachtung dieser Künstlergruppe provoziert hat, aber das mag vor allem daran liegen, dass Matelowski tief eingetaucht ist in die Archive der Akademie der Künste und hierbei auf Material gestoßen ist, von denen die meisten geglaubt hatten, es wäre nicht erhalten geblieben.
Der Untertitel der Publikation "Chronik, Kontext, Schicksal" kennzeichnet die Stärken und Schwerpunkte der vorliegenden Arbeit. Während die Berliner Secession zumeist als 'wissenschaftlicher Beifang' im Rahmen von Künstlermonografien bearbeitet wurde, legt Matelowski nicht nur die erste detaillierte Chronologie der Berliner Secession vor - sowohl in Textform, als auch tabellarisch (ab 561) -, sondern die Autorin bettet das Geschehen in den großen Kontext einer virulenten deutschen Kulturgeschichte ein: gegründet zur Jahrhundertwende während der Kaiserzeit, Krisenjahre während des Ersten Weltkriegs, Neubeginn nach dem Sturz der Monarchie und der Gründung der Weimarer Republik und schicksalhaftes Ende der Secession unter der nationalsozialistischen Diktatur. Der Fokus liegt dabei - dem Thema entsprechend - auf der Stadt Berlin, doch wer erwartet, lediglich Wissenswertes über die Geschichte der Secession, ihre Protagonisten und Ausstellungen zu erfahren, der irrt, denn etliche Aspekte der zeitgenössischen Kunstszene kommen ebenfalls zur Sprache.
Eine große Qualität der Studie ist die Arbeit aus den vielfältigen Quellen heraus, wobei das übersichtliche Layout wesentlich zur Strukturierung und Gliederung der Sinneinheiten beiträgt. Auf eine kurze Einleitung folgen sieben Kapitel: Im ersten Abschnitt "von der Gründung bis zur Spaltung 1913" gibt die Autorin einen Überblick über die Entwicklungen von Künstlervereinen und - ohne auszuufern - das Phänomen der Secessionsbewegungen (in Berlin mit Gegengründung und Abspaltung nicht ganz unkompliziert). Das zweite Kapitel ist den Jahren während des Ersten Weltkriegs, dem Neubeginn bis zur Zäsur durch den Tod des langjährigen Vereinsvorsitzenden und renommierten Künstlers Lovis Corinth 1925 gewidmet. Die Berliner Secession in ihrem kunstpolitischen Kontext 1925 bis 1933 ist das Thema des dritten Abschnitts, in dem Matelowski ein vielfältiges Panorama der Künstler im Berlin der Weimarer Republik zeichnet. Hierbei stehen Fragen zur Ausbildung und Förderung, Mäzenatentum und Künstler-Selbsthilfeorganisationen ebenso im Zentrum, wie Struktur, Selbstverständnis und Vereinsleben wie auch die Ausstellungen der Berliner Secession. Für das größere Verständnis trägt das anschließende Kapitel bei: Hierin spürt die Verfasserin den Beziehungen zu anderen Vereinigungen nach, wie dem Deutschen Künstlerbund oder der Novembergruppe. Während das nachfolgende Kapitel die Radikalisierung der Politik und die Auswirkungen auf die Kunstschaffenden beschreibt, mündet die Geschichte der Berliner Secession nach wechselvollen Jahren zwischen Anpassung und Widerstand - behandelt im sechsten Kapitel - in der Auflösung der Vereinigung. Überblickshaft beschreibt Matelowski im Epilog das weitere Schicksal zentraler Secessions-Mitglieder. Einer präzisen Zusammenfassung folgt ein reichhaltiger Anhang, bestehend aus Verzeichnissen u.a. der Präsidenten und Vorsitzenden, der Mitglieder, der Signete, Ausstellungshäuser, Versammlungsorte, Ausstellungen und Kataloge. Ein Verzeichnis der Quellen - insbesondere der ungedruckten - wird weiterführenden Untersuchungen dienlich sein. Einziges Manko ist das Personenregister: Der Inhalt der Fußnoten - wie oft finden sich hierin noch wertvolle Detailinformationen! - wurde offenbar nicht oder nur unvollständig für die Zusammenstellung des Registers geprüft (Bsp. Hans Posse, 393; Paul Fechter, 516; Fritz Hellwag, 517).
Anke Matelowski hat ein Standardwerk und Handbuch nicht nur zur Berliner Secession, sondern auch zur Kultur- und Kunstgeschichte Berlins geliefert. Zahlreiche, stets inhaltlich bereichernde Abbildungen in sehr guter Druckqualität (darunter historische Fotografien, Abbildungen von Kunstwerken oder Drucksachen der Secession) oder auch die Querverweise zwischen den Kapiteln vervollständigen den Eindruck einer sehr guten Publikation.
Anmerkung:
[1] Peter Paret: Die Berliner Secession. Moderne Kunst und ihre Feinde im Kaiserlichen Deutschland, Berlin 1981.
Gloria Köpnick