Philip Steadman: Renaissance Fun. The machines behind the scenes, London: UCL Press 2021, XIX + 397 S., zahlr. Abb., ISBN 978-1-78735-916-1, GBP 30,00
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Tobias Büchi: Fortifikationsliteratur des 16. und 17. Jahrhunderts. Traktate deutscher Sprache im europäischen Kontext, Basel: Schwabe 2015
Mathilde Grünewald: Schmausende Domherren oder wie Politik auf den Tisch kommt. Mainzer Menüs 1545 und 1546, Lindenberg: Josef Fink 2012
Bettina Marten / Ulrich Reinisch / Michael Korey (Hgg.): Festungsbau. Geometrie - Technologie - Sublimierung, Berlin: Lukas Verlag 2012
Darf die Beschäftigung mit Geschichte, Kunst und Kultur der europäischen Renaissance Spaß bereiten? Unbedingt! Und das vorliegende Buch, das man neben der gedruckten Version auch kostenfrei online einsehen kann, wird diesem Anspruch nicht nur im Titel gerecht. [1]
Der Architekt Philip Steadman, der schon mit einer Reihe von Publikationen zu Themen der frühneuzeitlichen Kunst und Kultur in Erscheinung getreten ist [2], versteht in seinem neuesten Buch unter "Renaissance" die europäische Kulturgeschichte zwischen 1400 und 1700. Er steht damit in der Tradition der anglo-amerikanischen Forschung, die den Renaissance-Begriff nicht in einem kunsthistorischen Sinne als Stilbezeichnung eng führt, sondern als Epochenbezeichnung für ihren eher kulturhistorisch angelegten Ansatz fruchtbar macht.
Steadman interessiert der Einsatz von Maschinen in den verschiedenen Bereichen von Kunst und Kultur der Renaissance, wobei er danach fragt, inwiefern hier bereits in der Antike entwickelte Techniken rezipiert wurden.
Ausgangspunkt ist für ihn eine Reisebeschreibung aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Darin entführt uns der englische Tagebuchschreiber John Evelyn quer durch Europa bis nach Italien. Er ist fasziniert von Inszenierungen in Gärten, in Schlössern und in Kirchen sowie auf Bühnen, die Dinge wie von Geisterhand in Bewegung zu setzen scheinen. Dahinter steckt meist eine ausgeklügelte Technik, deren Beschreibungen sich schon in den antiken Werken von Vitruv oder Heron von Alexandria finden.
Das durch einen Personen-, Orts- und Sachindex erschlossene Buch gliedert sich nach der Einleitung in drei Hauptteile. Der erste mit den Kapiteln eins bis drei wendet sich dem Einsatz von Maschinen im Theater zu, der zweite mit den Kapiteln vier bis sechs dem in Gärten und der dritte behandelt zwei Fallbeispiele von Garten (Pratolino) und Theater (Parma), bei denen die in den beiden ersten Hauptteilen beschriebenen Einsatzmöglichkeiten von Maschinen einen unbestreitbaren Höhepunkt gefunden haben. Der Schluss reflektiert noch einmal knapp die Bedeutung der Werke des Heron von Alexandria.
Das erste Kapitel wendet sich der Frage zu, wie der Szenenwechsel im Bühnenbild mechanisch vollzogen wurde und wie die Bühnenbeleuchtung funktionierte. Es werden Entwürfe für perspektivisch aufgebaute Bühnenbilder von Baldassare Peruzzi und Sebastiano Serlio vorgestellt und einer näheren Analyse unterzogen. In einem ersten "Intermezzo" stellt Steadman die "camera obscura" als eine Möglichkeit vor, bewegte Bilder zu projizieren. Im zweiten Kapitel thematisiert Steadman, mit welchen mechanischen Hilfsmitteln Figuren und Objekte in Bewegung gesetzt wurden. Er schlägt dabei den Bogen von entsprechenden Inszenierungen in Kirchenräumen im 15. Jahrhundert bis zu Theateraufführungen des 17. Jahrhunderts. Das folgende "Intermezzo" zeigt auf, wie Wetterphänomene (Wind, Sonnenschein) auf den Bühnen künstlich erzeugt wurden. Das dritte Kapitel gibt einen Einblick in die Automaten, die Heron von Alexandria in seinem nur bruchstückhaft überlieferten Werk beschreibt, und wie diese in der Renaissance rekonstruiert wurden.
Kapitel vier zeigt auf, wie Figuren mit Hilfe des Einsatzes von Mechanik, Feuerwerk und Wasser in Bewegung gesetzt wurden. Es geht dabei um Brunnen in Gärten, aber auch um "fliegende" Kreaturen bei Festinszenierungen. Es folgt ein "Intermezzo" zu sprechenden Köpfen bei Skulpturen, wie sie beispielsweise John Evelyn 1644 in Form eines Satyrs in der Villa Borghese in Rom gesehen hat. Im fünften Kapitel werden die Techniken von Springbrunnen erläutert. Brunnenanlagen in Rom und solche in berühmten Gärten wie dem der Villa d'Este in Tivoli oder dem der Villa Lante in Bagnaia stehen hier im Vordergrund. Passend hierzu beschreibt ein weiteres "Intermezzo" Überraschungseffekte bei Wasserspielen, die mit ihren abwechselnden kurzen Fontänen noch heute sehr beliebt sind. Das sechste Kapitel ist dem Thema der künstlich erzeugten Musik gewidmet. Hier geht es vor allem um hydraulisch betriebene Orgeln, wie wir sie aus dem Garten der Villa d'Este kennen.
In den Kapiteln sieben und acht werden, wie gesagt, mit dem Garten von Pratolino und dem Theater von Parma zwei Exempel ausführlich vorgestellt, in denen in einer gewissen Weise die in den vorherigen Kapiteln beschriebene Entwicklung einzelner Maschinen und Automaten zu ihrem Höhepunkt kamen.
Philip Steadman folgt man sehr gerne auf den Spuren des Einsatzes von Maschinen im Europa des 15. bis 17. Jahrhunderts, die überwiegend zur Unterhaltung der Eliten dienten. Einziger Wermutstropfen aus der Perspektive der deutschsprachigen Forschung ist der, dass diese nahezu vollständig ausgeblendet bleibt. Zeitgenössische Traktate deutscher Sprache werden von Steadman durchaus herangezogen, nicht aber die jüngere Forschung etwa zu Salomon de Caus und anderen Gartenarchitekten, die innerhalb der Grenzen des Alten Reiches wirkten. [3] So entgeht ihm auch die Beschreibung der Romreise des jülich-klevischen Erbprinzen Karl Friedrich im Jahr 1574/75. Der früh dokumentierten Grand Tour hat sein Lehrer Stephan Winandus Pighius ein literarisches Denkmal gesetzt. In dem in lateinischer Sprache verfassten Buch "Hercules Prodicius" ist schon der Kanon an Orten greifbar, der ein Menschenleben später John Evelyn fasziniert hat. [4]
Die Schneise, die Steadman souverän durch das von ihm zusammengetragene Material schlägt, mag also vor allem als Anregung verstanden werden, sich mehr mit der handwerklich-technischen Seite der Wunderwerke der Renaissancekultur zu beschäftigen, als mit deren kunsthistorischer Dimension. Deutlich wird aber auch, dass früh zahlreiche artifizielle Mechaniken bekannt waren, um Dinge in Bewegung zu setzen. Diese Techniken wurden aber vorwiegend im höfischen Bereich eingesetzt und ihr Potenzial für die Erleichterung von Herstellungsprozessen wohl erst viel später erkannt, als eben diese höfische Welt zu verblassen begann.
Anmerkungen.
[1] https://discovery.ucl.ac.uk/id/eprint/10124541/
[2] S. z.B. Philip Steadman: Vermeer's Camera. Uncovering the Truth Behind the Masterpieces. Oxford 2001.
[3] Vgl. Stiftung Schloss und Park Benrath (Hg.): Wunder und Wissenschaft. Salomon de Caus und die Automatenkunst in Gärten um 1600. Düsseldorf 2008.
[4] Vgl. Wilhelm Diedenhoven: Die Italienreise des Prinzen Karl Friedrich von Jülich-Kleve-Berg 1574/75. Kleve 2008.
Guido von Büren