Geschenktipps zu Weihnachten

Volker Reinhardt, Fribourg


Peter Stephan: Das Obere Belvedere in Wien. Architektonisches Konzept und Ikonographie. Das Schloss des Prinzen Eugen als Abbild seines Selbstverständnisses, Wien / Köln / Weimar 2010.

Kunstwerke stehen mitten in der Gesellschaft und im politischen Raum, den sie durch ihre Präsenz verändern. Damit ist vorgegeben, wie man Kunstgeschichte als eine im weitesten und besten Wortsinn historische Disziplin betreiben sollte: ganzheitlich, vernetzt mit Ökonomie, Ideologie, Staat und vor allem Status. Wie man das macht, macht Peter Stephans meisterliche Studie über das Schloss des Prinzen Eugen vor. Der letzte Held der europäischen Aristokratie wird dabei als ein Genie der Medien-Nutzung vorgeführt: bei aller Selbstverherrlichung als Diener seines kaiserlichen Herrn, mit dem er in Prestige-Personalunion steht.


W. Somerset Maugham: Then and Now, London 1946; deutsch: Damals und Heute. Ein Machiavelli-Roman, Zürich 1975.

Von den mehr als zwanzigtausend bibliographisch erfassten Texten zu Niccolò Machiavelli ist dies der "unwissenschaftlichste" und doch der "biographischste" überhaupt. Mit der Lizenz zum Erfinden, wie sie der Literat für sich in Anspruch nehmen darf, schildert Maugham die Abenteuer des Florentiner Sekretärs während seiner Gesandtschaft bei Cesare Borgia in der Romagna. Und er zeigt mit den Mitteln der Imagination und der Intuition, die dem Historiker verboten sind, was die Geschichte als Wissenschaft nur bestätigen kann: die Ohnmacht des Geistes vor der Macht und den Triumph des Intellektuellen, der deren Geheimnissen auf die Spur kommt.


Roger Sablonier: Gründungszeit ohne Eidgenossen. Politik und Gesellschaft in der Eidgenossenschaft, 3. Auflage, Baden 2008.

Die scharfsinnige Studie des (leider 2010 viel zu früh verstorbenen) Zürcher Mediävistik-Professors zeigt exemplarisch, was historische Detektivarbeit vermag: C 14-Untersuchungen weisen nach, dass Urkunden später entstanden sind, als ihre Datierung vorgibt, alt bekannte Texte werden neu befragt und geben neue Antworten. Und auf einmal ergibt sich ein ganz neues Bild der eidgenössischen Anfänge. Dabei geht es – Leitmotiv für die Zukunft – um die Stellung von Söldnern für königliche Romzüge, um Reichsvogteien – und um die Nutzung von Viehweiden.


Thomas Lau: Teutschland. Eine Spurensuche im 16. Jahrhundert, Stuttgart 2010.

Deutsche Geschichte zwischen Reformation und Dreißigjährigem Krieg hat mehr zu bieten als die altbekannten Berichte von Thesenanschlag und Fenstersturz. In einem Dutzend vertiefter Einblendungen zeichnet Thomas Lau einen spannenderen und folgenreicheren Prozess nach: Wie Historiker und Reformatoren die deutsche Nation erfinden, in welchem Verhältnis dieses Konstrukt zu regionalen Identitäten und zum Streit der Konfessionen steht – und wie man sich in den Fallstricken dieser "Wir"-Gehege verfangen kann. Wer nach der Lektüre dieses Buches leugnet, dass es frühneuzeitlichen Nationalismus im vollsten Wortsinn gibt, ist unbelehrbar.


Arne Karsten: Kleine Geschichte Venedigs, München 2008.

Bücher über Venedig gibt es wie Sand am Lido. Darunter sind viele von Gelehrsamkeit schwer, essayistisch leicht, grau wie alle Theorie, bunt wie ein Gemälde von Tizian, düster wie das Staatsgefängnis der Bleikammern oder vor Witz perlend wie Prosecco. Nur sind sie leider entweder das eine oder das andere – mit einer Ausnahme: Arne Karsten schreibt die Geschichte der Serenissima wissenschaftlich fundiert, elegant, anschaulich und multidimensional zugleich: Wie sich die Markusrepublik politisch entwickelte, ihre Elite sich selbst darstellte und die kleinen Leute in ihren genau abgesteckten Freiräumen lebten, das alles in Bauten und Bildern widergespiegelt wie im Wasser der Lagune. Ein Buch wie eine Gondelfahrt über den Canale grande zu Vivaldi-Musik.