Rezension über:

Hans Körner / Karl Möseneder (Hgg.): Format und Rahmen. Vom Mittelalter bis zur Neuzeit, Berlin: Dietrich Reimer Verlag 2008, 270 S., ISBN 978-3-496-01386-0, EUR 39,00
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Rezension von:
Karin Gludovatz
Kunsthistorisches Institut, Freie Universität Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Hubertus Kohle
Empfohlene Zitierweise:
Karin Gludovatz: Rezension von: Hans Körner / Karl Möseneder (Hgg.): Format und Rahmen. Vom Mittelalter bis zur Neuzeit, Berlin: Dietrich Reimer Verlag 2008, in: sehepunkte 10 (2010), Nr. 1 [15.01.2010], URL: https://www.sehepunkte.de
/2010/01/14776.html


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Hans Körner / Karl Möseneder (Hgg.): Format und Rahmen

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In den letzten Jahren hat die Forschung verstärkt über den Nutzen und die Probleme nachgedacht, die der Umgang mit Reproduktionen für die kunsthistorische Praxis mit sich bringt. Dies geschah unter der Prämisse neuer technologischer Entwicklungen sowie im Interesse von Intermedialitätsdebatten und wissenschaftshistorischen Studien. Der von Hans Körner und Karl Möseneder herausgegebene, auf einer gemeinsamen Ringvorlesung der Kunsthistorischen Institute Düsseldorf und Erlangen-Nürnberg basierende Band fügt sich indirekt in die Reihe dieser Forschungen ein. Rückt er mit "Format und Rahmen" doch zwei wesentliche Komponenten künstlerischer Objekte ins Zentrum, die den Geboten der Reproduktion, nämlich das Werk in Szene zu setzen bzw. im Dienste visueller Rhetorik auf bestimmte Details zu fokussieren, gemeinhin zuallererst zum Opfer fallen: Kaum je zeigt die Abbildung eines Gemäldes auch dessen Rahmen und selten vermag selbst eine Projektion Maßstabsfragen zu veranschaulichen. Die vorliegende Publikation insistiert zu Recht auf eine komplettierende Sicht: Vor dem Original sind Format und Rahmen unhintergehbare Faktoren, sie lassen sich nur bedingt ausblenden und der "eigentliche" Gegenstand der Anschauung bleibt davon kaum unberührt.

Während die Frage des Formats selten explizit Gegenstand kunsthistorischer Untersuchung war [1], galt dem Rahmen in seinem ambivalenten Status als Grenzfigur wiederholt das Interesse von Philosophie und Kunstgeschichte: Er wurde als Signum der Vollendung und der Exklusion gedeutet, das Autonomie und Mobilität des Werks begründe und als ordnendes Element diene, indem es die Aufmerksamkeit der Betrachter diszipliniere. [2] Doch vermittle er das Kunstwerk in seiner Abgeschlossenheit einer Außenwelt [3], etabliere mithin eine Zwischenzone, die letztlich unbestimmbar bleibe. [4] So lasse sich der Rahmen als Parergon auch nicht vom Ergon trennen, vielmehr nehme er interaktiv Einfluss auf das Werk, das er (mit-)konstituiere. [5] Ästhetiktheoretische, phänomenologische und rezeptionsästhetische Studien ziel(t)en vor allem auf die dialektische Grunddisposition des Rahmens ab - Innen und Außen, Markierung und Überschreitung, Bruch und Vermittlung zu bedeuten, funktional zu sein und zugleich den Kunstcharakter zu bekräftigen.

Die Beiträge des vorliegenden Bandes schließen an die oben skizzierten und in der Forschung immer noch virulenten Fragen an und pointieren sie anhand konkreter Objektstudien. Der Fokus liegt also eindeutig auf den empirischen Qualitäten von Rahmen und Format, wobei in aufschlussreicher Weise mediale Vielfalt Berücksichtigung findet. Der Selbstbehauptung des Rahmens wie seiner Überspielung vermittels ornamentaler Ausschmückung widmen sich die Beiträge von Jürgen Wiener ("Rahmen und Ranke in der italienischen Skulptur um 1300") und Hans Körner ("Randfiguren der Kunst. Figur und ornamentaler 'Kunst-Stoff' in Rahmendekorationen des 16. Jahrhunderts"). Wieners Analysen zeigen einerseits die Betonung des Rahmens durch Ornament wie auch die Verselbständigung des Zierwerks innerhalb des Bildfeldes als rahmendes, strukturierendes Element. Körner wendet sich mit Rekurs auf Derrida gegen eine Qualifikation des Rahmens als Kuppler (Félibien) und Blender (Kant) und fragt anhand der Ausstattung von Fontainebleau vielmehr nach der "Produktivität" und "Dichte" jener Zonen zwischen den Bildfeldern, die bevölkert von Skulpturen und plastischen Dekorationen die Trennung von Parergon und Ergon ad absurdum führen. Die Stichreproduktionen des Ausstattungsprogramms zeigen hingegen partiell das Bemühen, durch Aussparungen der Freskenfelder oder Weglassung der Zwischenzonen im Medium der Grafik die Gattungen zu trennen und so die ästhetische Ordnung von Bild und Rahmen einzuholen.

Wiebke Windorf verhandelt die Ädikula als Raum gestaltendes Element und damit deren buchstäblich grenzüberschreitende Wirkung sowie ihre doppelte Bezugnahme nach innen zur Skulptur wie nach außen zur Architektur ("Giacomo della Porta und die Entwicklung des Ädikularahmens vom 16. bis zum mittleren 17. Jahrhundert"). Karl Möseneder zeigt anhand des Triumphbogens als Herrschaftsformel und seiner Modifikationen intermediale Übersetzungsleistungen auf ("Der Reiter im triumphalen Rahmen: Aspekte einer neuzeitlichen Bildformel"). Das Motiv diente der Verherrlichung des Dargestellten und ist in monumentalen Formaten, in Architektur und Skulptur, ebenso zu finden wie es sich in abgewandelter Form in der Druckgrafik und Malerei behauptet, ohne dabei an Nachhaltigkeit zu verlieren. Die Frage nach dem Rahmen von (politischer) Macht kehrt auch bei Manja Wilkens wieder, die Inszenierungspraktiken in Fotos von PolitikerInnen untersucht und den Begriff des Rahmens auf Interieurs hin erweitert, fungieren darin doch zuallererst "frames" wie Arbeitszimmer, Bücherwände und Flugzeugausstattungen als bedeutungsstiftendes Umfeld ("Der Rahmen der Macht. Zur Inszenierung der politischen Klasse").

Die Überwindung des Rahmens zugunsten des Raums erfuhr Radikalisierung in den Neo-Avantgarden seit den 1960er-Jahren, wie Hans Dickel konstatiert ("Der 'Ausstieg aus dem Bild' - am Beispiel der italienischen Kunst"). Der sich in der Arte povera abzeichnende Konflikt zwischen einer Eigenwertigkeit des Materials und dem notwenigen Maß an Formfindung, um die Materialien im Feld der Kunst "aufzuwerten", war durch hermetische Abgrenzung nicht zu bändigen, sondern bedurfte eines neuen Rahmens: des White Cube als exemplarischer Raum ästhetischer Erfahrung und künstlerischer Institutionalisierung. Der Beitrag von Karina Türr greift explizit die Frage nach dem Format auf, konkret anhand der Riesenformate der abstrakten Expressionisten, in denen die Autorin einen Akt der "Bildzerstörung" durch (Farb-)Raumgewinnung und Distanznivellierung ausmacht.

Der Band ist in mehrfacher Hinsicht verdienstvoll: Er verbindet Fragen des Formats und der Rahmung, die einander in nahe liegender Weise bedingen - wenngleich es schade ist, dass die Rahmung in der Zusammenstellung der Aufsätze eindeutig Priorität hat - und er holt in historischer Perspektive weit aus, indem er vom Hochmittelalter bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts reicht. Die Beiträge eröffnen in medialer Hinsicht ein erfreulich breites Spektrum, da sie nicht nur die bei dem Thema symptomatische Gattung des Tafelbildes ins Auge fassen, sondern ebenso die Buch- und Wandmalerei, Skulptur und Architektur, Druckgrafik und Buchkunst, Fotografie und Installation berücksichtigen - das ist vielleicht der wesentlichste Punkt angesichts der aktuellen und nachhaltigen Fokussierung auf "das Bild" und ein "Mehrwert" gegenüber bisherigen Studien. Damit zeigen sie auf, dass dem Rahmen in seiner Funktion als Schwelle eine paradigmatische Mittlerrolle im Zusammenwirken der Künste zukam und seine Funktion als Eingrenzung erst recht Grenzüberschreitungen provozierte.


Anmerkungen:

[1] Thomas Puttfarken: Maßstabsfragen. Über die Unterschiede zwischen großen und kleinen Bildern, Hamburg 1971.

[2] José Ortega y Gasset: Meditationen über den Rahmen, in: ders.: Über die Liebe, München 1986, 61-69.

[3] Georg Simmel: Der Bildrahmen. Ein ästhetischer Versuch [1902], in: ders.: Soziologische Ästhetik, Darmstadt 1998, 111-117.

[4] Hilde Zaloscer: Versuch einer Phänomenologie des Rahmens, in: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft 19 (1974), 189-224.

[5] Jacques Derrida: Das Parergon, in: ders.: Die Wahrheit in der Malerei, Wien 1992, 56-104. Damit ist freilich nur eine kleine Auswahl angezeigt, die Literatur zu Rahmen ist sehr viel umfangreicher. Von kunsthistorischer Seite verweise ich nur auf einige wenige neuere Studien, die Dissertationen von Eva Mendgen: Künstler rahmen ihre Bilder. Zur Geschichte des Bilderrahmens zwischen Akademie und Sezession, Konstanz 1991 und Vera Beyer: Rahmenbestimmungen. Funktionen von Rahmen bei Goya, Velázquez, van Eyck und Degas, München 2008 sowie auf die Beiträge des von Eva Mendgen herausgegebenen Ausstellungskatalogs: In Perfect Harmony. Bild + Rahmen 1850-1920, Wien 1995 und auf Paul Duro: The rhetoric of the frame. Essays on the boundaries of the artwork, Cambridge 1996. Weiterhin ist der Bilderrahmen in der Kunstgeschichte natürlich Gegenstand kunstgewerblicher Studien, etwa: Paul Mitchell / Lynn Roberts: A History of European Picture Frames, London 1996.

Karin Gludovatz