Marie-Hélène Grintchenko: Catherine de Bourbon (1559-1604). Influence politique, religieuse et culturelle d'une princesse calviniste (= Vie des Huguenots; 50), Paris: Editions Honoré Champion 2009, 1066 S., ISBN 978-2-7453-1866-4, EUR 170,00
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Zu Catherine de Bourbon, Tochter der Jeanne d'Albret und Schwester Heinrichs IV., letzte Prinzessin von Navarra, Beschützerin der reformierten Kirche in Frankreich und "grande femme d'État" (22), sind bereits mehrere Biografien verfügbar. Grintchenko versteht ihr Buch daher nicht als lineare Lebensbeschreibung der calvinistischen Prinzessin, sondern sie möchte einige Aspekte ihres politischen, religiösen und kulturellen Wirkens beleuchten. Hierfür hat die Autorin Quellen in verschiedenen französischen Archiven konsultiert, darunter auch die streckenweise gut erhaltenen Rechnungsbücher der Prinzessin, und einen Teil der Ergebnisse in eine Datenbank eingepflegt. Aus der daraus entstandenen vierbändigen "thèse" ist nun das vorliegende Buch hervorgegangen, bei dem es sich um ein enorm detailreiches, 1000 Seiten starkes Werk handelt, das aber eher als praktisches Nachschlagewerk angesehen werden muss denn als Beitrag zur Forschungsdiskussion.
Der erste Teil beschäftigt sich mit den Strukturen und Netzwerken, in denen sich Catherine de Bourbon bewegte. In einem ersten Unterkapitel beleuchtet die Autorin Herkunft und Familie der Prinzessin, die von Catherine gewünschte aber von ihrem Bruder verhinderte Heirat mit dem Grafen von Soissons sowie ihre Eheschließung mit dem Herzog von Bar. Besondere Bedeutung für die Entwicklung von Catherines Selbstverständnis kommt den Frauen in ihrem Umfeld zu. Des Weiteren war die Beziehung zu ihrem Bruder für Catherine wichtig, da sie sich auf dieselben Netzwerke stützte wie Heinrich IV. Das zweite Unterkapitel behandelt die "maison" der Prinzessin von Navarra. Die Männer und Frauen, die für sie tätig und ihr in großer Treue und Ergebenheit verbunden waren, bildeten eine Art "Kokon" um Catherine de Bourbon. Das dritte Unterkapitel beschäftigt sich mit den territorialen Strukturen im Königreich Navarra und mit den Auseinandersetzungen, denen sich Catherine zur Verteidigung ihrer diesbezüglichen Ansprüche stellen musste. War es der Prinzessin Anfang der 1590er Jahre noch gelungen, ihre politische und finanzielle Unabhängigkeit durchzusetzen, wurden ihre Bemühungen posthum durch den Unionsvertrag von 1620, der das Königreich Navarra endgültig mit Frankreich verband, zunichte gemacht.
Der zweite Teil widmet sich den Machtverhältnissen und mithin den Handlungsspielräumen, die sich der Schwester Heinrichs IV. in Pau (als Regentin des Béarn), Paris (als Schwester des Königs am Hof von Frankreich) und Nancy (als Herzogin von Bar) boten. 1577 übergab Heinrich seiner Schwester die Regentschaft von Navarra, Béarn, Bigorre und Foix. Die Prinzessin widmete sich dieser Aufgabe in den folgenden Jahren mit großem Engagement, wie ihre ausgedehnten Reisen und ihr Briefwechsel zeigen. 1592 verließ Catherine das Béarn, um sich ihrem Bruder in Frankreich anzuschließen. Beleuchtet wird ihre Rolle zwischen den politischen Gruppierungen am Hof von Frankreich, den Getreuen ihres eigenen Hofes und Gabrielle d'Estrées, der Mätresse Heinrichs IV. Das dritte Unterkapitel schließlich beschäftigt sich mit Catherine de Bourbon nach ihrer Heirat mit dem Herzog von Bar. Zwar hatte die Schwester des Königs auch weiterhin Einfluss in Frankreich und Navarra, doch nahm ihre Bedeutung als politisch Handelnde in dieser Zeit merklich ab. Wichtig blieb sie hingegen für die reformierte Kirche in Frankreich, vor allem aufgrund ihrer bis zuletzt unbeugsamen Haltung angesichts massiver Versuche, sie zur Konversion zu überreden.
Im dritten Teil geht es um das Bild der Schwester Heinrichs IV., wie es sich in schriftlichen Zeugnissen findet. Hierfür wird zunächst Catherines Korrespondenz unter die Lupe genommen. In einem zweiten Schritt werden Gedichte der Prinzessin und anderer Autoren beleuchtet, wobei die Interpretation über eine reine Nacherzählung nur selten hinausgeht. Schließlich werden die "ballets" untersucht, am französischen Hof beliebte Tanztheateraufführungen mit hochsymbolischem Charakter. Das Ballet diente der politischen Propaganda, etwa wenn sich Catherine in Aufführungen der Jahre 1592 und 1593 ihrem Bruder gegenüber als unentbehrliche Weggefährtin darstellte. Im zweiten und letzten Kapitel des dritten Teils (eine der wenigen Stellen, an der die Autorin von ihrem starren Dreierschema abweicht) geht es um politische und religiöse Streitschriften. Beleuchtet werden Pamphlete sowohl von Freunden als auch von Feinden des Königs und seiner Schwester. Das sehr gelungene Unterkapitel VIII.81.C.b stellt einen Versuch dar, sich der innersten religiösen Überzeugung der Prinzessin zu nähern. In den abschließenden Kapiteln über die politischen und religiösen Debatten der Zeit und die Argumentationsstrategien ihrer Theologen geht Catherine de Bourbon mehr und mehr unter, bis sie aus dem Buch quasi von selbst verschwindet.
Wie in ihrer Einleitung angekündigt, hat Grintchenko tatsächlich keine klassische Biografie verfasst: Die Kapitel sind nicht chronologisch, sondern thematisch angeordnet, und es ist der Autorin gut gelungen, das Leben der Protagonistin in ihre Zeit einzubinden. Doch sind diese Stärken gleichzeitig auch die Schwächen des Buches. Die unübersichtliche Gliederung macht eine Lektüre von Anfang bis Ende beinahe unmöglich, einige Themen werden wieder und wieder aufgegriffen, ohne dass eine Synthese hergestellt würde (z.B. Catherines Korrespondenz: Kap. IV, 43.A; Kap. V.51.B; Kap. VII.71), und die extrem kurzen Kapitel, deren Text teilweise noch durch Spiegelstriche weiter untergliedert ist (z.B. III.33.B.c), machen eine flüssige Lektüre unmöglich. Die Schilderung der Zeitumstände ist sehr ausführlich geraten, teilweise so ausführlich, dass die Prinzessin über mehrere Seiten kaum Erwähnung findet (z.B. 79-108).
Das größte Manko besteht jedoch im Fehlen jeglicher Diskussion des Forschungsstandes. Als Referenz zum französischen Hof dient Norbert Elias, als Vergleichspunkte werden fast ausschließlich die unveröffentlichten Vorträge ein und derselben Tagung zitiert, vor allem aber wird die Forschung zu weiblichen Angehörigen des französischen Adels im 16. Jahrhundert weitgehend ignoriert. Die Erkenntnisse aus den Arbeiten etwa von Robert Kalas, Sharon Kettering oder Kristen Neuschel hätten dabei helfen können, Leben und Wirken der Prinzessin besser einzuordnen. Und Grintchenkos Aussage, wir hätten es bei Catherine de Bourbon mit einem "personnage atypique" zu tun (745), hätte durch die Lektüre von Thierry Wanegffelen eigentlich relativiert werden müssen. Nicht zuletzt wegen der kurzen Kapitel und der vielen Überschriften stellt das vorliegende Buch ein gutes "Nachschlagewerk" zu Catherine de Bourbon dar, und es kann aufgrund der vielen Schaubilder mit den darin verarbeiteten Quellendaten auch als Grundlage für weitere Arbeiten dienen, einen Beitrag zur Diskussion des Forschungsstandes leistet es aber nicht.
Christiane Coester